Montag, März 18, 2024

Jod – das wichtige Spurenelement mit Geschichte

Als Spurenelement in Boden, Luft und Meer ist Jod wichtig für den Körper, man nimmt es vor allem mit der Nahrung in wechselnder Menge zu. Der Körper versucht zudem mit mehreren Tricks, genügend Jod zu bekommen.

Unter dem Strich ist das Spurenelement Jod sehr wichtig für den Körper. Das Vorhormon Thyroxin – auch als T4 aufgrund seiner vier Jodatome  bezeichnet – und das Aktivhormon Trijodthyronin (T3) werden von der Schilddrüse erzeugt. Zwei Drittel des T4 besteht gewichtsmäßig aus Jod aus. Da dieses Jod mit der Nahrung in wechselnder Menge als Spurenelement im Boden, Luft und Meer zugeführt wird, versucht der Organismus zum Zwecke der sogenannten SDH-Synthese (Synthese der Schilddrüsenhormone) mit verschiedenen Methoden genügend Jod zu bekommen.



Jodidpumpe zur Synthese der Schilddrüsenhormone

Die tägliche empfohlene Jod­-Zufuhr beträgt laut WHO 100 bis 300 Mikrogramm (μg) Jod – bei schwangeren Frauen 200 bis 300 Mikrogramm. Die Schilddrüse kann mittels einer Jodidpumpe – auch als Na+/J–-Symporter bezeichnet – Jodid gegen­über dem Blutplasma um das 50–100fache anreichern zur sofortigen Anlagerung an Eiweiß. Dieser Vorgang wir als SDH-Synthese bezeichnet.

Die für den Energiestoffwechsel, für das Zellwachstum aber auch für den gesamten Oorganismus wichtigen Jod-haltigen Schilddrüsenhormone werden von den Follikel-Epithelzellen der Schilddrüse – den sogenannten Thyreozyten – produziert.

Im Schilddrüsen-Follikel werden die synthetisierten T4/T3-Moleküle innerhalb eines Riesenproteins im Bläscheninneren, dem Kolloid, gesammelt und bei Bedarf wieder ins Blut abgegeben.

Follikel – die kleinste Funktionseinheit der Schilddrüse – sind Bläschen, die von Thyreozyten bedeckt sind. Dieses Hormon(Jod)-Depot in der Schilddrüse kann bis zu 3 Monate ausreichen. Die Jodausscheidung im Stuhl beläuft sich auf 5 bis 8%; die Jodausscheidung im Harn entspricht in etwa der Jod­-Zufuhr.

 

Jodmangel und IDD (iodine deficiency disorders)

Global betrachtet nehmen hunderte Millionen Menschen im Tag durchschnittlich weniger als 100 μg Jod auf. Jodmangel-Erkrankungen (iodine deficiency disorders = IDD) kkommen in Jodmangel-Gebieten endemisch vor: Kropf (Struma) oder Knoten treten dann bei mehr als 10% einer Bevölkerungsgruppe auf, wobei deren klinische Ausprägung ist nicht allein Jodmangel abhängig vom sind, sondern auch von zusätzlich vorghandenen strumigenen beziehungsweise kropffördernde Substanzen in Nahrung u/o Trinkwasser.



Der Kropf (= Struma) ist die ­bekannteste Jodmangel-Erkrankung, die auch deutlich sichtbar wird. Jodmangel in der Schwangerschaft kann aber vor allem beim Kind zu verheerenden Schäden. So kommt es zu Früh-, Fehl- und Totgeburten beziehungsweise zu einer hohen Säuglingssterblichkeit sowie starken Beeinträchtigungen in der fetalen und frühkindlichen Hirnentwicklung. So kann Jodmangel geistige Defekte, Taubstummheit, spastische Diplegien, verzögertes Wachstum oder Kretinismus verursachen.

Weiter stehen kleinere neurologische und intellektuelle Funktionsstörungen wie Verminderung der Intelligenz mit Jodmangel in Zusammenhang.

 

Jod, Kropf und Kretinismus in der Geschichte

Der Zusammenhang zwischen Kropf und Kretinismus nebst geistigen Beeinträchtigungen und Wachstumsstörungen ist seit Jahrhunderten bekannt. Auch eine charakteristische geographische Verteilung des Kropfes wie bei Alpenlandbewohnern ist sehr schon lange bekannt. Wobei man zuerst nicht den Jodmangel als Ursache erkannt hatte. Denn das für den Körper wichtige Spurenelement Jod hat man ja erst 1811 entdeckt wurde. Vielmehr hat man damals diverse Umweltfaktoren wie die Luft- und Wasserqualität, Luftfeuchtigkeit und andere Wetter assoziierte Faktoren verantwortlich gemacht.

