Donnerstag, März 28, 2024

Vaskulitis im Blickpunkt: Vaskulitiden erkennen und behandeln

Trotz medizinischer Fortschritte in Diagnostik und Therapie von Vaskulitis beziehungsweise Vaskulitiden sind diese Rheuma-Erkrankungen schwer zu behandeln.

In der Frühphase sind die Vaskulitiden schwer zu erkennen. Deswegen sind sie gekennzeichnet durch eine verspätete Diagnose. Dabei treten verschiedene Vaskulitiden bereits im Kindesalter auf. In der Spätphase einer Vaskulitis, einer Rheumaerkrankung, treten bei der Behandlung aber oft Komplikationen auf. Sowohl die betroffenen Patienten als auch die behandelnden Ärzte stehen dann oft vor ­großen Problemen.



 

Rheuma-Erkrankung Vaskulitis erkennen und behandeln

Deswegen ist auch eine frühzeitige und exakte Diagnose für den Patienten von sehr großer Bedeutung. Dabei sollte der behandelnde Arzt bei entsprechenden Symptomen unbedingt hellhörig sein. Bei Verdacht sollte er dann auch sofort die ersten diagnostischen Schritte einleiten.

Wenn dann aber bereits die Diagnose einer Vaskulitis besteht, dann muss man bei den betroffenen Patienten konsequent den Verlauf kontrollieren. Denn man muss die Aktivität der Erkrankung genau überwachen, um aus den Be­funden die richtige, angemessene Dosis der immunsuppressiven Medikamente verordnen zu können.

Weiter muss der Arzt eventuelle Komplikationen frühzeitig erfassen. Häufig muss außerdem eine wirksame Vorbeugung erfolgen.



 

Die Behandlung hängt vom Schweregrad der Vaskulitis ab!

Welche Medikamente man wie hoch dosiert einsetzen muss, hängt natürlich von der Diagnose und dem Schweregrad der Vaskulitis ab. Patienten mit systemischen Vaskulitiden benötigen in fast allen Fällen Glucokortikoide (Kortison).

Wobei in schweren, schnell fortschreitenden Fällen das Kortison mit Cyclophosphamid kombiniert werden muss. Beispielsweise benötigt die Wegener Granulomatose eine solche Kombinationstherapie.

Jedenfalls muss man die Therapie in den meisten Fällen für mindestens 6 bis 12 Monate fortführen. Denn dadurch kann man einen Rückfall und ein Wiederauftreten der Beschwerden verhindern.

Die Wirkstoffe Azathioprin sowie Methotrexat sind alternative Medikamente, mit denen man auch eine Erhaltungstherapie durchführen kann. Die Erkrankungsaktivität kann der Arzt meist anhand der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) abschätzen.




Diagnostik und Klassifikation der Vaskulitiden

Unter dem Strich weite Feld der Vaskulitiden erscheint auf den ersten Blick sehr unübersichtlich und erschwert daher einen einfachen Zugang zu diesen sehr unterschiedlichen Krankheitsbildern. Hier ist die Klassifikation der Vaskulitiden (siehe Tabelle 1) sehr hilfreich.

Klassifikation der systemischen Vaskulitiden

Wenn die großen Gefäße betroffen sind, liegt eine Riesenzellarteritis (GCA) oder eine Takayasu-Arteritis vor.

Bei Erkrankung der Mittelgroßen Gefäße kann die Diagnose Polyarteritis nodosa und Kawasaki-Arteritis sowie Isolierte ZNS-Vaskulitis sein.

Wenn die Kleinen Gefäße erkranken, dann können das Churg-Strauss-Syndrom, die Wegener-Granulomatose sowie die Mikroskopische Polyangiitis der Grund dafür sein. Weiter können auch Purpura Schönlein Hennoch, die Hypersensitivtätsvaskulitis sowie Vaskulitis bei essentieller Kryoglobulinämie vorliegen.

