Sonntag, März 17, 2024

Siegeszug von Penicillin: die Pioniersubstanz war das erste Antibiotikum

Penicillin – das erste Antibiotikum – ist nach wie vor ein wichtiger Wirkstoff. Auch heute ist die Pioniersubstanz bei vielen Anwendungen noch immer die Therapie der Wahl.

Eher durch Zufall wurde am 3. September 1928 von dem in Schottland geborenen Bakteriologen Alexander Fleming das erste Antibiotikum Penicillin entdeckt. Eine durch den Pilzstamm Penicillium notatum verunreinigte Petrischale zeigte eine Besonderheit. Das Wachstum der Bakterien rund um den Pilz wurde gehemmt – der sogenannte Hemmhof. Einerseits erkannte Fleming zwar das Potenzial von Penicillium notatum. Anderersetis konnte er aber das Ausscheidungsprodukt des Pilzes – eben das später berühmte Antibiotikum Penicillin – nicht isolieren und herstellen.

 

Penicillin erstmals 1941 erfolgreich eingesetzt

In diesem Sinne schafften das erst die Wissenschaftler Ernst Boris Chain und Howard Florey. Mit anderen Worten konnten sie mit Penicillin 1941 den erste Patienten erfolg­reich therapieren. Wobei sich damals der Patient beim Rasieren schnitt und eine Blutvergiftung bekam. Infolgedessen erweckte Penicillin die Aufmerksamkeit des Militärs. Denn der Wirkstoff konnte in den Kriegsjahren als ein potentes und wirksames Mittel mitentscheidend sein.

Die Suche nach dem besten und ergiebigsten Penicillin-produzierenden Pilzstamm endete übrigens mehr oder weniger vor der Haustüre. Das war in diesem Sinne das Penicillium chrysogenum auf einer verschimmelten Melone vor dem Forschungsinstitut. Ab dem Jahr 1942 konnte man schließlich mit der industriellen Produktion beginnen. Fleming, der auch geadelt wurde, sowie Florey und Chain erhielten dafür den Nobelpreis für Medizin.

 

Penicillin – erstes Antibiotikum und Pionier unter den Antibiotika

Als Pioniersubstanz ist das Penicillin im Grunde genommen das erste Antibiotikum. Zudem ist es auch das erste Antibiotikum der Gruppe der beta-Lactam-Antibiotika. Wobei man es entweder als leicht wasserlösliches Natriumsalz oder als schwer wasserlösliches Depotpenicillin einsetzt. Wie beispielsweise Procain-Penicillin G, Benzathin-Penicillin G sowie Clemizol-Penicillin G.

Die Dosierungseinheit ist in I.E. (internationale Einheiten). Eine I.E. entspricht 0,6 µg bzw. umgekehrt 1 µg sind 1,67 I.E. Die verfügbaren Arzneiformen sind ­Tabletten, Trockensaft oder Trockenstechampullen. Das säurestabile Phenoxmethylpenicillin oder auch Pen V, war die erste oral anwendbare Form.

Penicillin wirkt bei Zellteilung der Bakterien bakterizid. Das geschieht beim Neuaufbau der Zellwand. Indem Penicillin in die Synthese der Zellwand eingreift. Dort verhindert der Wirkstoff die innere Vernetzung. Und schwächt damit die Zellwand dementsprechend, dass diese bei Belastung platzt.

 

Einsatz des Antibiotikums Penicillin

Die orale Anwendung von Penicillin ist aufgrund der Säureinstabilität nicht sinnvoll. Daher wird das Antibiotikum als Na-Salz oder Depotform i.m. injiziert. Und je nach Form erfolgt die Resorption mehr oder weniger schnell, aber vollständig.

Bei i.v. Gabe von 1 Mio I.E. Pen-G-Na kann ein Serumspiegel von 75 I.E./ml und bei 1-stündiger Kurzinfusion der gleichen Dosis von 24 I.E./ml gemessen werden. Bei 5 Mio. I.E. beobachtet man durchschnittliche maximale Spiegel im Serum von 400 bzw. 130 I.E./ml. Weiter bindet Penicillin zu 50% an Plasma-Eiweiß. Wobei die Halbwertszeit 40 Minuten beträgt.

Im Grunde genommen ist das Penicillin kaum liquorgängig. Jedenfalls entfaltet das Penicillin eine sehr gute Wirkung in der Niere, der Lunge, der Leber, der Haut sowie den Schleimhäuten. Hingegen ist sie schlechter bei der Diffusion in Muskulatur, Knochen, Nervengewebe, Gehirn sowie wie eben im Liquor.

Wobei man Erreger, die in den Zellen sind, mit Penicillin schwer therapieren kann. Denn es besteht keine Zellgängigkeit. Bei einer Entzündung der Pleura, des Perikards, der Peritoneal- oder Synovialflüssigkeit erreicht der lokale Wirkstoffspiegel 25 bis 75% der Serumkonzentration. Bei Schwangeren erreicht der Wirkstoffspiegel des fetalen Blutes bis zu 25% des Wertes der Mutter. Die Ausscheidung erfolgt renal zu 85% bis 95% über die Niere.

Übrigens ist Vorsicht bei der Gabe von Antikoagulantien, Thrombozytenaggregationshemmern sowie (eventuell) oralen Kontrazeptiva geboten. Denn das Penicillin kann deren Wirkung vermindert.

Wichtige Anwendungsgebiete sind unter anderem Infektionen mit Streptokokken, Meningokokken und Pneumokokken. Und zwar bei Syphilis (Lues), Scharlach, Diphtherie, Angina, Tetanus, Tierbiss sowie Gasbrand.

 

Penicillinallergie

Übrigens ist die Penicillinallergie eine gefürchtete Komplikation, die beim Einsatz des Wirkstoffs auftreten kann. Und zwar wirkt das Penicillin als Hapten (Pencilloylsäure, Benzylpencilloat), als unvollständiges Antigen. Wobei das Penicillin selbst nicht in der Lage ist, eine Allergie zu verursachen.

Allerdings kann durch die Plasmaeiweißbindung eine anaphylaktische Reaktion vom Typ I bis zu Typ V ausgelöst werden. Zusätzlich sind noch Faktoren wie Art des Penicillins, Applikationsweise oder auch z.B. Zustand des lymphoretikulären Systems für das Auftreten einer Allergie auf Penicillin ausschlaggebend. Deshalb empfiehlt sich ein Allergietest (Scratch-, Intrakutantest) vorab, um Komplikationen zu vermeiden. Sollte es dennoch zu einer Allergie gegen Penicillin kommen, tritt man dieser je nach Schwere mit Antihistaminika, Prednison oder Adrenalin i.v. entgegen.

 

Zusammenfassung

Im Laufe der letzten Jahrzehnte konnten allerdings zahlreiche Erregern von Krankheiten wie Bakterien Resistenzen gegen Penicillin entwickeln. Daher ist eine ungezielte Anwendung bzw. Verschreibung nicht zielführend. Zudem stehen schon zahlreiche Konkurrenten, Nachfolgeprodukte sowie andere Wirkstoffe zur Auswahl.

Alles in allem ist die Pioniersubstanz aber nach wie vor sehr gut einsetzbar. Und zwar ist Penicillin aufgrund seiner großen Möglichkeiten zur Behandlung gegen ein breites Spektrum an Keimen gut einsetzbar. Beispielsweise kann man sensible Keime wie Penicillin-G-empfindliche Keime mit dem ersten Antibiotikum gut unter Kontrolle bringen.


Literatur:

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