Freitag, März 29, 2024

Zentren für Seltene Erkrankungen – neue Wege für kranke Kinder?

Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSEs) spielen gerade für betroffene Kinder und Jugendliche eine große Rolle: In einem typischen ZSE, von denen es in Deutschland aktuell 33 gibt, werden jeweils mehrere tausend Kinder in integrierten sogenannten Typ B- Zentren betreut – hochspezialisierte, interdisziplinär und multiprofessionell arbeitende Fachzentren, die sich um einzelne Krankheitsbilder und Krankheitsgruppen kümmern. Dazu kommen viele weitere Kinder und Jugendliche mit Seltenen Erkrankungen, die in den Spezialambulanzen an Unikliniken behandelt werden.

Welch ungeheuren Wert die Zentren für Seltene Erkrankungen gerade für Kinder haben, konnten die Innovationsfonds-Projekte TRANSLATE-NAMSE und ZSE-DUO zeigen: Alleine in dem Projekt TRANSLATE-NAMSE, das zur Zeit ausgewertet wird, wurden in den beteiligten Zentren über 3000 Kinder ohne Diagnose betreut mit dem Ergebnis, dass bei einem Viertel der Patienten eine definitive Klärung der Erkrankung geleistet und damit die oft zermürbende Phase der Unsicherheit bei Kindern und Familien beendet werden konnte.

Für die komplexe und ressourcenintensive Arbeit der ZSEs ist allerdings eine ausreichende Finanzierung unerlässlich. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat hier im Dezember 2019 mit den Zentrums-Regelungen eine Grundlage geschaffen, die ab diesem Jahr 2021 für die Vereinbarung von Zentrumszuschlägen dienen kann.
Prof. Dr. Helge Hebestreit, Vorsitzender der Kommission Seltene Erkrankungen, die sich innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) mit dem Thema befasst: „Es ist jedoch jetzt schon klar, dass über die Zuschläge nur besondere Leistungen v.a. im stationären Sektor finanziert werden können. Die meisten Patienten mit einer Seltenen Erkrankung können und sollen jedoch ambulant betreut werden.“

Ein wichtiges Werkzeug sowohl in der Diagnosefindung bei Menschen mit Verdacht auf eine Seltene Erkrankung als auch in der Entscheidungsfindung bei komplexen Behandlungsplänen sind Fallkonferenzen, in denen Experten unterschiedlicher Fachgebiete – oft aus mehreren Einrichtungen – ihr Wissen und ihre Erfahrung zusammenbringen, um die bestmögliche Vorgehensweise für den Betroffenen zu finden. So zeigen die vorläufigen Daten der TRANSLATE-NAMSE-Auswertung, dass an den Fallkonferenzen, die zur Diagnosestellung führten, mindestens 6 Expert*innen in durchschnittlich 3 Konferenzen über jeweils 30 Minuten tätig waren.

„Eine derart rasche und gut strukturierte Abklärung ist für das Kind, das im Zentrum einer solchen Fallkonferenz steht, kaum zu unterschätzen“, betont Prof. Hebestreit: „Fast immer geht es um eine wesentliche Verbesserung der Lebensqualität, und manchmal auch um gewonnene Lebenszeit!“.

Mit der Gründung von deutschen Referenznetzwerken analog zu den Europäischen Referenznetzwerken wird die Vernetzung zwischen den Experten für Seltene Erkrankungen auf der Ebene einzelner Krankheitsbilder oder Krankheitsgruppen noch größer und intensiver werden. Auch hier spielen Fallkonferenzen eine große Rolle.
Die aufwendigen Fallkonferenzen im ambulanten Bereich, die oft auch Expertise mehrerer Standorte bündeln, benötigen ebenfalls eine ausreichende Finanzierung.

Zum Tag der Seltenen Erkrankungen 2021 sind somit deutliche Fortschritte in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Seltenen Erkrankungen zu verzeichnen. Neue Wege der Versorgung entwickeln sich in den Zentren für Seltenen Erkrankungen, die allerdings einer entsprechenden finanziellen Absicherung bedürfen.


Quelle:

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ): www.dgkj.de

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