Mittwoch, April 24, 2024

Virtuelle Realität in der Medizin und ethische Aspekte

Die virtuelle Realität in der Medizin hat auch zahlreiche ethische Aspekte. Jedenfalls fordern Experten ihren sensiblen Einsatz in der Medizin und der Pflege.

Im Grunde genommen bringt die virtuelle Realität in der Medizin ein breites Spektrum möglicher Anwendungen. Dazu zählen allen voran Demenz, Angsterkrankungen sowie Schlaganfall. Beispielsweise kann man Demenzkranken im Pflegeheim eine Simulation ihrer ursprünglichen Zuhauses virtuell anbieten.

Unter dem Strich kann virtuelle Realität in der Medizin viele positive Effekte erzielen. Dies erklärt Neurologe Dr. Philipp Kellmeyer, Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und Freiburg Institute of Advanced Studies (FRIAS). Jedoch warnt der Experte auch: „Oft werden die besonderen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten unzureichend berücksichtigt. Wenn Demenzkranke beispielsweise nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können, ist das ein gravierender Eingriff in ihre Autonomie.“

 

Wenn die Grenze zwischen Realität und virtueller Realität immer mehr verschwimmt.

Jedenfalls untersucht die Forschung zahlreiche weitere Einsatzgebiete für virtuelle Realität in der Medizin. Im Fokus stehen hier beispielsweise die Essstörungen, das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) sowie die forensische Psychiatrie. „Zwar kann man sich grundsätzlich vorstellen, dass VR-Anwendungen sehr positive Effekte haben. Wie Virtuelle Realität kognitiv und emotional auf die Betroffenen wirkt, ist aber noch kaum untersucht. Und die Grenze zwischen Realität und VR verschwimmt immer mehr“, so Kellmeyer.

 

Welche besondere Risiken die Virtuelle Realität in der Medizin mit sich bringt

Der Neurologe sieht drei zentrale Risiken bei der Anwendung:

  • Die Überzeugungskraft der VR-Simulation kann für therapeutische Zwecke genutzt werden, die letztlich auf einer Täuschung oder Illusion beruhen. Diese Instrumentalisierung schränkt die Autonomie der Patientinnen und Patienten ein und ist auch im Hinblick auf die Menschenwürde mitunter problematisch.
  • Die VR-Anwendung zielt auf eine Verhaltensänderung des Nutzers ab, der sich der Nutzer nicht entziehen kann. Dadurch ist die autonome Entscheidungsfindung gefährdet.
  • Der Nutzer baut emotionale Bindungen zu virtuelle Figuren, sogenannten Avataren, auf und nimmt sie als vermeintliche reale Menschen an. Dies könnte einen sozialen Rückzug aus der realen Welt zur Folge haben.

Wobei sich diese Probleme lassen sich auf unterschiedliche Weise beheben. „Technologische Lösungen sollten nur da eingesetzt werden, wo die Probleme nicht politisch oder sozial gelöst werden können“, sagt Kellmeyer. Um neue Anwendungen stärker nutzerzentriert auszurichten, schlagen Kellmeyer und Kollegen vor, Patientinnen und Patienten frühzeitig in die Entwicklung einzubeziehen. „Wir sollten wegkommen von entwicklergetriebenen hin zu patientengetriebenen Innovationen.“

Literatur:

Kellmeyer, Philipp; Biller-Andorno, Nikola; Meynen, Gerben. Ethical tensions of virtual reality treatment in vulnerable patients. Nature Medicine. Published: 29 July 2019. https://doi.org/10.1038/s41591-019-0543-y


Quelle: Neuromedical Artificial Intelligence Lab. Klinik für Neurochirurgie. Universitätsklinikum Freiburg.

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