Die Ursache des Alterns ist nicht geklärt. Jüngste Forschungsergebnisse lassen aber vermuten, dass das Endoplasmatische Retikulum eine Schlüsselrolle spielt.
Wissenschaftler konnten unlängst erstmals zeigen, dass im Zusammenhang mit der Ursache des Alterns ein bestimmter Zellbereich – das sogenannte Endoplasmatische Retikulum – im Alter seine oxidative Eigenschaft verliert. Dadurch können viele Proteine nicht mehr korrekt reifen. Zeitgleich reichern sich oxidative Schädigungen in einem anderen Bereich der Zelle an – dem Cytosol. Dieses bisher unbekannte Wechselspiel eröffnet ein neues Verständnis zur Ursache des Alterns. Aber auch zu neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson bietet das neue Perspektiven.
Welche Rolle das Endoplasmatische Retikulum bezüglich der Ursache des Alterns spielt
Jede Zelle besteht aus verschiedenen Kompartimenten. Eines davon ist das Endoplasmatische Retikulum (ER). Hier reifen unter anderem Proteine, die in die Blutbahn abgegeben werden, etwa Insulin oder Antikörper des Immunsystems, in einem oxidativen Milieu. Eine Art Qualitätskontrolle, die sogenannte Proteinhomöostase, sorgt dafür, dass das oxidative Milieu aufrechterhalten wird und Disulfidbrücken ausgebildet werden können. Disulfidbrücken formen und stabilisieren die dreidimensionale Proteinstruktur und sind somit essentiell für eine einwandfreie Funktion der sekretorischen, also zum Beispiel ins Blut wandernden Proteine.
Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin konnten zeigen, dass das Endoplasmatische Retikulum im Alter seine oxidative Kraft verliert, wodurch sich das reduzierende/oxidierende Gleichgewicht – kurz Redox – in diesem Kompartiment verschiebt. Damit sinkt die Fähigkeit, die für die korrekte Proteinfaltung so wichtigen Disulfidbrücken auszubilden. In der Folge können viele Proteine nicht mehr korrekt reifen und werden instabil.
Es war zwar bekannt, dass es im Alter zu einer vermehrten Proteinmissfaltung kommt. Man weiss aber nicht, ob dadurch auch das Redox-Gleichgewicht beeinflusst wird. Ebenso wenig war bekannt, dass der Verlust an oxidativer Kraft im Endoplasmatischen Retikulum auch das Gleichgewicht in einem weiteren Kompartiment der Zelle zum Kippen bringt. Umgekehrt nimmt nämlich das ansonsten Protein reduzierende Cytosol im Alter oxidierende Eigenschaften an, was zu den bekannten oxidativen Proteinschädigungen wie die Freisetzung freier Radikale führt.
Stress hat gleiche Auswirkungen wie das Alter
Den Verfall der oxidativen Milieus konnten die Forscher auch nach Stress nachweisen.Wenn sie in der Zelle amyloide Proteinfibrillen synthetisierten, setzten sie die gleiche Kaskade in Gang. Amyloide Proteinfibrillen rufen Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Chorea Huntington hervor. Außerdem konnten sie zeigen, dass Amyloide, die in einem bestimmten Gewebe synthetisiert werden, auch negative Auswirkungen auf das Redox-Gleichgewicht in einem anderen Gewebe im selben Organismus hat.
Erkenntnisse für neue diagnostische Biomarker nutzen
Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass Altern wesentlich komplexer ist, als bislang angenommen. So ist beispielsweise die Übertragung des Proteinfaltungsstress auf das Redox-Gleichgewicht noch völlig unklar. Das gilt sowohl innerhalb der Zelle von einem Kompartiment zum anderen als auch zwischen zwei verschiedenen Geweben.
Dennoch ist die Altersforschung durch diese Berliner Ergebnisse ein Stück weitergekommen. Denn die Forschung zur Ursache des Alterns ergibt möglicherweise auch einen praktischen Nutzen. Das Redox-Gleichgewicht könnte künftig als Basis für neue Biomarker dienen. Damit könnte man schließlich sowohl Alterungs- als auch neurodegenerative Prozesse diagnostizieren.
Literatur:
Quellen: Beatrice Hamberger – idw-online – http://www.fmp-berlin.de