Samstag, April 20, 2024

Tiefe Hirnstimulation gegen schwerste Depressionen

Die Tiefe Hirnstimulation lindert schwerste Depressionen, die anhaltende positive Wirkung des Verfahrens wurde mittlerweile in mehreren Studien nachgewiesen.

Eine Tiefe Hirnstimulation kann die Symptome von Patienten mit bislang nicht behandelbaren, schwersten Formen von Depression über mehrere Jahre lindern. Außerdem kann sie diese sogar beheben. Das zeigten ursprünglich Forschende des Universitätsklinikums Freiburg in der ersten publizierten Langzeitstudie zu dieser Therapieform. Dabei zeigten sieben der acht behandelten Patienten bei kontinuierlicher Hirnstimulation bis zum Beobachtungszeitpunkt nach vier Jahren anhaltende Verbesserungen der Symptome der Depression. Die Therapie blieb über die gesamte Zeit gleich wirksam. Auftretende leichte Nebenwirkungen ließen sich durch eine Anpassung der Stimulation vermeiden.



 

Dauerhafte Verbesserung

Der größte Teil der Patienten mit schwersten Depressionen scheint auf die Tiefe Hirnstimulation anzusprechen. Und die Wirkung scheint auch dauerhaft zu bestehen. Andere Therapieformen verlieren oft im Laufe der Zeit ihre Wirksamkeit. Jedenfalls ist die Tiefe Hirnstimulation ein vielversprechender Ansatz für Menschen mit bisher nicht behandelbaren Depressionen.

Die Tiefe Hirnstimulation ist übrigens ein auf leichten elektrischen Reizen basierendes Verfahren, mit dem präzise gewählte Bereiche des Gehirns beeinflusst werden können. Hierzu scheint das „mediale Vorderhirnbündel“ (Fasciculus medialis telencephali) ein wichtiges Ziel für die Tiefe Hirnstimulation bei schweren Depressionen zu sein. Jedenfalls kommt es zu bemerkenswert schnellen Erfolgen bei der Linderung der depressiven Symptome. Weiter kommt es zu einer Verbesserung der Anhedonie und Motivation – beides Schlüsselmerkmale bei Depressionen.



 

Tiefe Hirnstimulation wirkt ab dem ersten Monat

In einer rezenten Studie hat man unlängst acht Probanden einbezogen. Wobei alle Patienten zwischen drei und elf Jahre durchgehend an einer schwersten Depression litten. Außerdem konnten bei den Probanden weder medikamentöse noch psychotherapeutische Behandlungen oder Stimulationsverfahren wie die Elektrokrampftherapie Besserung bringen. Deswegen implantierten die Ärzte hauchdünne Elektroden und stimulierten einen Hirnbereich, der an der Wahrnehmung von Freude beteiligt und damit auch für Motivation und Lebensqualität von Bedeutung ist.

Die Wirkung der Therapie bewerteten die Ärzte übrigens monatlich mit Hilfe der etablierten Montgomery-Asberg Rating Scale (MARDS). Hierzu zeigte sich, dass bereits im ersten Monat der MARDS-Wert im Durchschnitt von 30 Punkten auf 12 Punkte fiel. Weiter sank er bis zum Ende der Studie sogar noch weiter leicht ab. Schließlich unterschritten sogar vier Personen den MARDS-Wert von 10 Punkten. Wobei man erst ab diesem Wert eine Depression diagnostiziert.

Unter dem Strich litten einige Patienten kurzzeitig unter verschwommenem Sehen oder unter Doppelbildern. Jedoch konnte man diese Nebenwirkungen durch eine verminderte Stimulationsstärke beheben. Und zwar ohne dass die Wirkung der Hirnstimulation gegen Depressionen nachgelassen hätte. Schließlich konnte man auch bei keinem Patienten Persönlichkeitsveränderungen, Denkstörungen oder andere Nebenwirkungen beobachten.




Literatur:

Fenoy AJ, Quevedo J, Soares JC. Deep brain stimulation of the „medial forebrain bundle“: A strategy to modulate the reward system and manage treatment-resistant depression. Mol Psychiatry. 2021 Apr 26. doi: 10.1038/s41380-021-01100-6. Epub ahead of print. PMID: 33903731.

Döbrössy MD, Ramanathan C, Ashouri Vajari D, Tong Y, Schlaepfer T, Coenen VA. Neuromodulation in Psychiatric disorders: Experimental and Clinical evidence for reward and motivation network Deep Brain Stimulation. Focus on the medial forebrain bundle. Eur J Neurosci. 2021 Jan;53(1):89-113. doi: 10.1111/ejn.14975. Epub 2020 Sep 30. PMID: 32931064.

Volker A. Coenen, Bettina H. Bewernick, Sarah Kayser, Hannah Kilian, Jan Boström, Susanne Greschus, René Hurlemann, Margaretha Eva Klein, Susanne Spanier, Bastian Sajonz, Horst Urbach & Thomas E. Schlaepfer. Superolateral Medial Forebrain Bundle Deep Brain Stimulation in Major Depression – A Gateway Trial. Neuropsychopharmacology (2019). DOI: 10.1038/s41386-019-0369-9

Bewernick BH, Kayser S, Gippert SM, Switala C, Coenen VA, Schlaepfer TE. Deep brain stimulation to the medial forebrain bundle for depression- long-term outcomes and a novel data analysis strategy. Brain Stimul. 2017 May-Jun;10(3):664-671. doi: 10.1016/j.brs.2017.01.581. Epub 2017 Feb 9. PMID: 28259544.


Quelle: Abteilung für Interventionelle Biologische Psychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...