Tabelle 1


 

Anamnese

Im Grunde genommen treten gemeinsam bei allen Vaskulitiden bestimmte allgemeine Beschwerden auf. Und zwar sind das Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gewichtverlust, Fieber, Nachtschweiss, Arthralgien, Arthritis, Myalgie sowie Kopfschmerzen.

Bei den Vaskulitiden der großen und mittelgroßen Gefäße findet man zudem häufig Symptome der arteriellen Durchblutungsstörung. Dazu zählen das Schmerzsyndrom Claudicatio sowie Durchblutungsstörungen (Ischämien) im Bereich des Darmes, des Herzens oder des Gehirns.

Und schließlich schädigen die Vaskulitiden der kleinen Gefäße sehr oft auch die Organe. Hinzu kommen allgemein unspezifische Symptomen. Sehr häufig sind beispielsweise Erkrankungen der oberen und unteren Atemweg sowie der Nieren.

Allgemein treten bei bei Vaskulitiden häufig auch unklare Augensymptome wie Konjunktivitis, Episkleritis sowie Uveitis auf.

Die Vaskulitiden treten außerdem relativ häufig auch gemeinsam mit Neuropathien und Beschwerden der Haut wie palpabler Purpura auf.

Zudem wird die Diagnostik dadurch erschwert, dass man für die einzelnen Krankheitsbilder meist nicht einen spezifischen Parameter hat. Stattdessen erfolgt die Diagnose anhand verschiedener klinischer Kriterien.

Dabei haben die die Experten des American College of Rheumatology erstellt, Deswegen soprechen wir von den ACR-Kriterien. Hierzu soll ein kurzer Überblick über die verschiedenen Vaskulitiden gegeben werden.


Diagnoskriterien der ­einzelnen Vaskulitiden


Riesenzellarteritis

Unter dem Strich ist die Riesenzellarteritis die häufigste primäre Vaskulitis, bei der etwa 200 Menschen von 100.000 betroffen sind. Und daher verdient sie auch unsere besondere Aufmerksamkeit.

Einerseits kann man zwar eigentlich die Patienten großteils mit Kortison gut behandeln. Andererseits kann aber auch eine schwerwiegende Augenbeteiligung mit konsekutiver Erblindung auftreten. An das muss der behandelnde Arzt jedenfalls immer auch denken.

Neue diagnostische Möglichkeiten mit dem 18F FDG-PET-Scan sowie hochauflösende Ultraschallmethoden (Sonographie) konnten zeigen, dass häufig nicht nur die A. temporalis (craniale Form) betroffen ist. Stattdessen sind auch andere Arterien wie die Äste des Aortenbogens, insbesondere die A. sublavia und axillaris, sowie die Aorta selbst betroffen.

Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist der beste Parameter, um die Krankheitsaktivität zu erfassen. Es müssen bestimmte fünf Kriterien erfüllt sein, um die Diagnose stellen zu können. Und zwar sind das das Alter höher als 50. Weiter ein neuer Kopfschmerz, klinisch auffällige Temporalarterie, eine erhöhte BSG sowie die positive Biopsie.




Takayasu Arteritis

Die Takayasu Arteritis ist deutlich seltener und befällt im Gegensatz zur Riesenzellarteritis vorwiegend junge Patienten, auch bei der Takayasu Arteritis sind Frauen bevorzugt betroffen. Wieder sind vor allem die Äste des Aortenbogens betroffen, in 50% kommt es auch zu einem Befall der Pulmonal­arterien. Man kann die Erkrankung in 3 Phasen einteilen:

  • prepulsless Phase: Allgemeinsymptome
  • Gefäßentzündungsphase: Schmerzen entlang der Gefäße
  • okklusive Phase: Claudicatio der Arme, subclavian steal

Drei von sechs der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein, um die Diagnose zu stellen:

  • Alter < 40,
  • Claudicatio der Extremitäten,
  • verminderter Brachialarterienpuls,
  • Blutdruckdifferenz >10mmHg li-re Arm,
  • Geräusch A. subclavia oder Aorta,
  • Auffälligkeiten bei der Arteriographie

Natürlich kann man auch bei dieser Erkrankung mit modernen bildgebenden Verfahren wie hochauflösende Sonographie und Magnetresonanz die Angiographie weitgehend ersetzen.