Die erste, bekannte bildliche Darstellung von Kropf und Kretinismus in der Weltliteratur stammt aus dem Zisterzienserstift Rein. Wobei 10 km nördlich der steirischen Hauptstadt Graz das weiland 1215 ein Mönch angefertigt hatte. Verschiedene Dokumente weisen auf eine gleiche geographische Verteilung von Kretinismus und Kropf hin.

Im Jahr 1530 beschreibt Sebastian Münster – ein von 1480 bis 1552 lebender spätmittelalterliche Geograph, Orientalist und Franziskanermönch – die Kropf-Endemie der steirischen, kropfigen Bauern. Demnach soll ein Kropf so groß werden können, dass er die Sprache behindert und stillende Mütter ihn wie einen Sack auf den Rücken werfen müssen, um ihr Baby füttern zu können.

Wenngleich das Spurenelement Jod und die Funktion der Schilddrüse nicht erforscht waren, gab es schon sehr früh wirksame Behandlungsmöglichkeiten. Bereits 11. Jahrhundert setzten die Magister von Salerno – der damals weltberühmten medizinischen Schule – erfolgreich den Seeschwamm Spongia und Pila (später Balla) marina in gebranntem Zustand (“Spongia usta”), ein.

Auch die Inhalation des Dampfes von geräucherten Seesternen beziehungsweise jodhaltiger Mittel wurde als wirksam erkannt. Dazu gehörte der noch heute empfohlene Blasentang. Weiter konnte man an verschiedenen Orten die positiven Effekte von jodhaltigem Wasser entdecken.



 

Nachdem man das Jod entdeckt hatte

1811 entdeckte der französische Salpetersieder Bernard Curtois, das Jod bei Versuchen mit geschmolzener Schlacke aus Meeresalgen, der Tangasche (Vareck-oder Kelp-Lauge). Salpetersieder – Saliterer oder Salpeterer – beschafften und sammelten Salpeter, der zur Herstellung des Schwarzpulvers große militärische Bedeutung hatte.

Zur Gewinnung von Salpeter laugt man zunächst die Schlacke zunächst mit Wasser aus. Curtois erhitzte dann diese Lauge mit Schwefelsäure. Dabei konnte er sehen, wie violette Dämpfe und schwarze Kristalle entstanden.

 

Im Jahr 1827 wies der Linzer Apotheker Josef Pelikan im Tassilo-Wasser des Bad-Haller Sulzbrunnens Jod nach. Schließlich publizierte 1830 der Wiener Arzt Leopold Wagner die erste medizinische Abhandlung über das Haller Jodwasser.

Der Grazer Nobelpreisträger und Psychiater, Professor Wagner von Jauregg empfahl im Jahr 1898 erstmals die Prophylaxe mit Jodsalz als einfachstes Mittel gegen Kropf und Kretinismus. Der Nachweis von Jod in der Schilddrüse gelang dann im Jahr 1901. Dadurch gewann die Jodprophylaxe noch mehr an Glaubwürdigkeit. Doch die Jodsalzprophylaxe wurde erst Jahrzehnte später gesetzlich vorgeschrieben. Dann durfte man unjodiertes Salz nur noch auf spezielles Verlagen abgeben.

Die generelle ­gesetzliche Jodsalzprophylaxe in der Steiermark brachte einen Rückgang von Kretinismus und Neugeborenen-Kropf, der endemische Kropf der Schulkinder, der 1953 bei Grazer Buben und Mädchen noch 37% beziehungsweise 57% ausmachte, war nicht mehr nachweisbar.




Literatur:

Jin Y, Coad J, Zhou SJ, Skeaff S, Benn C, Brough L. Use of Iodine Supplements by Breastfeeding Mothers Is Associated with Better Maternal and Infant Iodine Status. Biol Trace Elem Res. 2020 Oct 22. doi: 10.1007/s12011-020-02438-8. Epub ahead of print. PMID: 33094447.

Drugs and Lactation Database (LactMed) [Internet]. Bethesda (MD): National Library of Medicine (US); 2006–. Iodine. 2020 Sep 21. PMID: 30000537.


Quelle: Spurenelement Jod. MEDMIX 4/2005.

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