Freitag, April 19, 2024

Nierenzellkarzinom, HCC, DTC: Sorafenib in der klinischen Praxis seit Jahren im Einsatz

Die Targeted-therapy mit Sorafenib und seinem dualen Wirkprinzip zeigt gute Wirkung gegen zahlreichen Krebsarten eine Nierenzellkrazinom und HCC.

Sorafenib gehört zu den Orphan-Drugs und ist zugelassen bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom und bei fortgeschrittenem Leberkarzinom, HCC, sowie für Patienten mit einem speziellen, differenzierten Schilddrüsenkarzinom, DTC. Der orale Multi-Kinase-Hemmer Sorafenib zeigt duale Wirkung und kombiniert dabei durch seine antiproliferative – Hemmung der Tumorzellproliferation (Wucherung) – als auch antiangiogene Wirkungen – Hemmung der Angiogenese des Tumors – zwei für eine effektive Krebstherapie wichtige Eigenschaften.

 

Sorafenib bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom

Im fortgeschrittenen Stadium des Nierenzellkarzinoms gilt der Tumor als unheilbar – der klinische Nutzen von wenigen Standardtherapien ist sehr gering. Die FDA hat vor etwa 10 Jahren Sorafenib zugelassen, um eine fortgeschrittenes Nierenzellkarzinom behandeln zu können. Damit stand erstmals nach vielen Jahren eine neue Behandlungsoption für diese Krebsart zur Verfügung.

Aktuell ist Sorafenib zugelassen zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, bei denen eine vorherige Interferon-alpha- oder Interleukin-2-basierte Therapie versagt hat oder die für solch eine Therapie nicht geeignet sind. Die Sicherheit und Wirkung von Sorafenib bei der Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (RCC) wurden in zwei klinischen Studien untersucht.

 

Sorafenib bei fortgeschrittenem primären Leberkrebs, HCC

Der primäre Leberkrebs – das so genannte hepatozelluläre Karzinom, HCC – ist ein besonders aggressiver Krebs, für den erheblicher therapeutischer Bedarf besteht. Nach erfolgversprechenden Ergebnissen der Phase-II-Studien wurde die Wirkung von Sorafenib bei HCC in einer weltweiten Phase-III-Studie (SHARP) überprüft. Die Studie wurde beendet, nachdem eine geplante Interimsanalyse zum Gesamt-Überleben die zuvor festgelegte Grenze zum Nachweis der Wirksamkeit überschritten hatte. Diese Analyse zeigte eine statistisch signifikante Überlegenheit für Sorafenib gegenüber Placebo für das Gesamt-Überleben.

Sorafenib ist in Kombination mit einer Chemotherapie (FOLFOX) nach Transarterielle Chemoembolisation eine praktikable Behandlungsmethode Behandlungsmethode für mittelschwere und fortgeschrittene HCC. Das zeigten rezente Studienergebnisse zeigen.

 

Sorafenib bei differenziertem Schilddrüsenkarzinom, DTC

Sorafenib wurde in einer internationalen, multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie bei 417 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem DTC, welches gegenüber radioaktivem Jod refraktär ist, untersucht. Die Patienten hatten innerhalb der vorausgegangenen 14 Monate eine progrediente Erkrankung und zuvor keine Chemotherapie, zielgerichtete Therapie oder Thalidomid erhalten. Im primären Endpunkt – progressionsfreies Überleben (PFS) gemäß unabhängiger zentraler Überprüfung – war Sorafenib dem Placebo signifikant überlegen.

 

Produktprofil zu Sorafenib

Sorafenib blockiert durch Hemmung des Enzyms Raf-1-Kinase eine entscheidende Signalkaskade (RAF/MEK/ERK-Signalkette auf der Ebene der RAF-Kinase). Diese ist bedeutend für die Streuung von Tumorzellen ist. Zudem werden die VEGF- (vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren) und PDGF- (platelet derived growth factor) Rezeptor-Kaskaden unterbrochen. Wobei das wiederum für die Bildung von Blutgefäßen, die die Tumorzellen ernähren, eine wichtige Rolle spielt. Damit gelingt es bei 80 Prozent der Patienten, den Tumor signifikant zu verkleinern oder zumindest das Tumorwachstum zu stoppen. Sorafenib hemmt weiter andere Tyrosin-Kinasen wie c-KIT und FLT-3.

Allgemein haben die selektiv wirkenden »targeted therapies«-Wirkstoffe eine geringerer Toxizität als die herkömmlichen Zytostatika. Die Verträglichkeit von Sorafenib ist dementsprechend sehr gut. Wobei man dabei mittlerweile auf die Erfahrungen von vielen tausenden Patienten zurück­greifen kann.

