Donnerstag, April 25, 2024

Darmflora und Gehirn: Einfluss auf neurologische Erkranungen

Zahlreiche neue Erkenntnisse liefern Hinweise dafür, dass die Darmflora neurologische Krankheiten auslösen und Gehirn-Prozesse regulieren kann.

Die Gehirn-Darmflora-Achse entwickelt sich zu einem Forschungsgebiet von zunehmendem Interesse für diejenigen, die die biologischen und physiologischen Grundlagen von neurologischen Entwicklungsstörungen, altersbedingten und neurodegenerativen Störungen untersuchen.

Wobei die Kommunikationswege zwischen Darm und Gehirn den Vagusnerv, das Immunsystem, den Tryptophanstoffwechsel, das enterische Nervensystem sowie mikrobielle Metaboliten wie kurzkettige Fettsäuren umfassen.

Neueste Studienergebnisse bestätigen die Bedeutung des Zusammenhangs von Darmflora und Gehirn für die Neurologie und liefern Hinweise dafür, dass der Auslöser für einige neurologische Erkrankungen im Verdauungsorgan sitzen könnte.

Im Grunde genommen kann das Darmflora (Darm-Mikrobiom) also das zentrale Nervensystem, die Entwicklung von Nervenzellen sowie das Immunsystem beeinflussen. Das besseres Verständnis des Einflusses der Darmflora könnte so manche Therapien revolutionieren.

Stress kann die Mikrobiota-Darm-Gehirn-Achse in allen Lebensphasen erheblich beeinträchtigen. Unter dem Strich brachte man die Darmflora in den letzten Jahren mit vielen Krankheiten in Verbindung. Und zwar unter anderem auch Fettleibigkeit, Autismus, Schizophrenie sowie Parkinson.

 

Darmflora wirken auf das Gehirn und sollen das Verhalten beeinflussen

Die menschliche Darmflora mit all ihren Bakterien, Archaeen, Viren und Pilzen scheint laut jüngsten Untersuchungen an Versuchstieren, die ohne Mikroorganismen (keimfrei) aufwachsen, in der Lage zu sein, das Gehirn und das Verhalten zu beeinflussen. Denn Darm-Mikroben können nachweislich Neuromediatoren produzieren, die auf das Gehirn wirken. Keimfreie Mäuse zeigten sich beispielsweise weniger ängstlich als Artgenossen, deren Darm mit der natürlichen Flora besiedelt war. Allerdings gibt es bislang nur sehr spärliche Daten dazu, wie dieser Vorgang im menschlichen Gehirn abläuft.

Doch Darm und Gehirn sind erwiesenermaßen über mehrere Kommunikationswege miteinander verbunden. Über den Vagus-Nerv, das Immunsystem, über das Nervensystem des Darms sowie über mikrobielle Stoffwechselvorgänge.

In einer Region, dem präfrontalen Kortex, fanden die Forscher eine stärkere Myelinisierung als bei normalen Tieren. Das könnte direkte Folgen für Krankheiten haben, bei denen die Myelinscheide betroffen ist. Vom Mikrobiom abhängig sind außerdem die Bildung von Nervenzellen des Hippocampus im Erwachsenenalter und die Aktivierung der Mikroglia, also der immunzellähnlichen Zellen in Gehirn und Rückenmark.

 

Die Rolle der Darmflora für Multiple Sklerose

Auch die Rolle der Darmflora und die Ursache für Multiple Sklerose (MS) stehen im Fokus der Forschung. Man vermutet ja, dass die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose aus einer Verbindung von genetischen und umweltbedingten Faktoren entsteht. Offenbar könnten die für die Verdauung notwendigen, nützlichen Bakterien Auslöser für Multiple Sklerose sein. Im Versuch mit genetisch veränderten Mäusen zeigte sich, dass Tiere mit normal ausgeprägter Darmflora ohne äußere Einflüsse eine Entzündung im Gehirn entwickelten. Hingegen blieben keimfreie Mäuse gesund.

Das Immunsystem der Mäuse mit normaler Darmflora wird laut dem Experten in zwei Phasen aktiviert. Zunächst werden T-Zellen in den Lymphgefäßen des Darmtraktes aktiv und vermehren sich. Diese regen dann zusammen mit den Oberflächenproteinen der Myelinschicht B-Zellen zur Bildung krankmachender Antikörper an.

Beides löst Entzündungsreaktionen im Gehirn aus, die schubweise die Myelinschicht zerstören. Ganz ähnlich, wie auch die MS-Erkrankung beim Menschen verläuft. Dieser Prozess lässt vermuten, dass nicht Störungen im Nervensystem, sondern eine Veränderung des Immunsystems zur MS-Erkrankung führt. Forscher nehmen an, dass auch die Darmflora des Menschen eine Überreaktion des Immunsystems gegen die Myelinschicht hervorrufen kann, wenn eine entsprechende genetische Veranlagung dazu vorliegt.

Literatur:

John Cryan. 37. THE GUT MICROBIOME: A KEY REGULATOR OF NEURODEVELOPMENT AND BEHAVIOUR. Schizophr Bull. 2018 Apr; 44(Suppl 1): S59–S60. Published online 2018 Apr 1. doi: 10.1093/schbul/sby014.152


Quellen:

EAN 2016 Abstracts:

  • Lepage P, Microbiota and the gut-brain axis;
  • Krishnamoorthy G, Microbiota and CNS autoimmunity (Multiple Sclerosis);
  • Cryan JF, Gut microbiome: a key regulator of neurodevelopment and behaviour

 

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