Donnerstag, April 18, 2024

Welt-Schlaganfall-Tag – Schlaganfall ist therapierbar

Zum Welt-Schlaganfall-Tag am 29. Oktober betonen Experten, dass Schlaganfall behandelbar ist. Wenngleich jede Minute zählt, gibt es Fortschritte in der Akuttherapie.

»Schlaganfall ist behandelbar« lautet das weltweite Motto zum Welt-Schlaganfall-Tag am 29. Oktober. Die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und die Österreichische Schlaganfall-Gesellschaft (ÖGSF) klärt zum Anlass über Risiken und Symptome des Schlaganfalls auf und stellt neue österreichische Daten zu einer wichtigen Behandlungsinnovation in der Akuttherapie, der endovaskulären Thrombektomie vor. Weiters warnen den Experten vor aktuelle Entwicklungen, die das dichte Netz der Schlaganfall-Versorgung in Österreich gefährden könnten.

„Die Therapie des akuten Schlaganfalls macht große Fortschritte“, betont Prim. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Lang, Leiter der Abteilung für Neurologie, Neurologische Rehabilitation und Akutgeriatrie, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien. „Neben der intravenösen Thrombolyse, also der medikamentösen Auflösung von Gerinnseln, gewinnt die endovaskuläre Thrombektomie zunehmend an Bedeutung, bei der mittels Katheter der Thrombus aus dem Blutgefäß herausgezogen wird.“

Aufgrund der nachgewiesenen Wirksamkeit sollte die neue Behandlungsmethode endovaskulärer Thrombektomie auf Basis des Stroke Unit-Netzwerkes möglichst bald in allen Versorgungsregionen Österreichs über 24 Stunden täglich und sieben Tage die Woche verfügbar sein.

 

Ein großer Teil aller Schlaganfälle vermeidbar

9 von 10 Schlaganfällen gehen auf vermeidbare Lebensstilfaktoren zurück, betonen Experten zum Welt-Schlaganfall-Tag. Weil bei einem Schlaganfall jede Minute zählt, ist die Aufklärung über typische Schlaganfall-Symptome zentral.

Neben der intravenösen Thrombolyse gewinnt in der Akuttherapie die endovaskuläre Thrombektomie zunehmend an Bedeutung. Aktuelle Zahlen belegen die Sicherheit und Wirksamkeit dieses innovativen Verfahrens. Doch die Fortschritte und das dichten Netz der Schlaganfall-Versorgung Österreich sind durch aktuelle Entwicklungen in Gefahr, warnen führende Neurologen.

Die meisten Schlaganfälle wären vermeidbar, wie kürzlich veröffentlichte Daten der INTERSTROKE-Studie nahelegen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine ebenfalls kürzlich veröffentlichte Auswertung der Schlaganfall-bezogenen Daten aus der Global Burden of Disease Study mit Zahlen aus 188 Ländern.

„Zehn beeinflussbare Risikofaktoren sind weltweit für etwa 90 Prozent aller Schlaganfälle verantwortlich,“ betont Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas, Vorstand der Universitätsklinik für Neurologie, MedUni Graz. Die zehn Risikofaktoren sind

  • Bluthochdruck,
  • Bewegungsmangel,
  • ungünstige Blutfettwerte,
  • Ernährung,
  • das Verhältnis von Taillen- und Hüftumfang,
  • psychosoziale Faktoren,
  • Rauchen,
  • Alkohol,
  • kardiale Erkrankungen und
  • Diabetes.

 

Da Schlaganfälle sehr häufig sind, ist Potenzial vorbeugender Maßnahmen besonders hoch, betont der Präsident der ÖGSF, a.o. Univ.-Prof. Dr. Stefan Kiechl von der Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck: „Weltweit erleiden pro Jahr etwa 17 Millionen Menschen einen Schlaganfall. 6,5 Millionen Menschen überleben ihn nicht. Der Schlaganfall ist die zweithäufigste Todesursache und die Hauptursache für Behinderungen.“ In Österreich sind jedes Jahr etwa 24.000 Menschen von einem Schlaganfall betroffen. Wobei das Schlaganfall-Risiko mit zunehmendem Alter steigt, so Prof. Kiechl: „Zwei Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen im Alter zwischen 45 und 54 Jahren erleiden einen Schlaganfall. Im Altersbereich von 65 bis 74 Jahren sind sechs Prozent betroffen, bei den über 75-Jährigen über zehn Prozent.“

Jeder sechste Betroffene stirbt, gut die Hälfte der Überlebenden kann nach einer adäquaten Therapie und Rehabilitation wieder ein normales Leben, frei von Behinderung, führen. Allerdings bleiben 15 Prozent der Patienten ein Leben lang mehr oder weniger stark beeinträchtigt und ebenso viele werden zum Pflegefall. Der Experte weist auch darauf hin, dass es in der Schlaganfallforschung noch nie so rasante Fortschritte gab, wie in den vergangenen Jahren. Aufgrund weiterhin zunehmender Risikofaktoren und einer immer älter werdenden Gesellschaft sei es aber wichtig, in gezielte Forschungstätigkeit weiter zu intensivieren.

