Sonntag, März 17, 2024

Staphylococcus lugdunensis schützt uns mit dem Antibiotikum Lugdunin

Staphylococcus lugdunensis schlummert als potenzieller Lebensretter in unserer Nase, denn das Bakterium erzeugt das Antibiotikum Lugdunin.

Forscher der Universität Tübingen sowie des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) haben unlängst entdeckt, dass das in der menschlichen Nase siedelnde Bakterium Staphylococcus lugdunensis einen bisher unbekannten antibiotischen Wirkstoff herstellt. Dieses als Lugdunin getaufte Antibiotikum zeigte in Versuchen an Mäusen, dass es selbst gegen solche multiresistente Erreger wirkt, bei denen viele klassische Antibiotika mittlerweile wirkungslos sind.

 

Staphylococcus lugdunensis produziert den Wirkstoff Lugdunin und macht so dem Staphylococcus aureus den Garaus

Infektionen durch Antibiotika-resistente Bakterien – wie der auf der Haut siedelnde Erreger Staphylococcus aureus (MRSA) – gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Der natürliche Lebensraum der bedrohlichen Staphylokokken ist in der Regel die menschliche Nasenhöhle. Bei Experimenten war Wissenschaftlern der Arbeitsgruppe von Dr. Bernhard Krismer und Professor Andreas Peschel vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin Tübingen (IMIT) aufgefallen, dass Staphylococcus aureus nur selten zu finden ist, wenn das Bakterium Staphylococcus lugdunensis ebenfalls in der Nase lebt.

 

Risiko von MRSA-Infektionen vorbeugend senken

„Normalerweise werden Antibiotika nur von Bodenbakterien und Pilzen gebildet“, erklärte Professor Andreas Peschel. „Dass auch die menschliche Mikroflora eine Quelle für antimikrobielle Wirkstoffe sein kann, ist eine neue Erkenntnis.“ In Zukunft soll untersucht werden, ob Lugdunin tatsächlich therapeutische Anwendung finden könnte. Denkbar wäre etwa, Risikopatienten mit harmlosen Lugdunin-bildenden Bakterien zu besiedeln, um so das Risiko von MRSA-Infektionen vorbeugend zu senken. Forscher vom Tübinger Institut für Organische Chemie untersuchten die Struktur von Lugdunin näher und fanden dabei heraus, dass es aus einer bisher unbekannten Ringstruktur von Aminosäurebausteinen besteht und somit eine neue Stoffklasse begründet.

 

Problem Antibiotika-Resistenzen

Antibiotika-Resistenzen stellen Ärzte vor ein zunehmendes Problem. „Es gibt Schätzungen, dass in den kommenden Jahrzehnten mehr Menschen durch resistente Keime als an Krebs sterben werden“, sagte Dr. Bernhard Krismer. Die unsachgemäße Nutzung von Antibiotika verstärke die bedenkliche Entwicklung, so Krismer weiter. Da viele der Erreger Teil der menschlichen Mikroflora auf Haut und Schleimhäuten sind, können Menschen ihnen nicht aus dem Weg gehen.

Besonders für Patienten mit ernsten Grunderkrankungen und einem geschwächten Immunsystem stellen sie ein hohes Risiko dar; bei ihnen haben die Erreger leichtes Spiel. Die Erkenntnisse der Tübinger Wissenschaftler eröffnen nun neue Möglichkeiten, um nachhaltige Strategien zur Infektionsvermeidung zu entwickeln und neuartige Antibiotika zu finden – auch im menschlichen Körper.


Literatur:

Alexander Zipperer, Martin C. Konnerth, Claudia Laux, Anne Berscheid, Daniela Janek, Christopher Weidenmaier, Marc Burian, Nadine A. Schilling, Christoph Slavetinsky, Matthias Marschal, Matthias Willmann, Hubert Kalbacher, Birgit Schittek, Heike Brötz-Oesterhelt, Stephanie Grond, Andreas Peschel & Bernhard Krismer. Human commensals producing a novel antibiotic im-pair pathogen colonization. Nature, 27. Juli 2016. doi:10.1038/nature18634


Quelle: Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin Tübingen

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