Samstag, April 20, 2024

Wirtszellen bieten Viren ihre molekulare Infrastruktur für die Vermehrung

Zur Vermehrung brauchen Viren die molekulare Infrastruktur ihrer Wirtszellen, um Erbinformation abzulesen und so Tochter-Viren herzustellen.

Im Grunde genommen sind Viren für die Vermehrung von ihren Wirtszellen abhängig. Denn sie müssen, um Virus-Erbinformationen ablesen und so Tochter-Viren herstellen zu können, die Wirtszellen dazu bringen, deren molekulare Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Hierzu forschen Wissenschaftler seit Jahrzehnten am Beispiel des Bakteriophagen Lambda. Jetzt hat eine Arbeitsgruppe der Charité – Universitätsmedizin Berlin die Details mittels hochauflösender Kryo-Elektronenmikroskopie entschlüsselt.

 

Ohne Wirtszellen keine Viren

Viren sind zwar in der Lage, sich selbst in der Umwelt zu verbreiten. Dessen ungeachtet fehlen ihnen zur Vermehrung jedoch jene komplexe Maschinerie, mit der Erbinformation abgelesen und in neue Viruspartikel übersetzt werden können. Aus diesem Grund nutzen Viren ihre Wirtszellen mit deren molekularer Infrastruktur. Seit Jahrzehnten erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, wie genau Viren diese Ausbeutung gelingt.

 

Forschungsgegenstand Bakteriophage Lambda

Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass der Bakteriophage Lambda seine Erbinformation hinter ein bestimmtes Gen seines Wirtsbakteriums einbaut. Der Molekülkomplex, der die Erbinformation abliest, die sogenannte RNA-Polymerase, würde normalerweise am Ende des bakteriellen Gens stoppen und die nachfolgenden Virus-Gene ignorieren. Um zu verhindern, dass die RNA-Polymerase stoppt, wendet das Virus einen Kniff an. Es bringt das kleine Protein Lambda-N mit, das sich an die RNA-Polymerase des Wirts heftet. Dann zwingt es diese dazu, auch die Virus-Gene abzulesen. Trotz intensiver Forschung war bisher jedoch unbekannt, wie genau das kleine Protein dies erreicht. Jetzt konnte ein Berliner Forscherteam die dreidimensionale Struktur des Komplexes aus RNA-Polymerase und Lambda-N in hoher Auflösung ermitteln und so die Details der „viralen Ausbeutung“ klären.

 

700.000 Bilder mittels Kryo-Elektronenmikroskopie

In ihrer Studie haben Wissenschaftler der Charité mit Forschungsgruppen der Freien Universität Berlin und des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik kooperiert. Sie produzierten die einzelnen Komponenten des großen Proteinkomplexes separat. Danach setzten sie sie anschließend wieder zusammen und froren den Komplex in einem dünnen Wasserfilm ein. Mittels Kryo-Elektronenmikroskopie nahmen die Forscherinnen und Forscher 700.000 Bilder des Proteinkomplexes aus verschiedenen Richtungen auf und errechneten daraus seine dreidimensionale Struktur.

„Aus der Struktur konnten wir beispielsweise folgern, dass das kleine virale Protein Lambda-N die beiden Hälften der RNA-Polymerase zusammenheftet und so verhindert, dass sie durch das Stopp-Signal am Ende des bakteriellen Gens auseinanderfallen“, erklärt Ferdinand Krupp, einer der Erstautoren der Studie und Doktorand am Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Charité.

„Dadurch liest die RNA-Polymerase auch die nachfolgenden viralen Gene ab. Sind die Viren-Gene dann abgelesen, werden sie als Bauplan für die Herstellung von Tochter-Viren benutzt – und das Virus hat sein Ziel erreicht“, ergänzt der Biophysiker. „Unsere Daten liefern außerdem die Erklärung für viele Einzelergebnisse, die über fünf Jahrzehnte der Forschung gesammelt wurden. Zusammengenommen können diese Erkenntnisse dazu beitragen, neue antibakterielle Medikamente zu entwickeln.“

Literatur:

Krupp F et al., Structural Basis for the Action of an All-Purpose Transcription Anti-Termination Factor. Mol Cell. 2019 Feb 19. doi: 10.1016/j.molcel.2019.01.016

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