Mittwoch, April 24, 2024

Sport bei orthopädischen Erkrankungen

Sport und körperliche Betätigung leisten bei orthopädischen Erkrankungen einen wichtigen Beitrag zur Prävention und zur Genesung.

Aufgrund des demografischen Wandels nimmt die Zahl der Menschen mit orthopädischen Alterserkrankungen, die die Beweglichkeit einschränken, zu. Gleichzeitig möchten viele Patienten trotz hohem Alter noch sportlich aktiv sein und stellen dabei hohe Ansprüche an ihre eigene Sportfähigkeit. Aber welche Sportarten, welcher Sport und welche körperliche Betätigung und welche Belastungen sind bei orthopädischen Erkrankungen sinnvoll und welche können gar schaden?

 

Sport mit Endoprothese

Die Arthrose ist die häufigste orthopädische Erkrankung bei älteren Menschen. Die Gelenkchirurgie, insbesondere die Endoprothetik, stellt deshalb einen großen Teil der orthopädischen operativen Eingriffe dar. Mittlerweile kann jedes große Gelenk im menschlichen Körper durch ein künstliches Gelenk ersetzt werden. Diese sind in den letzten Jahren immer belastbarer geworden. Aber erträgt ein Kunstgelenk die gleiche sportliche Belastung wie ein natürliches, gesundes Gelenk? Grundsätzlich sollten Patienten mit einer Endoporthese sich möglichst viel bewegen, ohne das Gelenk dabei starken Druck- oder Stoßbelastungen auszusetzen. Zyklische Bewegungen ohne Krafteinsatz, die gleichmäßig das Gelenk durchbewegen, sind ideal. Gerade eine gut ausgebildete Muskulatur ist wichtig, um die Gelenke zu stabilisieren. Der Wechsel zwischen Ausdauer-, Dehn- und Kräftigungsübungen ist deshalb optimal. Die Deutsche Rheuma-Liga bietet beispielsweise Funktionstraining unter der Leitung von auf Arthrose und Endoprothetik spezialisierten Krankengymnasten an. Moderate körperliche Aktivität (Schwimmen, Radfahren) wirkt einer Inaktivitätsosteoporose entgegen und führt bei Prothesenpatienten zu einer verbesserten Osteointegration des knöchernen Prothesenlagers.

 

Gelenkschonende Sportarten

Die Beurteilung geeigneter Sportarten und -intensitäten hängt vorrangig vom betroffenen Gelenk, der gewählten OP-Technik, den implantierten Materialien sowie von Begleitpathologien ab. Gelenkschonende Sportarten helfen dabei, beweglich zu bleiben. Ein gutes Gelenktraining bieten Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking, Skilanglauf oder Aquafitness. Nicht zu empfehlen ist dagegen alles, was eine Mehrbelastung des künstlichen Gelenks erzeugt. Dazu zählen Sprünge oder Sportarten, die ein plötzliches Stop-and-go erfordern, wie Squash, Hand-, Fuß- oder Volleyball. Joggen, Reiten, Ski alpin und Tennis sollten nur ausgeübt werden, wenn sie gut vertragen werden. In einer retrospektiven Untersuchung zehn Jahre nach Hüftgelenkersatz zeigte sich bei aktiven Läufern und Reitern eine Verdoppelung des Risikos einer aseptischen Hüft-TEP-Lockerung. Vielen Patienten hilft aber auch schon eine Gewichtsabnahme. Die überflüssigen Pfunde erhöhen die Belastung für die Gelenke und verstärken die Schmerzen im Gelenk bzw. die Belastung des künstlichen Gelenks. Zusammenfassend gilt also festzuhalten: die moderne Endoprothetik ermöglicht eine Vielzahl von körperlichen Aktivitäten, aber nicht alles was möglich ist, ist auch sinnvoll.

Sport bei Osteoporose

Ähnlich verhält es sich bei Sport bei Osteoporose – ebenfalls ein Krankheitsbild, das mit zunehmendem Alter häufiger auftritt. Durch richtigen Sport bei Osteoporose – insbesondere durch die Kräftigung der Muskulatur, wie der Hüftstreckmuskulatur, der Hüft-Abduktoren und der Kniestrecker – wird der Knochen widerstandsfähiger und die Knochenmasse nimmt zu. Neben der gezielten Kräftigung sollte man auch die Gleichgewichtsfähigkeit trainieren. Dadurch werden die Standfestigkeit und die Bewegungssicherheit im Alltag erhalten und das Sturzrisiko reduziert.

 

