Dienstag, April 16, 2024

Therapie von akuten und chronischen Schmerzen bei COVID-19

In der Corona-Pandemie sind Schmerzen – vor allem akute Kopfschmerzen sowie Schmerzen der Muskeln – jedenfalls die häufigsten initialen Beschwerden im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung.

Unter dem Strich sind Kopfschmerzen im Allgemeinen sowie Migräne im Besonderen sehr häufige Erkrankungen. Zudem verursachen sie oft auch erhebliche Einschränkungen der krankheitsbezogenen Lebensqualität. Es zeigt sich jetzt nach fast zwei Jahren Corona-Pandemie, dass sowohl akute Kopfschmerzen als auch Myalgien (Schmerzen der Muskeln) zu den häufigsten initialen Beschwerden im Rahmen einer COVID-19-Infektion zählen. Je nach Studie liegt die Prävalenz zwischen 6,5 und 71 Prozent. Hierzu im Mittel bei 20 bis 30 Prozent (Tolebeyan AS et al. 2020; Caronna E et al. 2020).

 

Corona-Pandemie bedingte Einschränkungen: Schmerzen und Covid 19

Neben der Vorgeschichte mit primären Kopfschmerzen (meist Migräne) sind im Grunde genommen das weibliche Geschlecht, Myalgien und das Vorhandensein einer Anosmie und Ageusie Prädiktoren für das Auftreten von initialen Kopfschmerzen (Trigo J et al. 2020).

Daneben konnte man den Einfluss der pandemiebedingten Einschränkungen auf den Verlauf von primären Kopfschmerzen beobachten. Und zwar bei Migräne sowie Spannungskopfschmerzen. Wobei die Reaktionen auf die Folgen der Pandemie sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise hängen sie stark von den persönlichen Einstellungen ab (Curro CT et al. 2021; Raffaelli B et al. 2021).

Die Mehrzahl der Studien fand jedenfalls keine grundlegende Änderung der Belastung durch primäre Kopfschmerzen. Wobei einige wenige Studien eine Verschlechterung sahen.

Neben diesen akuten, meist zu Beginn der COVID-19-Infektion auftretenden Kopfschmerzen zeigen sich zudem neue Erkenntnisse. Und zwar dass bei einigen Patienten dieder Kopfschmerzen auch nach der COVID-19-Erkrankung anhalten.

 

Kopfschmerzen nach Virus-Infektionen

Verschiedene Studien fanden drei Monate (beziehungsweise sechs Wochen) nach dem Abklingen der Infektion noch in 38 (37,8) Prozent persistierende Kopfschmerzen. Dabei unterscheidet man zwischen Patienten, die schon in der Vorgeschichte an einem primären Kopfschmerz (meist Migräne) erkrankt waren. Und hierzu jetzt eine Verstärkung dieser Kopfschmerzen berichten. Und weiter jenen, die einen neuen, bisher nicht bekannten, anhaltenden Kopfschmerz entwickelten (Caronna E et al. 2020).

Diese Form von Kopfschmerzen nach viralen Infektionen konnte man in geringerer Frequenz schon früher sehen. Hierzu beispielsweise nach Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus. Bisher gab es über die Mechanismen, die dazu führen, keine genauen Vorstellungen. Die Häufung dieser post-viralen Kopfschmerzen nach COVID-19 hat jedenfalls zu neuen Forschungsansätzen geführt. Wobei diese zunehmend das Inflammasom als zentrale Funktion des angeborenen Immunsystems in den Mittelpunkt des Interesses rücken.

Das Inflammasom stellt dabei einen ersten Mechanismus zur Abwehr von Infektionen der Zellen dar. Dazu spricht einiges dafür, dass die anhaltende Aktivierung des Inflammasoms nicht nur bei anhaltenden COVID-19-assoziierten Kopfschmerzen wichtig ist. Hingegen auch bei der Chronifizierung von primären Kopfschmerzen, wie der Migräne. Insoweit gilt bezüglich Kopfschmerzen und COVID-19 fast ein berühmter Aphorismus von Goethes. „Ich (COVID-19) bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“

Schließlich wird die Zukunft zeigen, ob dieses auch für das Verständnis von primären Kopfschmerzen und COVID-19 gilt.


Literatur:

Caronna E, Ballvé A, Llauradó A, Gallardo VJ, Ariton DM, Lallana S, López Maza S, Olivé Gadea M, Quibus L, Restrepo JL, Rodrigo-Gisbert M, Vilaseca A, Hernandez Gonzalez M, Martinez Gallo M, Alpuente A, Torres-Ferrus M, Pujol Borrell R, Alvarez-Sabin J, Pozo-Rosich P. Headache: A striking prodromal and persistent symptom, predictive of COVID-19 clinical evolution. Cephalalgia. 2020 Nov;40(13):1410-1421. doi: 10.1177/0333102420965157. PMID: 33146036; PMCID: PMC7645597.

Currò CT, Ciacciarelli A, Vitale C, Vinci ES, Toscano A, Vita G, Trimarchi G, Silvestri R, Autunno M. Chronic migraine in the first COVID-19 lockdown: the impact of sleep, remote working, and other life/psychological changes. Neurol Sci. 2021 Nov;42(11):4403-4418. doi: 10.1007/s10072-021-05521-7. Epub 2021 Aug 8. PMID: 34365547; PMCID: PMC8349308.

Raffaelli B, Mecklenburg J, Scholler S, Overeem LH, Oliveira Gonçalves AS, Reuter U, Neeb L. Primary headaches during the COVID-19 lockdown in Germany: analysis of data from 2325 patients using an electronic headache diary. J Headache Pain. 2021 Jun 22;22(1):59. doi: 10.1186/s10194-021-01273-z. PMID: 34157977; PMCID: PMC8218554.

Tolebeyan AS, Zhang N, Cooper V, Kuruvilla DE. Headache in Patients With Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 Infection: A Narrative Review. Headache. 2020 Nov;60(10):2131-2138. doi: 10.1111/head.13980. Epub 2020 Oct 5. PMID: 33017479; PMCID: PMC7675458.

Trigo J, García-Azorín D, Planchuelo-Gómez Á, Martínez-Pías E, Talavera B, Hernández-Pérez I, Valle-Peñacoba G, Simón-Campo P, de Lera M, Chavarría-Miranda A, López-Sanz C, Gutiérrez-Sánchez M, Martínez-Velasco E, Pedraza M, Sierra Á, Gómez-Vicente B, Arenillas JF, Guerrero ÁL. Factors associated with the presence of headache in hospitalized COVID-19 patients and impact on prognosis. A retrospective cohort study. J Headache Pain. 2020 Jul 29;21(1):94. doi: 10.1186/s10194-020-01165-8. PMID: 32727345; PMCID: PMC7388434.


Quelle:

STATEMENT » Akute und chronische Schmerzen bei COVID-19: erschwerte Therapiebedingungen – Herausforderungen für die Schmerzbehandlung. « Professor Dr. med. Andreas Straube, Oberarzt an der Neurologischen Klinik und Poliklinik der LMU München . Deutscher Schmerzkongress der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG). Oktober 2021

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