Freitag, April 26, 2024

Telemedizinische Schlaganfallversorgung in Deutschland

Zur Thrombektomie, die der Neurologe durch die telemedizinische Schlaganfallversorgung initiiert, muss der Patient häufig in ein Schlaganfallzentrum, meist eine überregionale Stroke Unit.

Die telemedizinische Schlaganfallversorgung ist in unseren Breiten mittlerweile zur Routine geworden. Beispielsweise ist in Deutschland mittlerweile über 100-mal pro Tag ein Neurologe aus einem Schlaganfallzentrum per Videoverbindung mit einer Partnerklinik verbunden. Und zwar um Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall besser behandeln zu können. Er untersucht und behandelt einen Patienten zusammen mit den Kollegen vor Ort und berät, ob zum Beispiel überhaupt ein Schlaganfall vorliegt und ob eine Lysetherapie erfolgen muss. Er evaluiert, ob eine Katheterbehandlung zur Therapie des Schlaganfalls (Thrombektomie) notwendig ist, und hilft diese zu initiieren. Der Behandlung der Schlaganfallpatienten wird aber mittlerweile nicht mehr nur zu diesem einen Zeitpunkt (also der frühen Krankenhausbehandlung) durch den Einsatz moderner Technik verbessert.

 

Neurologe kennte durch die telemedizinische Schlaganfallversorgung den klinischen Zustand des verlegten Patienten sehr genau

An immer mehr Stellen des Behandlungspfades – vom Transport ins Krankenhaus über die Verlegung zur Thrombektomie bis hin zur Rehabilitation kann die telemedizinische Schlaganfallversorgung und der Einsatz moderner Technik die Chancen für Patienten mit Schlaganfall verbessern. Vor allem auch auf ein gesundes weiteres Leben.

Doch auch in der Phase der frühen Krankenhausbehandlung geht der Nutzen der Telemedizin über das unmittelbare Telekonsil hinaus. Zur Thrombektomie, die der Neurologe durch die telemedizinische Schlaganfallversorgung initiiert, muss man den Patienten häufig in ein Schlaganfallzentrum verlegen. Und zwar meist in eine überregionale Stroke Unit. Häufig startet die Partnerklinik eine Lysetherapie und verlegt den Patienten unter laufender Therapie in das Zentrum.

Während der Patient noch unterwegs ist, wird im Zentrum bereits der Eingriff geplant – die CT/MRT-Bilder sind ans Zentrum übermittelt und der Teleneurologe kennt den klinischen Zustand genau, so dass nach Ankunft des Patienten im Zentrum unmittelbar mit dem Eingriff begonnen werden kann. Geplant ist auch, dass der Patient während der Verlegung ins Zentrum weiter eine telemedizinische Schlaganfallversorgung erhält. In vielen Bundesländern gibt es Bemühungen einen Telenotarzt einzuführen. Dabei kann bei Bedarf ein Notarzt telemedizinisch zum Rettungsdienst zugeschaltet werden und den Patienten mit behandeln.

 

Zur Thrombektomie verlegen

Aktuell werden die Verlegungen zur Thrombektomie noch durch einen Notarzt im Rettungswagen begleitet. Hier kann ein sinnvoller Einsatz der Telemedizin dem teilweise bestehenden Kapazitätsengpass bei Notärzten entgegenzuwirken. Denn nicht jeder Patient benötigt einen „physisch“ vorhandenen Notarzt. Hier sehen wir auch das Potenzial, die Schlaganfallbehandlung zu beschleunigen. Hierzu kommt es aktuell zu einem zeitlichen Verzug bei Verlegungen. Und zwar einfach deshalb, weil kein Notarzt unmittelbar zur Verlegung verfügbar ist.

 

Teleneurologe als Telenotarzt

Manche Bundesländer sind so fortschrittlich, auch den Teleneurologen in die Konzeption des Telenotarztes einzubeziehen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum andere Bundesländer hier noch zögern.