Sportliche Betätigung bei Krebserkrankungen des Bewegungsapparates

Während Arthrose und Osteoporose klassische Alterserkrankungen sind, kennen Tumorerkrankungen des Bewegungsapparates keine klare Grenze zwischen Jung und Alt. Krebskranken wird heute grundsätzlich zu Sport und Bewegung geraten, da körperliche Aktivität nachgewiesenermaßen die Nebenwirkungen einer Chemo- oder antihormonellen Therapie reduziert. Sportmediziner der Deutschen Sporthochschule haben Tumorpatienten für einen Halbmarathon trainiert. Ein positiver Einfluss des Laufens ist die generelle Stärkung des Immunsystems und die Aktivierung körpereigener Killerzellen, die bösartige Tumorzellen vernichten. Wer regelmäßig Sport treibt, beugt außerdem einer Krebserkrankung vor. Man geht heute davon aus, dass sportlich aktive Menschen ihr Risiko, an Krebs zu erkranken, durchschnittlich um 20 bis 30 Prozent reduzieren können. Wenn dennoch Krebs auftritt, haben Patienten, die vor ihrer Erkrankung regelmäßig Sport getrieben haben, nachweislich ein geringeres Rückfallrisiko. Aber auch bislang eher inaktive Patienten können noch von einer Änderung ihres Lebensstils profitieren. Körperliche Aktivität nach einer Tumorerkrankung reduziert nachweislich die Gefahr eines Rückfalls und erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine dauerhafte Heilung. Dieser Effekt kann sich je nach Tumorart im gleichen Maße vorteilhaft auswirken wie eine Chemo- oder Antihormontherapie. Zwischen der Menge an Sport und der Anti-Krebs-Wirkung gibt es einen direkten Zusammenhang: Je mehr Bewegung, umso größer der Effekt. Krankengymnastik allein reicht also nicht aus. Als besonders vorteilhaft hat sich bisher ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining erwiesen, mit zusätzlichen Elementen zur Schulung von Flexibilität und Koordination.

 

Kindergerechte sportliche Betätigung bei körperlicher Behinderung

Sicher kennen viele den Satz: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.“ Und aus diesem Grund muss man auch die Thematik der Möglichkeiten der sportlichen Betätigung bei kinderorthopädischen Krankheitsbildern differenziert betrachten. Beispielhaft sollen hier die Kinder mit einer körperlichen Behinderung genannt werden, da sie in der Regel auf Funktionsstörungen des Bewegungsapparates zurückzuführen sind. Kinder mit Behinderungen haben den gleichen Drang nach Bewegung wie Kinder ohne Behinderung. Die Freude beim Toben und Tollen wird auch von körperlicher Behinderung nicht getrübt. Im Gegenteil: Vor allem in der Bewegungserziehung im Behindertenbereich zeigt sich, dass Sport Barrieren überwinden hilft, Sozialverhalten und Sozialfähigkeit schult und ausbaut, Wahrnehmung trainiert und nicht zuletzt körperlichen Beeinträchtigungen entgegenwirkt. Sport- und Schwimmunterricht, Rhythmikeinheiten und Spiele im Freien leisten einen wichtigen Beitrag zur ganzheitlichen Förderung aller Kinder.

 

Fazit

Sportliche Betätigung kann in allen Bereichen der Orthopädie einen wichtigen Beitrag zur Prävention leisten und zur Genesung beitragen.


Literatur:

Buza J, Fink L, Levine W. Sports Activity After Total Joint Arthroplasty: Recommendations for the Counseling Physician. Phys Sportsmed 2013;41:9−21.

Cassel M, Brecht P, Günther KP, Mayer F. Endoprothesen und Sport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 2017;68:38−42.

Franke H, Berg H, Halle M, Mayer f, Nowacki P, Predel G, Schramm TH, Zerbes H, Zimmer P. Bewegung und Sport mit Endoprothese. Empfehlung der Sektion Rehabilitation und Behindertensport der DGSP e.V. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 2006;57:VII−VIII.

Mayer F, Dickhuth H. Physical activity after total joint replacement. Int Sport J 2008;9:39−43.

Klausmeier V, Lugade V, Jewett BA, Collis DK, Chou LS. ls there faster recovery with an anterior or anterolateral THA? A pilot study. Clin Orthop Relat Res 2010;468(2):533−541.

Wysocki A, Butler M, Shamliyan T, Kane RL. Whole-body vibration therapy for osteoporosis: state of the science. Ann Intern Med 2011;155(10):680−686.

Lemanne D, Cassileth B, Gubili J. The role of physical activity in cancer prevention, treatment, recovery, and survivorship. Oncology 2013;27(6):580−585. http://www.gew-sportkommission.de/bayern/Seite_08.pdf


Quelle:

DKOU 2017 Statement » Marathon mit Kunstgelenk? Optimal bewegen bei orthopädischen Erkrankungen « von Professor Dr. med. Andrea Meurer, Kongresspräsidentin des DKOU 2017, stellvertretende Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC); Ärztliche Direktorin der Orthopädischen Universitätsklinik Friedrichsheim FFM

Latest Articles

Folgt uns auf Facebook!

Fokus Schmerzen

Sauerstofftherapie bei Fibromyalgie nach sexuellem Missbrauch

Betroffene von sexuellem Missbrauch in der Kindheit profitieren von einer hyperbaren Sauerstofftherapie zur Behandlung von Fibromyalgie. Bei Personen, die in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch erlebt...
- Advertisement -

Related Articles

Therapie-Optionen bei Deafferenzierungsschmerz

Deafferenzierungsschmerz, resultierend aus Nervenschädigungen, ist für die Patienten eine beträchtliche Belastung und macht die Therapie zu einer herausfordernden Aufgabe. Deafferenzierungsschmerz entsteht als Konsequenz von Amputationen...

Gesunde Wirkungen der Katzenkralle: gegen Rheumatoide Arthritis, Entzündungen bei vielen anderen Erkrankungen

Die südamerikanische Heilpflanze Katzenkralle, Uncaria tomentosa, zeigt Wirkung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und verbessert die eingeschränkte Beweglichkeit. Die Katzenkralle – auch als Krallendorn oder...

Syndesmosebandriss: Schwellung, Bluterguss, Schmerzen

Bei einem Syndesmosebandriss kommt es zu Schwellung und Bluterguss mit teilweise starken Schmerzen beim Auftreten. Bei einem Syndesmosebandriss im Sprunggelenk kommt es oft zu Schwellungen, Blutergüssen und teils...