Freitag, April 19, 2024

Warum manche Frauen in der Schwangerschaft häufig einen Spontanabort erleiden

Manche Frauen, die in der Schwangerschaft mehrmals einen Spontanabort erleiden mussten, produzieren Antikörper gegen einen Teil der Plazenta.

So manche Frauen werden zwar leicht schwanger werden. Allerdings erleiden sie infolge einen Spontanabort und verlieren ihr Kind in den ersten Monaten der Schwangerschaft. Dabei gilt das etwa für fünf Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Warum ein solcher Spontanabort immer wiederkehrt, bleibt selbst nach intensiver Untersuchung oft rätselhaft. Allerdings hat ein Forscherteam des LMU-Klinikums unlängst eine Ursache des rätselhaften Phänomens aufgeklärt. Denn ein Teil der Frauen produziert offenbar Abwehrstoffe beziehungsweise Antikörper gegen ein bestimmtes Oberflächenprotein in den Zellen des Mutterkuchens. Schließlich könnten die neuen Erkenntnissen mittel- bis langfristig zu einer neuen, gezielten Therapie führen.

 

Frauen mit Spontanabort produzieren in der Schwangerschaft Antikörper gegen die Trophoblasten

Der Mutterkuchen bildet das Grenzgewebe zwischen der Blastocyste – einem frühen Stadium der Embryonalentwicklung – und der Gebärmutterwand, also auch dem mütterlichen Blut. Über die Plazenta, dem Mutterkuchen, steht der Embryo in unmittelbarem Kontakt mit dem mütterlichen Blutkreislauf und wird so versorgt. Doch manche der Frauen, die öfter einen Spontanabort erleiden mussten, produzieren in der Schwangerschaft Antikörper gegen einen Teil der Plazenta, den Trophoblasten. In vorangegangenen Untersuchungen hatten Forscher vom LMU-Hormon- & Kinderwunschzentrum Großhadern bei 17 Prozent der Frauen mit zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Aborten solche Antikörper nachgewiesen. Und sogar bei 34 Prozent der Frauen mit drei oder mehr aufeinanderfolgenden Fehlgeburten wurden sie entdeckt, ohne dass zunächst klar war, wogegen genau sich diese Antikörper richteten.

 

Das Schwangerschaftshormon Choriongonadotropin wird unterdrückt

Dies aufzuklären ist einem Team um Prof. Dr. Udo Jeschke, Dr. Viktoria von Schönfeldt und Doktorandin Yao Ye gelungen: Bei Frauen mit mehreren Spontanaborten produzieren die Zellen des Trophoblasten das Protein Alpha-Enolase – und transportieren es an ihre Oberfläche. Dort erkennt es das Immunsystem versehentlich als „feindlich“ und produziert die beschriebenen Auto-Antikörper.

„Es war eine aufwändige Forschungsarbeit“, erklärt Jeschke. Denn es ging darum, aus hunderten bis tausenden Molekülen das eine herauszufinden, das den zuweilen verhängnisvollen Prozess auslöst. Nachdem endlich die Alpha-Enolase als Angriffspunkt der Auto-Antikörper identifiziert war, wiesen die Wissenschaftler nach, dass das Phänomen wirklich die Funktion der Trophoblasten stört. „Zum Beispiel wird in unserem Zellkulturmodell die Produktion des Schwangerschaft-Hormons hCG beeinträchtigt“, erklärt Viktoria von Schönfeldt. Das humane Choriongonadotropin (hCG) wird während der Schwangerschaft von der Plazenta gebildet und trägt dazu bei, die Schwangerschaft zu erhalten, indem es die Produktion von Progesteron ankurbelt. So wird verständlich, warum die Schwangerschaft zugrunde gehen kann, wenn die Alpha-Enolase von Auto-Antikörpern angegriffen wird.

 

Neue Studie mit bekannten Medikamenten

Die Alpha-Enolase ist ein Molekül, das auch im Krankheitsgeschehen weiterer wichtiger Autoimmunerkrankungen beteiligt ist. Zum Beispiel bei Rheumatoider Arthritis sowie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie der Colitis ulcerosa. „Auch hier werden Antikörper gegen die Alpha-Enolase gebildet“, sagt Udo Jeschke.

In diesem Sinne gibt es bereits zahlreiche Medikamente, die diesen Prozess und seine negativen Effekte reduzieren oder stoppen. Das Münchner Team will so rasch wie möglich prüfen, ob diese Medikamente für eine Behandlung von Schwangeren, die Auto-Antikörper gegen die Alpha-Enolase haben, in Frage kommen. Schließlich wollen die Forscher dies in klinischen Studien weiter untersuchen.

 

Auf Antikörper gegen die Alpha-Enolase testen zu lassen

Schon jetzt raten die Forscher Frauen mit mehreren Aborten in der Vergangenheit, sich bei einer erneuten Schwangerschaft etwa bei einem Rheumatologen auf Antikörper gegen die Alpha-Enolase testen zu lassen. „Der ungeklärte Verlust eines ungeborenen Kindes führt zu einer hohen seelischen Belastung“, erklärt Viktoria von Schönfeldt, „die Diagnose von Auto-Antikörpern bedeutet dann zumindest eine große Erleichterung.“

Darüber hinaus geben Ärzte den betroffenen Frauen seit einigen Jahren sogenannte gepoolte polyvalente Immunglobuline – gebräuchliche Gemische von Antikörpern aus Spenderinnen-Blut. Manche der behandelten Frauen gebären nach dieser unspezifischen Therapie gesunde Kinder – höchstwahrscheinlich, weil die Immunoglobuline die Antikörper gegen Alpha-Enolase unschädlich machen.


Literatur:

Ye Y, Kuhn C, Kösters M, Arnold GJ, Ishikawa-Ankerhold H, Schulz C, Rogenhofer N, Thaler CJ, Mahner S, Fröhlich T, Jeschke U, von Schönfeldt V. Anti α-Enolase antibody is a novel biomarker for unexplained recurrent miscarriages.  Accepted for Publication by EBioMedicine. DOI: https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2019.02.027


Quelle: Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Universität München (LMU)

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