Freitag, April 19, 2024

Wie eine Nervenzelle ihren Partner findet

Nervenzelle auf Partnersuche: Auf die richtigen Verbindungen kommt es an – auch im Gehirn. Eine Nervenzelle muss mit einer anderen verbunden sein, um Informationen kodieren zu können.

Die Verbindung einer Nervenzelle mit einer anderen im Gehirn ist ein hochkomplexer Prozess, der sich im Gehirn während der vorgeburtlichen Entwicklung sowie im Kinder- und Jugendalter vollzieht. Diese Partnersuche einer Nervenzelle kann aber auch unter Laborbedingungen auf einer Leiterplatte studiert werden.

Arthur Bikbaev vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg hat mit zwei Kollegen untersucht, wie eine Nervenzelle Partner findet. Das Verblüffende dabei ist, dass die Aktivität der Nervennetze reguliert werden kann, indem man sie „entmantelt“. Das Fachmagazin Scientific Reports hat die Ergebnisse in seiner aktuellen Ausgabe vorgestellt.



 

Verbindungen der Nervenzelle im Modell sichtbar

„Neuronen wollen ihre Partner finden und sich über Netzwerke miteinander verbinden. Die Herausforderung für uns Wissenschaftler besteht darin, die einzelnen Verbindungen im Modell sichtbar und nachvollziehbar zu machen“, so Arthur Bikbaev. Die Wissenschaftler haben für ihre Experimente Nervenzellen aus Rattengehirnen isoliert und auf Chips – so genannten Multielektrodenarrays – wachsen lassen. Mit Hilfe der Elektroden auf dem Chip können sie einerseits die elektrische Aktivität einer Nervenzelle messen und sehen, welche Nervenzellen aktiv sind und miteinander in Kontakt stehen. Andererseits ermöglicht der Chip, die Nervenzellen mit elektrischen Reizen auch gezielt zu beeinflussen. Bikbaev erklärt: „Nervenzellen kann man im Gehirn nie isoliert von anderen Einflüssen betrachten. In unserem Modell tun wir das jedoch. Diese Vereinfachung ist dabei für uns vorteilhaft, weil wir alle Einflussfaktoren kennen und berücksichtigen können.“

Verbindungen einer Nervenzelle sind nicht statisch, sondern aktivitätsabhängig ständigen Änderungen unterworfen. Die extrazelluläre Matrix ist eine Substanz, die die Nervenzelle „mantelartig“ umgibt und die Stabilisierung von Netzwerken ermöglicht.

In der Studie gelang es dem Magdeburger Team, die Verbindungen von Neuronen zurückzusetzen und neue Verknüpfungen zu erschaffen: Die Forscher bauten dafür die vorhandene extrazelluläre Matrix um die Nervenzellen herum mit einem Enzym ab und konnten dann das erneute Reifen der neuronalen Netzwerke beobachten. Die „entmantelten“ Neuronen-Netze werden aktiver, sind aber auch weniger anfällig für Übererregungen, wie sie beispielsweise bei epileptischen Anfällen auftreten.

Anwenden lassen sich die Ergebnisse des Forscherteams in zweierlei Hinsicht: Zum einen können Medikamente preiswerter auf Nebenwirkungen getestet werden, wenn die Wirkungsweise von Substanzen auf Nervenzellen mit Hilfe von Chips geprüft wird. Zum anderen lassen sich damit Gehirn-Computer-Schnittstellen weiterentwickeln, indem Interaktionen quantifiziert werden können und erkennbar ist, wie Signale ver- beziehungsweise entschlüsselt werden.



 

Informationen:

http://www.nature.com/articles/srep14527

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