 

Alarmsignale für Schlaganfall erkennen

Obwohl jeder Schlaganfall ein dringender medizinischer Notfall ist, wissen immer noch zu wenige Menschen über die Symptome eines Schlaganfalls bescheid. „Deshalb geht oft wertvolle Zeit verloren“, warnt Prof. Fazekas. „Für Schlaganfall-Patienten kann das fatal sein. Je länger ein Gerinnsel die Blutversorgung bestimmter Gehirnregionen blockiert, desto mehr Areale werden geschädigt oder gehen unwiederbringlich verloren.“


»FAST«-Regel; Sie ist ein guter Leitfaden zur Früherkennung eines Schlaganfalls, die auch für medizinische Laien gut verständlich ist:

  • F wie Face (Gesicht): Hängt der Mundwinkel auf einer Seite herab?
  • A wie Arm: Ist ein Arm gelähmt und damit schwächer als der andere?
  • S wie Speech (Sprache): Kann die Person sprechen? Sind Worte oder Silben vertauscht, ist die Sprache verwaschen?
  • T wie Time (Zeit): Handeln Sie schnell und rufen Sie sofort die Rettung!

 

Frauen und Schlaganfall: Schlechtere Ergebnisse, niedrigere Sterblichkeit

„In einer geschlechtsspezifischen Auswertung von knapp 50.000 österreichischen Schlaganfall-Patienten, die im österreichischen Stroke-Unit-Register erfasst sind, konnten wir zeigen, dass Frauen drei Monate nach dem Ereignis deutlich schlechtere funktionelle Ergebnisse aufwiesen, aber bezüglich der Sterblichkeit im Vorteil waren“, berichtet Prof. Fazekas.

Unterschiede in der Therapie dürften dafür nicht verantwortlich sein, wie die Studie zeigt. „Die Ergebnisse dürften eher damit zu tun haben, dass Frauen statistisch gesehen rund sieben Jahre später einen Schlaganfall erleiden als Männer und schon aufgrund des höheren Alters bereits einen schlechteren Allgemeingesundheitszustand haben“, erklärt Prof. Fazekas. „Sie erleiden auch häufiger schwere Schlaganfälle.“

 

Ziel: Flächendeckende Versorgung rund um die Uhr

Wenn wir im österreichischen Gesundheitssystem mit Fug und Recht auf etwas stolz sein können, dann ist das sicher unser bundesweit etabliertes, exzellentes Stroke-Unit-Netzwerk, das für eine hervorragende Akutversorgung von Schlaganfallpatienten sorgt. Umso alarmierender sind einige rezente Entwicklungen, die eine Gefahr für diese Fortschritte darstellen“, warnt zum Welt-Schlaganfall-Tag die Präsidentin der ÖGN, Prim.a Univ.-Doz.in Dr.in Elisabeth Fertl, Gastprofessorin der MedUni Wien und Abteilungsvorständin Neurologie der Krankenanstalt Rudolfstiftung. „Im aktuell diskutierten Entwurf zum Österreichischen Strukturplan Gesundheit etwa sind eine Reihe von Punkten enthalten, die unsere hochwertigen Versorgungsstrukturen real gefährden.“

Derzeit verfügen alle neurologischen Standard-Abteilungen auch über Ressourcen für die Akut-Nachbehandlung. In dieser „Früh-Rehabilitation“ werden Patienten in einem sehr frühen Stadium ihrer Genesung, wenige Tage nach dem akuten Schlaganfall, behandelt. „Der Entwurf des Strukturplans sieht vor, diese Früh-Reha-Betten aus den Akutstationen in reine Rehabilitationseinrichtungen zu verlagern“, so Prim.Fertl. „Für die schwer kranken Schlaganfall-Patienten würde das bedeuten, dass sie bereits zu einem frühen Zeitpunkt in Sonderkrankenanstalten überstellt werden, obwohl sie noch die Infrastruktur einer Akutklinik brauchen. Diese Vorgangsweise würde zu einem intensiven Pendel-Verkehr zwischen Rehazentrum und Akutkrankenhaus führen. Aus medizinischer Sicht ist das abzulehnen.“

Wenn dieser Entwurf so beschlossen und umgesetzt werde, könne an keiner einzigen Organisationseinheit einer neurologischen Abteilung die im letzten Jahrzehnt etablierte Qualität der Patientenversorgung erhalten, geschweige denn ausgebaut werden, kritisiert die ÖGN-Präsidentin.

„Auch eine andere gesundheitspolitische Entscheidung ist nicht nachvollziehbar, nämlich die Positionierung der Neurologie in der postpromotionellen Ärzteausbildung.“ Obwohl bereits heute mehr Menschen an einer neurologischen Erkrankung leiden als an Atemwegserkrankungen, gastrointestinalen Störungen oder Krebs, sieht die 2015 in Kraft getretene Ärzteausbildungsordnung die Neurologie in der für alle Ärzte obligaten neunmonatigen Basisausbildung nicht als Pflichtfach vor. Im Gegensatz zur früheren Regelung gibt es auch in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner das Pflichtfach Neurologie nicht mehr. „Hier droht also eine neue Ärztegeneration ohne neurologische Erfahrungen und Fertigkeiten heranzuwachsen“, so ÖGN-Präsidentin Fertl.

Quelle:

PA zum Welt-Schlaganfall-Tag der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft (ÖGSF)

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