Montag, März 18, 2024

Menschen mit Spielsucht suchen selten eine Therapie

Nur etwa 10% der unter Spielsucht leidenden Personen suchen Hilfe, wobei vor allem die Verhaltenstherapie helfen kann, die Spielsucht zu überwinden.

Im Grunde genommen ist Spielsucht global ungleich verteilt. In der erwachsenen Bevölkerung variiert der Anteil von Menschen mit pathologischem Spielverhalten je nach Nation zwischen 0,2 und zwei Prozent. In Deutschland sind rund 0,6 Prozent der Erwachsenen von Spielsucht betroffen. Für Österreich existieren keine wissenschaftsbasierten Zahlen. Allerdings vermutet man eine ähnlich große Anzahl unter Spielsucht Leidender. Ein Phänomen zeigt sich aber überall. Denn pathologische Glückspieler suchen nur selten nach einer professionellen Therapie wie eine effektive Verhaltenstherapie für ihre Spielsucht.

Mehr Wissen darum, was die einen in die Beratung führt und die anderen davon abhält, ist ein wesentlicher Schlüssel, um Hilfsangebote zu verbessern. Das ist deshalb besonders wichtig, weil laut internationalen Studien nur etwa zehn Prozent der Betroffenen Hilfe suchen. Auch die deutsche PAGE-Studie bestätigte, dass 80 Prozent der Spielsüchtigen Hilfsangebote ignorieren. Nur magere elf Prozent nutzen Hilfsangebote intensiv und treten mehr als dreimal in Kontakt mit Suchthilfe-Einrichtungen.



 

Ein typischer Klient in der Therapie ist männlich im Alter von 36 mit Spielsucht im Zusammenhang mit Geldspielautomaten

Prof. Dr. Ludwig Kraus, tätig am IFT Institut für Therapieforschung in München und Gastprofessor am Centre for Social Research on Alcohol and Drugs (SoRAD) an der Universität Stockholm, hat zahlreiche Studien ausgewertet, um die Charakteristik von pathologischen Glückspielern herauszuarbeiten.

„Bei Problemspielern mit besonders stark ausgeprägter Störung ist die Wahrscheinlichkeit höher, sich in Behandlung zu begeben“, erklärt Prof. Kraus. Weitere zentrale Faktoren, die eine Inanspruchnahme von Hilfsangeboten begünstigen, sind die Intensität des Spielverhaltens und ein unterstützendes soziales Umfeld, also Partner, Freunde oder Familie, die den Betroffenen das Problem vor Augen führen und ihnen zu professionellen Unterstützung raten.

Eine Studie mit 446 Klientinnen und Klienten in 36 Beratungsstellen in Bayern förderte außerdem folgende Charakteristika zutage. Der typische Hilfesuchende ist mit großer Mehrheit (88,8 Prozent) männlich und rund 36 Jahre alt, hat also das typische Einstiegsalter schon ein paar Jahre hinter sich. Interessanterweise lassen sich am häufigsten Spieler behandeln, die an Geldspielautomaten ihr vermeintliches Glück suchen.

Die Studie zeigte auch, dass jeder zweite eine hohe psychische Belastung aufweist und mit depressiven Symptomen zu kämpfen hat. Bei mehr als der Hälfte der Menschen mit Spielsucht kam es zu weniger als sechs Behandlungskontakte, sieben von zehn Klienten beenden die Therapie vorzeitig. „Diese dramatischen Abbruchszahlen verdeutlichen, dass sich unsere Hilfskonzepte noch weiterentwickeln und stärker an das Individuum angepasst müssen werden“, folgerte Prof. Kraus.



 

Wer das Problem Spielsucht verleugnet, verweigert auch eine Therapie

„Eher nicht zur Beratung kommen jüngere Spieler und Personen, die ihre Probleme verleugnen oder mangelnde Einsicht zeigen. Vielen schämen sich auch, und empfinden sowohl ihre Abhängigkeit als auch das Eingeständnis, Hilfe zu brauchen, als Stigma“, sagt Prof. Kraus. Auch Spieler, die Glücksspielen im Internet nachgehen, sind kaum in den Beratungseinrichtungen zu finden.

Einer australischen Studie zufolge nehmen 37,6 Prozent der herkömmlichen Spieler formale Hilfsangebote in Anspruch, aber nur 23,5 Prozent der Internet-Spieler. Interessanterweise zeigen Internet-Gambler laut dieser Studie auch keine gesteigerte Neigung, Online-Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Keine relevanten Faktoren für die Inanspruchnahme einer Behandlung scheinen Beziehungsstatus, Bildungsgrad oder Einkommenssituation zu sein. Auch dürfte es keine Rolle spielen, ob die Spielsüchtigen arbeitslos sind oder einer geregelten Beschäftigung nachgehen.



 

Prävention und Therapien, die bei Spielsucht wirken

Wissenschaftlich belegt ist, dass vor allem die Verhaltenstherapie helfen kann, die Spielsucht zu überwinden. Wichtig sind nach der Einschätzung der Experten aber auch Maßnahmen, die, ähnlich wie bei Tabak oder Alkohol, das Entstehen der Sucht verhindern oder zumindest erschweren. Dazu zählen eine strikte Zugangsbeschränkung zu Glückspielen für Jugendliche, eine Reduktion des Angebotes, eingeschränkte Öffnungszeiten bei Spielhallen oder das Verbot von hochriskanten Spielen.

„Maßnahmen zum Schutz der Spieler und zur Reduktion von problematischem und pathologischem Glückspielverhalten sind Aufgaben des Staates und seiner Gesetze. Sie müssen laufend auf ihre Wirksamkeit überprüft und gegebenenfalls verstärkt werden“, betont Prof. Kraus. Ein frühes Einschreiten und die Sperre von pathologischen Spielern wären hilfreich, um den Schaden zu begrenzen, wenn Menschen beginnen, in Spielsucht zu kippen.

Wichtige Maßnahmen sind zudem Information und Aufklärung über die juristischen, finanziellen und gesundheitlichen Risiken des Glückspiels. Laut Experten braucht es mehr Aufklärung, zum Thema Spielsucht einerseits und über die Angebote für eine Therapie andererseits. Wer sich aktiv einem Problem stellt und in Therapie begibt, sollte sich nicht dafür schämen müssen. Auch müsste man mit vielen falschen, abschreckenden Vorstellungen von einer Therapie der Spielsucht aufräumen.




Literatur:

Bischof A. et al: Inanspruchnahme von Hilfen bei Pathologischem Glücksspielen: Befunde der PAGE-Studie in Sucht (2012) 58, pp. 369-377

Braun B. et al: Ambulante Suchthilfe für pathologische Glücksspieler in Bayern: Passung zwischen Behandlungsbedarf und -angebot. In: Suchttherapie 2013; 14: 37–45

Hing N, Russell AM, Gainsbury SM, Blaszczynski A. Characteristics and help-seeking behaviors of Internet gamblers based on most problematic mode of gambling. J Med Internet Res. 2015 Jan 7;17(1):e13. doi: 10.2196/jmir.3781. PMID: 25567672; PMCID: PMC4296092.

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