Freitag, April 26, 2024

Unfreiwilliger Harnverlust und Reizblase

Unfreiwilliger Harnverlust (Harninkontinenz) und Reizblase (überaktive Harnblase) zählen zu den häufigsten urologischen Erkrankungen bei Frau und Mann.

Der unfreiwillige Harnverlust (Harninkontinenz) und die Reizblase (überaktive Harnblase) zählen zu den häufigsten urologischen Erkrankungen bei beiden Geschlechtern. Aufgrund der älter werdenden Bevölkerung und der damit steigenden Kosten ist es dringend erforderlich, wirksame Strategien zur Vorbeugung und Behandlung dieser Leiden zu entwickeln.

 

Unfreiwilliger Harnverlust – die Harninkontinenz

Bei Harninkontinenz kann die/der Betroffene den Harn nicht mehr willentlich zurückhalten. Das heißt es kommt zum unwillkürlichen Abgang von Harn. Häufig sind es mehrere Gründe, die schlussendlich zu einer Harninkontinenz führen. Zu den wichtigsten ursächlichen Faktoren zählen Geschlecht (Frauen sind deutlich häufiger betroffen), Alter, Schwangerschaft/Geburt, Menopause, Übergewicht, die Einnahme bestimmter Medikamente sowie diverse Erkrankungen. Dazu zählen unter anderem chronische Atemwegserkrankungen, Diabetes sowie neurologische Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson und Demenzen. Darüber hinaus begünstigen chronische Harnwegsinfekte die Entstehung einer Inkontinenz.

 

Reizblase – überaktive Harnblase

Auch bei der Reizblase kann es zu unwillkürlichem Harnverlust kommen. Es besteht ständiger Harndrang – Betroffene müssen unter Umständen über 20 Mal in 24 Stunden zur Toilette, auch nachts. Typischerweise können dabei aber jedes Mal nur geringe Mengen Urin gelassen werden. Die genauen Entstehungsursachen einer Reizblase sind unbekannt. Vermutlich ist die Regulation der Blasenmuskelaktivität gestört.

Risikofaktoren. Verschiedene Faktoren können das Risiko möglicherweise begünstigen oder die Symptome verstärken. Dazu gehören u.a. Nervosität, Stress oder psychische Belastungen, hormonelle Veränderungen, altersbedingte Veränderungen der Harnwege, chronische Verstopfung, Übergewicht oder Schwangerschaft, aber auch Prostatavergrößerung beim Mann.

 

Knapp eine Million Menschen betroffen

Basierend auf großen, aussagekräftigen Studien im Großraum Wiens konnte errechnet werden, dass in Österreich derzeit etwa knapp eine Million Menschen (810.000 Frauen und 180.000 Männer) leben, die zumindest gelegentlich an unfreiwilligen Harnverlust leiden. Von einer Reizblase sind 540.000 Frauen und 290.000 Männer betroffen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Häufigkeit dieser Erkrankungen kontinuierlich an. Jenseits des 60. Lebensjahres erkrankt jeder Fünfte (unabhängig vom Geschlecht) an einer Reizblase, und jede dritte Frau und jeder sechste Mann ist von unfreiwilligem Harnverlust betroffen.

Das häufige Auftreten beider Erkrankungen, die altersassoziierte Zunahme bei Mann und Frau und die zukünftige Altersverschiebung innerhalb der österreichischen Bevölkerung (Stichwort: demographische Veränderung) unterstreichen die große Relevanz beider Entitäten – nicht zuletzt auch aus sozioökonomischer Sicht. Im Jahr 2030 werden in Österreich etwa 1,4 Millionen Menschen (plus 60 Prozent gegenüber heute) unter einer Reizblase und 1,2 Millionen Menschen (plus 20 Prozent gegenüber heute) unter Harninkontinenz leiden. Die grob geschätzten direkten Kosten nur für den unfreiwilligen Harnverlust in Österreich werden von knapp 400 Millionen im Jahr 2015 auf über 650 Millionen im Jahr 2030 ansteigen.

 

Was das Gesundheitssystem gegen das gehäufte Auftreten von unfreiwilligem Harnverlust tun kann

Um die zukünftigen Herausforderungen – wie stark gesteigerte Patientenanzahl und deutlicher Kostenanstieg – bewältigen zu können, müssen parallel verschiedene Strategien verfolgt werden:

  • Verstärkung der Ausbildung vor allem von praktischen Ärzten als erste Ansprechpartner;
  • Verbreitung des Wissens über vorbeugende Maßnahmen (Gewichtsreduktion, Diabetes mellitus);
  • Entwicklung effizienter Therapiestrategien (vor allem für die Reizblase);
  • Steigerung des Bewusstseins (awareness) in der Bevölkerung;
  • Entwicklung innovativer Versorgungsstrukturen wie z.B. spezialisierte Schwestern (specialized nurses) nach internationalem Vorbild.

Quelle:

Statement » Unfreiwilliger Harnverlust und Reizblase: zukünftige Herausforderungen «. Prim. Univ.-Prof. Dr. Stephan Madersbacher. Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie, bayrische Urologenvereinigung.

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