Donnerstag, März 28, 2024

Herzinfarkt: Kalzium-Theorie widerlegt

Der Behandlungsansatz, Kalzium von den Mitochondrien abzublocken um größere Schäden durch einen Herzinfarkt zu verhindern, scheint  widerlegt zu sein.

Die Grundlagenforschung stellt derzeit die lange gehegte Hoffnung in Frage, dass das Abblocken von Kalzium aus den energieproduzierenden Mitochondrien der Herzzellen den, durch einen Herzinfarkt verursachten, Schaden verhindern könnte.

Forscher hatten lange Grund darauf zu hoffen, dass das Blockieren des Kalzium-Flusses in die Mitochondrien unserer Herz- und Gehirnzellen ein Methode sein könnte, um Schäden durch Herzinfarkte und Schlaganfälle zu verhindern. Nun wurde jedoch ein Mausmodell entwickelt, dem ein wichtiger Kalzium-Kanal in die Herzzellen fehlt, wodurch Wissenschafter der John Hopkins University School of Medicine in der Lage waren, die gesamte Theorie in Frage zu stellen.

„Wir haben bestätigt, dass dieser Kalzium-Kanal sehr wichtig für die Herzfunktion ist,“ sagt Haupt-Autor Dr. Mark Anderson, Direktor des Department of Medicine an der John Hopkins University School of Medicine. „Unsere Ergebnisse zeigen aber auch, dass dieser Behandlungsansatz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine gute Möglichkeit für eine Langzeit-Therapie darstellt, zumindest bei Herzinfarkten.“

Die Versuche von Anderson und seinem Forscherteam entwuchsen ihrem in den letzten Jahren gewachsenen Verständnis für die Rolle von Kalzium in der Herzfunktion. Mit jedem Herzschlag bewegen sich Kalzium-Moleküle in die winzigen Zellorganellen, die wir Mitochondrien nennen – die Energiekraftwerke all unserer Zellen –, und wieder aus ihnen heraus. In den Mitochondrien ist die Anwesenheit von Kalzium allgemein positiv und wichtig für deren Funktion – es hilft schließlich bei der Herstellung von Energie, die die Zelle zum Leben benötigt. Aber seit gut 50 Jahren wissen Wissenschafter auch, dass zu viel mitochondriales Kalzium Zellen auch überfordern und abtöten kann. Nach einem Herzinfarkt kommt es nun zu einer plötzlichen Überschwemmung der Zellorganelle mit Kalzium, was dementsprechend den Zelltod auslöst und besagte Langzeitschäden verursacht.

Deswegen war, laut Anderson, die Theorie, Herz- und Gehirnzellen durch das Blockieren dieser Kalzium-Überschwemmung zu schützen, eine lang gehegte Hoffnung, die weiter dadurch angefeuert wurde, dass vor wenigen Jahren der spezifische Kanal entdeckt wurde, der Kalzium in und aus den Mitochondrien schleust, auch bekannt als der Mitochondrial Calcium Uniporter (MCU).

Gewappnet mit den neuesten Erkenntnissen begannen Anderson und seine Kollegen damit die Effekte der mitochondrialen Kalzium-Blockade zu untersuchen, indem sie genetisch veränderte Mäuse gezüchtet haben, deren Mutation die MCU-Funktion in ihren Herzzellen ausgeschaltet und damit den Kalzium-Fluss in die Mitochondrien ihrer Herzmuskelzellen lahmgelegt hat.

Obwohl so gut wie kein Kalzium in die Mitochondrien ihrer Herzmuskelzellen gelangt ist, berichtet Anderson, haben sich ihre Herzen und ihr Herzschlag normal entwickelt. Wenn das Team die Mäuse jedoch auf eine Art und Weise stresste, die den Herzschlag normalerweise beschleunigen würde, zeigten die Tiere so gut wie keine Veränderung in ihrer Herzfrequenz, ihr Herzmuskel verlor an Effizienz und benötigte extra viel Sauerstoff um funktionieren zu können.

In weiterführenden Experimenten unterbrachen die Wissenschafter die Sauerstoffzufuhr zu den Herzmuskelzellen und stellten sie kurz darauf wieder her, um damit die Vorgänge während eines echten Herzinfarktes zu simulieren. Die Herzmuskelzellen starben genauso ab, auch wenn mitochondriales Kalzium ganz klar nicht beteiligt war, sagt Anderson.

Anderson’s Team fand heraus, dass die Herzmuskelzellen stattdessen den Mangel an Kalzium einfach dadurch kompensierten, dass sie andere Mechanismen aktivierten, die den Zelltod herbeiführen. Es zeigte sich also, dass das Blockieren des mitochondrialen Kalziums nur die Art des Zelltodes verändert hat, diesen aber nicht verhindern konnte.

„Trotz der Vorhersagen, dass das Blockieren des Kalzium Kanals vor einer Kalzium-Überschwemmung schützen würde, schützte es nicht vor dem Zelltod,“ meint Anderson. In Zukunft wird es weitere Studien brauchen, um diese Erkenntnisse auch auf die Anwendung in Gehirnzellen überprüfen zu können. Anderson vermutet, dass die neuen Ergebnisse ein Dämpfer für die geplante Entwicklung von MCU-Blockern sein werden, die für Patienten mit einem Bedarf für Langzeittherapien zur Prävention von Herzinfarkten gedacht waren.

Quelle: Tyler P. Rasmussen, Mei-ling A. Joiner, Olha M. Koval, Biyi Chen, Zhan Gao, Zhiyong Zhu, Brett A. Wagner, Jamie Soto, Michael L. McCormick, William Kutschke, Robert M. Weiss, Liping Yu, Ryan L. Boudreau, E. Dale Abel, Fenghuang Zhan, Douglas R. Spitz, Garry R. Buettner, Long-Sheng Song and Leonid V. Zingman of the University of Iowa Carver College of Medicine in Iowa City; and Yeujin Wu, Nicholas R. Wilson, Elizabeth D. Luczak and Qinchuan Wang of the Johns Hopkins University School of Medicine. Inhibition of MCU forces extramitochondrial adaptations governing physiological and pathological stress responses in heartPNAS 2015

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