Freitag, März 29, 2024

Wie Daptomycin multiresistente Bakterien tötet

Das Notfall-Antibiotikum Daptomycin ist oft die letzte Waffe gegen multiresistente Bakterien. Unklar war bislang, wie genau das Medikament wirkt.

Eine internationale Studie unter Federführung der Universitäten Bonn und Amsterdam brachte unlängst Licht ins Dunkel, wie das Notfall-Antibiotikums Daptomycin multiresistente Bakterien tötet. Demnach hemmt Daptomycin durch einen bislang unbekannten Mechanismus die Zellwand-Synthese der Erreger. Die Arbeit ist nun in der Fachzeitschrift PNAS erschienen.

 

Reserve- oder Notfall-Antibiotikum Daptomycin

Daptomycin ist ein so genanntes Reserve- oder Notfall-Antibiotikum: Es gilt oft als letzte Rettung gegen multiresistente Bakterien wie zum Beispiel MRSA-Keime. Seit mehr als zehn Jahren ist die Substanz in Deutschland inzwischen zugelassen. Zu der Art und Weise, wie sie Bakterien tötet, gab es aber bislang verschiedene Hypothesen, bei allen anderen zugelassenen Antibiotika ist der Wirkmechanismus bekannt; bei Daptomycin tappt man selbst nach Jahrzehnten intensiver Forschung noch weitgehend im Dunkeln. Hier brachten Wissenschaftler nun etwas Licht. Demnach hemmt Daptomycin mit einem trickreichen Mechanismus die Zellwand-Synthese der gefährlichen Erreger.

Bakterien sind von einer Membran umgeben, die der Haut einer Seifenblase ähnelt. In ihr sind zahlreiche Proteine eingebettet, die wichtige Aufgaben in der Zelle übernehmen. An die Membran schließt sich nach außen die feste Zellwand an. Die Membran selbst ist dagegen relativ flexibel. Sie besteht aus Lipiden, einer Substanzgruppe, zu der auch Fette zählen. In Membranen gibt es verschiedene Lipid-Typen. Einige von ihnen haben eine chemische Struktur, die sie sehr beweglich macht – wie leichtflüssiges Öl. Andere sind dagegen zäh wie erkaltetes Fett. In der Bakterienmembran wechseln sich flüssigere mit festeren Bereichen ab. Die Anordnung dieser Bereiche ändert sich ständig – die Membran ist also ein sehr dynamisches System.

 

Magnet in der Zellmembran

Daptomycin bringt diesen Aufbau nun gründlich durcheinander. Das Antibiotikum ähnelt einer Kaulquappe mit einem dicken Kopf und einem kurzen Schwanz. Dieser Schwanz taucht in die Außenseite der Bakterienmembran ein. Dazu muss sich der Kopf Platz verschaffen und die Lipide etwas zur Seite schieben. Das funktioniert augenscheinlich nur an bestimmten Stellen, an denen die Membran ausreichend fluide ist.

Daptomycin-Moleküle haben zudem unter bestimmten Bedingungen die Tendenz, sich aneinanderzulagern. Diese Aggregate benötigen besonders große flüssige Membranbereiche. Zu diesem Zweck ziehen sie – ähnlich wie ein Magnet – weitere leicht bewegliche Lipide an sich heran. Dadurch kommt es zu gravierenden Störungen der Membranstruktur. Proteine, die normalerweise an der Innenseite des Lipid-Häutchens befestigt sind, können sich lösen und ihre Funktion verlieren. Darunter sind auch Enzyme, die den Aufbau der Bakterien-Zellwand katalysieren, ohne diese Schutzhülle gehen die Erreger zugrunde. Neben dem gefundenen Mechanismus vermuten Wissenschaftler noch weitere, die zur antibakteriellen Wirkung von Daptomycin beitragen.

Momentan wird Daptomycin nur in Fällen eingesetzt, in denen andere Antibiotika versagen – die Mediziner wollen nicht riskieren, dass MRSA-Keime durch unbedachte Nutzung gegen den Wirkstoff unempfindlich werden. Diese Gefahr besteht durchaus: Schon jetzt gibt es Bakterienstämme, die selbst gegen diese schlagkräftige Waffe resistent sind.

Publikation:

Anna Müller, Michaela Wenzel, Henrik Strahl, Fabian Grein, Terrens N. V. Saaki, Bastian Kohl, Tjalling Siersma, Julia E. Bandow, Hans-Georg Sahl, Tanja Schneider, Leendert W. Hamoen: Daptomycin inhibits cell envelope synthesis by interfering with fluid membrane microdomains; PNAS; DOI: 10.1073/pnas.1611173113

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