Möglich ist aktuell nämlich zum Beispiel folgende Situation: Ein Teleneurologe, der ein Schlaganfallspezialist ist, macht für den Transport eines Patienten die Übergabe an einen „allgemeinen“ Telenotarzt. Sobald der Patient im Schlaganfallzentrum angekommen ist, wo sich auch der Teleneurologe befindet, erfolgt wiederum eine Übergabe des allgemeinen Telenotarztes an den Teleneurologen vor Ort, der den Patienten unter Umständen im Zentrum weiterbehandelt. Der Patient wird so nicht kontinuierlich durch einen Schlaganfallspezialisten betreut.

Weiter könnte man durch Einbeziehung und Einsetzen einer telemedizinischen Schlaganfallversorgung eines Neurologen als Telenotarzt außerdem wertvolle Zeit sparen. Und zwar durch den Wegfall der Patientenübergaben vom Teleneurologen und im Zentrum wieder an ihn zurück.

 

Die Einbeziehung des Teleneurologen und des Telenotarztes fordert sowohl die DSG als auch die DGN.

Hierzu sollten jedenfalls manche Bundesländer sicher ihre bisherige Konzeption überdenken. Dass Teleneurologie auch im Rettungswagen funktioniert, testen bereits mehrere Netzwerke. Das Berliner ANNOTEM und das Heidelberger FAST-Netzwerk haben bereits Rettungswägen mit entsprechender Technik ausgestattet. Nicht nur um gegebenenfalls während der Fahrt zur Thrombektomie zu helfen, sondern auch schon früher in der Behandlungskette zur Verbesserung der Versorgung von Schlaganfallpatienten beizutragen.

Durch die telemedizinische Schlaganfallversorgung im Rettungsdienst, auch schon zur Beurteilung von Patienten mit Schlaganfallverdacht, hofft man, die teleneurologische Einschätzung schon vor oder während des Transportes in die Klinik durchführen zu können.

Eine Studiengruppe aus Neuseeland hat dazu ermutigende Daten vorgestellt. So hofft man einerseits, die zeitkritische Therapie bei Schlaganfall noch früher einleiten zu können. Andererseits könnte damit auch den Rettungsdienst bei der Wahl der geeigneten Klinik unterstützen. Unseres Erachtens ist es absolut wichtig, diesen Ansatz mit weiteren Studien zu untersuchen.

 

Prekäre Finanzierungssituation der telemedizinische Schlaganfallversorgung

Allerdings ist die Finanzierungssituation der telemedizinische Schlaganfallversorgung prekär. Mit anderen Worten hat sich bislang leider gar keine Verbesserung ergeben. Dies führt teils zu einer kritischen Unterversorgung der Finanzierung der Netzwerkzentren. Die Experten zur Telemedizinischen Schlaganfallversorgung der DSG hoffen daher sehr, dass sich die Politik endlich dieser dringenden Felder annimmt. Denn aktuell sind in Deutschland einige Netzwerke in ihrem Fortbestand bedroht. Was schließlich zu einer empfindlichen Unterversorgung führen könnte.


Quelle:

REDEMANUSKRIPT » Teleneurologische Schlaganfallversorgung – wie moderne Techniken die Akutversorgung von Schlaganfallpatienten optimieren .« Prof. Dr. med. Christoph Gumbinger Sprecher der Kommission Telemedizinische Schlaganfallversorgung der DSG, Koordinator FAST-Teleneurologienetzwerk, Leiter der Stroke Unit / Neurologische Überwachungsstation der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), Oktober 2021.

Related Articles

Aktuell

Vitamin D-Mangel bei chronischer Niereninsuffizienz

Die Behandlung von Vitamin D-Mangel spielt bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz eine bedeutende Rolle. Vitamin D-Mangel ist eine häufige Komplikation bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz,...
- Advertisement -

Latest Articles

Hülsenfrüchte liefern hochwertiges Eiweiß und qualitativ gute Fette

Hülsenfrüchte sind gesunde Energielieferanten und haben mit ihrem hochwertigen Eiweiß und guten Fetten einen großen Nutzen für die Ernährung. Hülsenfrüchte, einschließlich Linsen, Erbsen und Bohnen,...

Resilienz: die Kunst, psychische Widerstandsfähigkeit zu stärken

Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit, die uns auch ermöglicht, aus Krisen zu lernen und daraus gestärkt hervorzugehen. In einer idealen Welt wären wir vor Schicksalsschlägen,...

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...