Freitag, April 19, 2024

Theta-Rhythmus spielt große Rolle beim Lernen von Babys

Der Theta-Rhythmus – bestimmte Schwingungen der rhythmischen Gehirnaktivität – spielt beim Lernen von Babys eine ganz besondere Rolle.

Für Säuglinge und Kleinkinder sind die ersten Jahre nach der Geburt eine Zeit intensiver Erkundung, um ihre eigenen Kompetenzen im Umgang mit einem komplexen physischen und sozialen Umfeld zu verstehen. Im Grunde genommen fügt der Mensch im Lauf des Lebens auch immer wieder zum bestehenden Wissen neue Informationen hinzu. Die Prozesse, die beispielsweise unerwartete Ereignisse bei Erwachsenen im Gehirn auslösen, hat die Forschung bereits ausführlich untersucht. Wobei es bislang ungeklärt war, wie Babys durch unerwartete Ereignisse lernen können und was dabei im Gehirn passiert. Dieser Frage ist unlängst die Entwicklungspsychologin Stefanie Höhl von der Universität Wien mit KollegInnen vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und der FU Berlin in einer Studie nachgegangen. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass insbesondere der Theta-Rhythmus beim Lernen von Babys eine große Rolle spielt. Die Studie erschien im Fachjournal Psychological Science.



 

Reaktionen auf Bildergeschichten verraten, wie Babys lernen

Jene Vorgänge, die beim Lernen im Gehirn von Erwachsenen passieren, sind bereits eingehend erforscht. Bestimmte Schwingungen der rhythmischen Gehirnaktivität – der sogenannte Theta-Rhythmus – scheinen beim Einspeichern neuer Information eine besonders große Rolle zu spielen.

Um zu herauszufinden, ob der Theta-Rhythmus mit seinen fünf bis zehn Schwingungen pro Sekunde auch bei Babys dafür verantwortlich ist, neue und unerwartete Ereignisse in bestehendes Wissen zu integrieren, hat das Forscherteam um Stefanie Höhl neun Monate alten Babys Bildergeschichten gezeigt. Die Geschichten hatten entweder einen erwarteten oder einen unerwarteten Handlungsausgang.

In einer Geschichte war beispielsweise ein Mann zu sehen, der eine Brezel essen wollte und diese entweder, erwartungsgemäß, zum Mund oder, überraschenderweise, auf den Kopf führte. In anderen Szenen fiel ein Ball auf den Tisch – oder unerwartet durch die Tischplatte hindurch.

Während der Präsentation der Bildergeschichten wurde das Elektroenzephalogramm (EEG) abgeleitet. Beim EEG werden elektrische Signale der Informationsübertragung zwischen Nervenzellen untersucht. Das Signal enthält verschiedene Frequenzen, die man mit unterschiedlichen kognitiven Prozessen in Zusammenhang bringen kann.

Die Bildergeschichten wurden entweder in einer Frequenz geflackert, die dem Theta-Rhythmus entspricht, oder in einer schnelleren Frequenz, dem Alpha-Rhythmus. Dieser ist normalerweise immer dann aktiv, wenn wir gerade nicht aufmerksam sind, sondern uns entspannen.

Dadurch konnten selektiv unterschiedliche Prozesse im Gehirn angeregt werden und es hat sich gezeigt, welche Mechanismen für die Unterscheidung zwischen erwarteten und unerwarteten Ausgängen zuständig sind.

 

Der Theta-Rhythmus ist sensitiv für Überraschungen

Die Resultate zeigen, dass der Theta-Rhythmus sensitiv für unerwartete – im Vergleich zu erwarteten – Ereignissen war. Beim Alpha-Rhythmus, der zum Vergleich ebenfalls untersucht wurde, gab es keine Effekte.

Die Studie zeigt, dass der Theta-Rhythmus schon sehr früh im Leben der Menschen, im Säuglings- und Kleinkindalter, eine grundlegende Rolle beim Beobachten von neuen, unerwarteten Informationen spielt. Ob man zukünftig das Lernen bei Babys durch eine visuelle Anregung des Theta-Rhythmus auch aktiv fördern könnte, wollen die Forschenden in Studien weiter untersuchen.




Literatur:

Köster M, Kayhan E, Langeloh M, Hoehl S. Making Sense of the World: Infant Learning From a Predictive Processing Perspective. Perspect Psychol Sci. 2020;15(3):562-571. doi:10.1177/1745691619895071

Moritz Köster, Miriam Langeloh, Stefanie Höhl. Visually Entrained Theta Oscillations Increase for Unexpected Events in the Infant Brain. Psychological Science. First Published October 11, 2019. DOI: 10.1177/0956797619876260


Quelle: Institut für Angewandte Psychologie, Universität Wien

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