 

Einsatz im klinischen Alltag

Durch den Einsatz des dual wirksamen ­Multi-Kinase-Hemmer Sorafenib mit seinen antiproliferativen und antiangiogenen Wirkungen kann die Hemmung einer ­Serin/Threonin-Kinase (raf) sowie der Angiogenese im klinischen Alltag umgesetzt werden. Aus klinischer Sicht ist Sorafenib eine effektive und sichere Therapieoption mit guter Verträglichkeit. Die Substanz kann daher über einen längeren Zeit­raum im Sinne einer Tumorkonsolidierung beziehungsweise Stabilisierung eingesetzt werden.

Die Behandlung mit Sorafenib sollte unter Aufsicht eines in der Anwendung von Tumortherapien erfahrenen Arztes erfolgen. Häufigste Nebenwirkungen der Therapie sind Hautausschlag, Hand-Fuß-Hautreaktion, trockene Haut oder Rötung. Häufiger ist auch Durchfall und Hypertonie zu verzeichnen, wenngleich gut behandelbar.

Im Vergleich zu anderen zytostatischen Behandlungsstrategien treten typische – Lebensqualität beeinträchtigende – Nebenwirkungen wie Fatigue und Haarausfall deutlich seltener und zumeist schwach ausgeprägt auf. Ein Vorteil ist auch die orale Verfügbarkeit. Denn dadurch kann sich der ohnehin belastete Tumorpatient unter anderem auch weitere unangenehme Spritzen und Infusionen ersparen.

 

Dosierung

Patienten sollten Sorafenib mit der empfohlenen Dosis bei Erwachsenen von 400 mg Sorafenib – 2 Tabletten à 200 mg – 2-mal täglich angewenden. Dies entspricht dann einer Tagesgesamtdosis von 800 mg. Ärzte sollten die Behandlung weiter verschreiben, sofern ein ein klinischer Nutzen gegeben ist. Bei einem nicht mehr akzeptablen Ausmaß ist ein Abbruch angezeigt.

Wenn während der Behandlung eines Leberzellkarzinoms (HCC [hepatocellular carcinoma]) oder fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (RCC [renal cell carcinoma]) die Dosisreduktion erforderlich wird, so sollte die Sorafenib-Dosis auf 2 Tabletten à 200 mg 1-mal täglich reduziert werden.

Ist während der Behandlung eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms (DTC [differentiated thyroid carcinoma]) eine Dosisreduktion erforderlich, sollte die Sorafenib-Dosis auf 600 mg täglich in getrennten Dosen – zwei Tabletten à 200 mg und eine Tablette à 200 mg im Abstand von zwölf Stunden – reduziert werden.

Bei einer notwendigen zusätzliche Dosisreduktion sollte der Arzt Sorafenib auf 400 mg täglich in getrennten Dosen und gegebenenfalls weiter auf eine Tablette à 200 mg einmal täglich reduzieren. Nach Besserung der nicht-hämatologischen Nebenwirkungen kann man die Dosis wieder erhöhen.

Schließlich ist bei älteren Patienten über 65 Jahre eine Dosisanpassung nicht erforderlich. Außerdem ist bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren die Sicherheit und Wirksamkeit von Sorafenib noch nicht ausreichend untersucht.


Literatur:

Liu BJ, Gao S, Zhu X, et al. Sorafenib combined with embolization plus hepatic arterial infusion chemotherapy for inoperable hepatocellular carcinoma. World J Gastrointest Oncol. 2020;12(6):663-676. doi:10.4251/wjgo.v12.i6.663

Brose MS, Nutting CM, Jarzab B, et al. Sorafenib in radioactive iodine-refractory, locally advanced or metastatic differentiated thyroid cancer: a randomised, double-blind, phase 3 trial. Lancet. 2014;384(9940):319-328. doi:10.1016/S0140-6736(14)60421-9

Josep M Llovet, Sergio Ricci, Vincenzo Mazzaferro, Philip Hilgard, Edward Gane, Jean-Frédéric Blanc, Andre Cosme de Oliveira, Armando Santoro, Jean-Luc Raoul, Alejandro Forner, Myron Schwartz, Camillo Porta, et al. for the SHARP Investigators Study Group. Sorafenib in Advanced Hepatocellular Carcinoma. July 24, 2008. N Engl J Med 2008; 359:378-390. DOI: 10.1056/NEJMoa0708857


Quellen:

http://www.cancer.gov/about-cancer/treatment/drugs/sorafenibtosylate

MEDMIX 1-2/2006 Sorafenib Produktprofil

http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Product_Information/human/000690/WC500027704.pdf

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...