Donnerstag, März 28, 2024

Syphilis weltweit zurückgekehrt

Syphilis-Infektionen durch das BakteriumTreponema pallidum subsp. pallidum haben weltweit wieder stark zugenommen – aktuell mehr als 10 Millionen Neuerkrankungen pro Jahr.

Die Syphilis ist in den letzten Jahrzehnten weltweit stark zurückgekommen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Zürich konnte im Vorjahr zeigen, dass alle Bakterien aus modernen Syphilis-Patientenproben auf einen gemeinsamen Erregerstamm des 18. Jahrhunderts zurückgehen. Zudem haben sich die heute weltweit vorherrschenden Bakterien nach 1950 aus einem gemeinsamen Stamm entwickelt, die gegen das Antibiotikum Azithromycin resistent sind.

 

Syphilis – weltweite Ausbreitung im späten 15. Jahrhundert

Die weltweite Ausbreitung von Syphilis begann im späten 15. Jahrhundert. Nachdem 1495 in Europa die ersten Ausbrüche gemeldet wurden, breitete sich die Krankheit rasch auf andere Kontinente aus und war während mehr als 500 Jahren eine der schwerwiegendsten Seuchen der Menschheit. Mit der Verfügbarkeit des Antibiotikums Penicillin ab Mitte des 20. Jahrhunderts gingen die Infektionszahlen dramatisch zurück. Doch in den letzten Jahrzehnten haben Infektionen mit dem Bakterium Treponema pallidum subsp. pallidum (TPA) weltweit wieder stark zugenommen – aktuell sind es mehr als zehn Millionen Neuerkrankungen pro Jahr. Die Gründe für das Wiederauftauchen der sexuell übertragbaren Krankheit sind unklar.

 

Neue Analysemethoden für eine alte Infektionskrankheit

Bisher war wenig bekannt über die Muster der genetischen Vielfalt der Erreger, die aus aktuellen Infektionen stammen, oder über den evolutionären Ursprung der Krankheit. Blut- und Gewebeproben von Syphilis-Patienten enthalten nur kleine Mengen an Treponema-DNA, und das Bakterium lässt sich nur sehr schwierig im Labor kultivieren. Forschende der UZH verwendeten daher Techniken, mit denen sich ganze Genome sequenzieren lassen, und die ihre Kollegen an der Universität Thübingen einsetzen, um sehr alte DNA-Proben zu untersuchen. Insgesamt sammelten sie 70 klinische und Labor-Proben von Syphilis, Frambösie und Bejel aus 13 Ländern rund um den Globus. Wie Syphilis werden auch die Infektionskrankheiten Frambösie und Bejel via Hautkontakt übertragen. Sie werden durch die nahe verwandten Unterarten Treponema pallidum subsp. pertenue (TPE) und Treponema pallidum subsp. endemicum (TEN) verursacht und zeigen ähnliche Krankheitsbilder.

Anhand der Genom-Daten konnten die Forschenden einen Stammbaum der Verwandtschaftsverhältnisse erstellen und eine klare Trennung der Abstammungslinien von TPA und von TPE/TEN ermitteln. «Seit Syphilis vor über 500 Jahren aufgetaucht ist, drehen sich viele Fragen um den Ursprung der Krankheit. Indem wir evolutionsbiologische und epidemiologische Ansätze kombinierten, konnten wir die genetischen Verwandtschaftsverhältnisse der Bakterienstämme ermitteln, die für die heutigen Infektionen verantwortlich sind. Wir fanden eine pandemische Erregergruppe mit einer hohen Rate an Antibiotikaresistenzen», erläutert Homayoun C. Bagheri, ehemaliger Professor am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der UZH.

 

Pandemische Gruppe resistenter Bakterienstämme verantwortlich für aktuelle Syphilis-Fälle

Die Genomanalysen zeigen, dass eine global vorherrschende Gruppe von eng verwandten Syphilis-Bakterien namens SS14-Ω für die aktuellen, weltweiten Infektionen verantwortlich ist. Diese pandemische Gruppe unterscheidet sich vom gut untersuchten Referenzstamm namens Nichols. «Wichtig ist daher, zukünftig jene Bakterienstämme besser zu erforschen, die hauptverantwortlich für die aktuelle weltweite Epidemie sind», streicht Natasha Arora, Forscherin am Institut für Rechtsmedizin der UZH und Erstautorin der in Nature Microbiology veröffentlichten Studie, hervor.

Epidemiologisch relevant ist die Erkenntnis, dass sich die Gruppe SS14-Ω evolutionsbiologisch aus einem gemeinsamen Erregerstamm in der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt hat – nachdem Antibiotika entdeckt wurden. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass ein grosser Teil der Bakterien der pandemischen Gruppe SS14-Ω resistent ist gegen das Antibiotikum Azithromycin, das als Zweitlinientherapie breit gegen sexuell übertragbare Krankheiten eingesetzt wird. Natasha Arora ergänzt: «Die gute Nachricht ist, dass bisher keine Treponema-Stämme entdeckt wurden, die gegen Penicillin resistent sind, der Erstlinientherapie gegen Syphilis.»

Ko-Autor Philipp Bosshard vom Universitätsspital Zürich sammelt weiterhin Patientenproben aus der Schweiz, um die klinischen Aspekte dieser Arbeit weiter zu untersuchen. Die Forschenden sind überzeugt, dass diese Art von Analysen neue Möglichkeiten eröffnen, um die Epidemiologie dieser verheerenden Krankheit besser zu verstehen, die trotz Verfügbarkeit wirksamer Therapien noch immer nicht besiegt ist.

Literatur:

Natasha Arora, Verena J. Schuenemann, Günter Jäger, Alexander Peltzer, Alexander Seitz, Alexander Herbig, Michal Strouhal, Linda Grillová, Leonor Sánchez-Busó, Denise Kühnert, Kirsten I. Bos, Leyla Rivero Davis, Lenka Mikalová, Sylvia Bruisten, Peter Komericki, Patrick French, Paul R. Grant, María A. Pando, Lucía Gallo Vaulet, Marcelo Rodríguez Fermepin, Antonio Martinez, Arturo Centurion Lara, Lorenzo Giacani, Steven J. Norris, David Šmajs, Philipp P. Bosshard, Fernando González-Candelas, Kay Nieselt, Johannes Krause and Homayoun C. Bagheri. Origin of modern syphilis and emergence of a pandemic Treponema pallidum cluster. Nature Microbiology. December 5, 2016. doi: 10.1038/nmicrobiol.2016.245

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