Polyarteritis nodosa

Die Polyarteritis nodosa ist eine schwere Erkrankung, die sich häufig mit einer cerebralen, koronaren oder intestinalen Ischämie manifestiert. Wobei sehr oft auch ein Zusammenhang mit der Hepatitis B-Infektion besteht. Zur Diagnose müssen drei von zehn der ACR-Kriterien erfüllt sein.

  1. Gewichtsverlust > 4kg
  2. Livedo retikularis
  3. Unklarer Hodenschmerz
  4. Myalgie, Schweregefühl in den Beinen
  5. Mononeuritis oder Polyneuropathie
  6. Diastolische RR-Erhöhung > 90mmHg
  7. Kreatinin > 1,7
  8. Hepatitis B
  9. Pathologische Angiographie
  10. Typische Histologie

Kawasaki Arteritis

Die Kawasaki Arteritis ist eine Erkrankung des Kindesalters, die einhergeht mit einem mindestens fünf Tage andauerndem Fieber ohne alternative Erklärung plus vier der fünf folgenden klinischen Befunde:

    • bilaterale konjunktivale ­Injektion
    • orale Schleimhaut­veränderungen
    • Veränderungen an den ­Extremitäten (Exanthem, Ödeme)
    • polymorphes Exanthem
    • cervikale Lymphadenopathie

Isolierte ZNS-Vaskulitis

Isolierter ZNS-Vaskulitis handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung, für die keine ACR-Kriterien definiert wurden. Die Diagnose wird anhand der klinischen Symptomatik in Verbindung mit einer patholgischen Bildgebung (MR-Angiographie) und ev. leptomeningealer Biopsie gestellt.


Churg Strauss Vaskulitis

Für die Churg-Strauss Vaskulitis müssen vier von sieben der folgenden ACR-Kriterien erfüllt sein:

  1. Asthma bronchiale
  2. Eosinophilie
  3. Allergie
  4. Mono/Polyneuropathie
  5. Lungeninfiltrat
  6. Paranasale Sinusauffälligkeit

Histologie Churg-Strauss Vaskulitis: Blutgefäßdarstellung mit extravaskulär nekrotisierenden Granulomen mit Eosinophilenakkumulation

Im Labor findet man häufig eine Eosinophilie, Leukozytose, BSG-Erhöhung und ein erhöhtes IGE. C-ANCA und P-ANCA sind in 40% positiv. In manchen Fällen kommt es zu einer schweren kardialen Beteiligung.




Wegener Granulomatose

Die Wegener Granulomatose ist ein schweres klinisches Erscheinungsbild. Es treten dabei ein pulmorenales Syndrom, ulzerierende Rhinitis und Sinusitis (»blutiger Schnupfen«). Außerdem geht es mit Episkleritis, Arthralgien, Purpura sowie Polyneuropthien einher. Für die Wegener’sche Granulomatose wurden folgende ACR-Kritereien definiert (mindestens zwei von vier):

  • Entzündung in Nase oder Mund (Hämorrhagisch/ulzerierend/purulent)
  • Infiltrationen der Lunge im Thorax-Röntgen
  • Nephritisches Sediment (Erythrozyturie, Ery-Zylinder)
  • histologisch granulomatöse Entzündung der Gefäßwand

Im Labor findet man C-ANCA ((PR3-ANCA in der Initialphase nur in ca 50% positiv)


Mikroskopische Polyangiitis

Die Mikroskopische Polyangiitis ist der Morbus Wegener ohne Granulome, ACR-Kriterien wurden nicht festgelegt. Die Erkrankung ist charakterisiert durch ein pulmorenales Syndrom, Purpura, Episkleritis, Polyneuropathe, vaskulitische Läsionen der Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen. Im Labor findet man pANCA (MPO) in 50% der Fälle, dieser Befund ist allerdings relativ spezifisch.


