Sialinsäure führt mithilfe des Enzyms Sialidase zur Vermehrung von Kolibakterien, Sialidase-Hemmer können die übermässige Bildung von Escherichia coli und somit Darmerkrankungen verhindern.
Wenn die Zusammensetzung der Bakterienpopulation im Darm aus dem Gleichgewicht ist, können Darmerkrankungen die Folge sein. Physiologen der Universität Zürich haben unlängst nachgewiesen, dass Sialinsäure – ein spezifisches Kohlehydrat der Darmschleimhaut eine starke Vermehrung der Escherichia coli verursacht. Damit diese Kolibakterien die Sialinsäure aber überhaupt verwerten können, sind sie auf die Mithilfe des Enzyms Sialidase angewiesen.
Viele Krankheitserreger weisen Sialidase-Aktivität auf
Bereits Ende in den 1990er Jahre tauchten Hinweise auf, dass Sialidase-Enzyme – zu denen auch die bekannten, gegen Grippeviren wirkenden Neuraminidasen (Tamiflu, Relenza) – für die Nahrungsaufnahme vieler Bakterienarten eine wichtige Rolle spielen. Viele pathogene Keime -– wieTrypanosoma cruzi, dem Erreger der Chagas-Krankheit – weisen Sialidase-Aktivität auf. Weiters nimmt Sialidase auch eine wichtige Rolle im Stoffwechsel von Bakterien ein. Einen Zusammenhang zwischen Sialidase-Aktivität und Pathogenität konnte man noch länger feststellen. 1992 wurde in diesem Zusammenhang der erste Sialidase-Hemmer, der Neuraminidasen-Hemmer Tamiflu, gegen Grippe entwickelt.
Überproduktion von Escherichia coli vermeiden
Die Bakterienpopulation zeigt sich sehr variabel zusammengesetzt, was auch durch unsere Ernährung beeinflusst wird. Krankheiten, aber auch Antibiotika-Behandlungen, können zu signifikanten Verschiebungen innerhalb dieses Gleichgewichts führen. Kritische Situationen treten auf, wenn sich ganze Bakteriengruppen plötzlich stark vermehren und das Darmgewebe beschädigen.
Escherichia coli können in grossen Mengen Magen-Darmerkrankungen verursachen. Das reicht von Durchfall bis hin zu schweren Darmentzündungen. Normalerweise machen die Kolibakterien nur etwa 0,1 Prozent der Darmflora aus und sind völlig harmlos. Die eingangs zitierte Zürcher Studie konnte nun zeigen, dass eine Überproduktion von Escherichia coli auf die Verfügbarkeit des Kohlenhydrats Sialinsäure zurückzuführen ist.
Grundsätzlich kommt die Sialinsäure in grossen Mengen in den Proteinen der Darmschleimhaut vor. Mithilfe von Sialidase verwerten Kolibakterien das Kohlenhydrat – und es kommt zur erwähnten Überproduktion von Escherichia col.
Sialidase-Hemmer gegen entzündliche Darmerkrankungen. Durch die Einnahme eines Sialidase-Hemmers könnte die übermässige Bildung vom Escherichia coli verhindert und somit die Krankheitssymptome gelindert werden. Dies eröffnet neue therapeutische Möglichkeiten.
Literatur:
Yen-Lin Huang, Christophe Chassard, Martin Hausmann, Mark von Itzstein, Thierry Hennet. Sialic acid catabolism drives intestinal inflammation and microbial dysbiosis in mice. Nature Communications. August 25, 2015. DOI: 10.1038/ncomms9141