Freitag, März 29, 2024

Wie resistente Keime entstehen

Resistente Keime, denen die gängigen Antibiotika nichts anhaben können, sind inzwischen weit verbreitet und ein zunehmendes Problem in Kliniken.

 

Wie gefährlich sind resistente Keime für die gesunde Bevölkerung? Wie trägt der Umgang mit Antibiotika zur Entstehung von Resistenzen bei? „90 Prozent aller Antibiotika werden außerhalb der Kliniken eingenommen. Leider zu häufig unnötig“, bemängelt Ärztlicher Direktor der Abteilung Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Zentrum für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg. „Dass unkontrollierter und vor allem unsachgemäßer Antibiotikagebrauch Probleme verursacht, sehen wir vor allem in Ländern, in denen Antibiotika nicht verschreibungspflichtig sind. Bei Patienten in Griechenland finden sich beispielsweise bis zu dreimal mehr resistente Keime als in Deutschland, in den arabischen Ländern ist der Anteil noch größer.“

In Spanien, wo Penicillin frei käuflich ist, zeigen sich rund 30 Prozent der Pneumokokken, die z.B. Lungen-, Mittelohr- oder Nasennebenhöhlenentzündungen verursachen, resistente Keime gegen Penicilin. Spanienurlauber können solche resistente Keime unbemerkt mit nach Hause bringen.

Routine-Tests im Krankenhaus verhindern, dass sich resistente Keime ausbreiten

Ein Grund, den nächsten Spanienurlaub zu stornieren, ist das zunächst einmal nicht. Gefährlich werden resistente Bakterien vor allem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Kleinkinder und Alte. Wenn sie schwer erkranken, weil ihr Körper selbst mit der Infektion nicht fertig wird, muss zunächst nach einem wirksamen Antibiotikum gesucht werden. „Es gibt in den meisten Fällen noch Reserve-Antibiotika, aber man muss wissen, gegen welche Mittel die Krankheitserreger resistent sind“, erklärt der Mikrobiologe. „Wird erst mit einem unwirksamen Antibiotikum behandelt, verstreicht wertvolle Zeit für den Patienten.“

Am Universitätsklinikum Heidelberg werden Patienten, bei denen mit resistenten Keimen gerechnet werden muss, routinemäßig gescreent: Abstriche aus Nase und Enddarm zeigen, welche Bakterien vorhanden sind und ob und gegen was sie resistent sind. Risikopatienten sind Patienten mit längerem Klinikaufenthalt, Bewohner aus Alters- und Pflegeheimen, Menschen von außerhalb Deutschlands, bestimmte Urlauber und Patienten der Intensivstation. Insgesamt sind das in Heidelberg rund 30.000 Screenings im Jahr. Finden sich bei ihnen Resistenzen, müssen Schutzmaßnahmen ergriffen werden. „Der beste Schutz davor, solche Keime weiterzugeben und geschwächte Menschen zu gefährden, ist nach wie vor die Händedesinfektion“, sagt Heeg.

Gezielte Kurzzeittherapie beugt Resistenzen vor

Ursache für viele Resistenzen ist die Variabilität des bakteriellen Erbguts und die enorme Vermehrungsrate. Aus einem einzelnen Bakterium können innerhalb weniger Stunden mehrere Milliarden Zellen entstehen. Immer wieder treten dabei zufällig Veränderungen des Erbguts auf, die Widerstandskraft gegen ein Antibiotikum verleihen. Solange diese resistenten Bakterien nicht mit dem Antibiotikum konfrontiert werden, unterscheiden sie sich in nichts von ihren nicht-resistenten Artgenossen, sie sind wegen dieses unnötigen genetischen Ballasts sogar leicht benachteiligt. Sie reagieren ebenso empfindlich auf Umwelteinflüsse und können ebenso gut vom Immunsystem vernichtet werden.

Sind Bakterien allerdings längere Zeit Antibiotika ausgesetzt, haben die resistenten Keime einen Vorteil – und vermehren sich stark. „Antibiotika sind eine Waffe für eine gezielte und genau dosierte Kurzzeittherapie (bis zu zwei Wochen). Die Bakterien müssen in kurzer Zeit soweit dezimiert sein, dass das Immunsystem ihnen wieder Herr werden kann“, so Heeg. „Wo das nicht berücksichtigt wird, werden Resistenzen zum Problem.“ Nur in ganz wenigen Fällen ist eine antibiotische Langzeittherapie angezeigt. Patienten ist daher geraten, sich immer streng an die Vorgaben des Arztes zu halten – und vor allem die eigene Erwartungshaltung gegenüber dem vermeintlichen Allzweckmittel Antibiotikum zu überdenken. Bei Virenerkrankungen wie grippalen Infekten helfen sie z.B. nicht. „Ein Arzt, der nur selten Antibiotika verschreibt, ist kein schlechter Arzt, sondern verantwortungsvoll“, betont der Experte.

Quelle: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/

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