Purpura Schönlein Hennoch

Für die Diagnose Purpura Schönlein Hennoch sollten mindestens drei von sechs folgende der ACR-Kriterien bestehen:

  1. palpable Purpura
  2. Patient < 20a
  3. Gastrointestinale Blutung
  4. Angina abdominalis
  5. Hämaturie
  6. Keine neuen Medikamente




Hypersensitivtätsvaskulitis

Folgende ACR-Kritereien werden vorgeschlagen (mindestens drei von fünf):

  • Alter >16
  • Medikament in zeitlichem ­Zusammenhang mit der Symptomatik
  • Palpable Purpura
  • Makulopapulöses Exanthem
  • Biopsie mit neutrophilem ­Infiltrat einer Arteriole oder Venole

Vaskulitis bei essentieller ­Kryo­globulinämie

Hier wurden keine ACR-Kriterien formuliert, die Diagnose wird anhand der Purpura, niedriger Komplementspiegel und dem Nachweis von zirkulierenden Kryoglobulinen gestellt. Häufig findet man eine Assoziation mit Hepatitis C, ein Raynaud Phänomen und eine membranoproliferative Glomerulonephritis.


Differentialdiagnosen bei Vaskulitis-Verdacht

Sekundäre Vaskulitiden – Autoimmunerkrankungen. Lupus erythematodes, Systemische Sklerose, Sjögren Syndrom, Rheumatoide Arthritis, Dermatomyositis, Sarkoidose, M. Crohn, M. Behcet

Sekundäre Vaskulitiden – Infektionen. Streptokokken, Hepatitis, Lues, Borreliose, Mykobakterien, HIV, Aspergillose …

Malignome. Lymphome, Solide Tumore, Leukämien, Myelodysplastisches Syndrom …

Intoxikationen. Kokain, Morphin, Polyvinylchlorid am Arbeitsplatz …

Medikamente. NSAR, Antibiotika, Zytostatika, Benzodiazepine, Heparin, Antiarrhythmika, ACE-Hemmer, Leukotrienantagonisten …

Tabelle 2


Wie bereits oben erwähnt, muss man die Behandlung mit Medikamenten und deren Wirkung sehr genau überprüfen. Dabei muss der behandelnde Arzt besonders auf Komplikationen der Therapie achten. Dazu gehören beispielsweise Infektionen, Osteoporose und Diabetes. Arzt und Patienten müssen auch an eine entsprechende Vorbeugung denken.

Allerdings sind trotz einer angemessenen wirksamen Therapie verschiedene Vaskulitiden mit einer deutlich verminderten Leben­serwartung verbunden. Das sind beispielsweise die Polyarteritis nodosa mit einer 5-Jahresüberlebensrate von 60%. Neben den hier besprochenen Vaskulitiden sind natürlich einer Reihe weiterer Differentialdiagnosen, insbesondere sekundäre Vaskulitiden, in Betracht zu ziehen.




Literatur:

Jatwani S, Waheed A. Vasculitis. StatPearls Publishing; 2021 Aug 11.

Shavit E, Alavi A, Sibbald RG. Vasculitis-What Do We Have to Know? A Review of Literature. Int J Low Extrem Wounds. 2018 Dec;17(4):218-226. doi: 10.1177/1534734618804982. Epub 2018 Dec 3. PMID: 30501545.

Lakdawala N, Fedeles F. Vasculitis: Kids are not just little people. Clin Dermatol. 2017 Nov – Dec;35(6):530-540. doi: 10.1016/j.clindermatol.2017.08.004. Epub 2017 Aug 4.

Seza Ozen, Ezgi Deniz Batu. Vasculitis Pathogenesis: Can We Talk About Precision Medicine? Front Immunol. 2018; 9: 1892. Published online 2018 Aug 14. doi: 10.3389/fimmu.2018.01892


Quellen:

Vaskulitis: Erkennen und Behandeln. OA Dr. Wolfgang Sturm. MEDMIX 4/2007

Leitlinie Vaskulitis. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/027-065l_S1_Vaskulitis_2013-01.pdf

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