Freitag, April 19, 2024

Sézary-Syndrom: wenn Krebszellen vergessen, Selbstmord zu begehen

Das Sézary-Syndrom ist ein bösartiges Hautlymphom, bei dem die Krebszellen das körpereigene Suizidprogramm Apoptose überlisten.

Das Sézary-Syndrom, dem bösartigen Hautlymphom, tritt auf, wenn die Krebszellen verlernt haben, durch bestimmte Signale den Zelltod Apoptose einleiten. Deswegen versuchen hierzu neue Therapien, den Krebszellen diese Fähigkeit zu diesem Suizidprogramm wiederherzustellen. Dabei erwies sich nun die Kombination der Wirkstoffe mit Dimethylfumarat und ABT-199, die an zwei verschiedenen Stellschrauben der komplexen Regulation des Zelltods ansetzen, als besonders wirksam. Dies zeigten Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universitätsmedizin Mannheim nun in präklinischen Experimenten an Mäusen sowie an isolierten Patientenzellen.



 

Damit die Krebszellen ihr Suizidprogramm wiederentdecken

Jedenfalls bilden sich kutane T-Zell-Lymphome aus entarteten T-Zellen des Immunsystems, die sich vorwiegend in der Haut ansiedeln. Eine besondere Form dieser Erkrankung ist das Sézary-Syndrom, für das es bisher keine Heilungsmöglichkeiten gibt. Bei dieser Erkrankung werden die entarteten Zellen nicht nur in der Haut, sondern auch im Blut gefunden. Von dort aus können sie auch andere Organe befallen.

Krebsforscher wissen, dass die Bösartigkeit des Sézary-Syndroms in erster Linie darauf beruht, dass die Krebszellen nicht mehr auf Signale reagieren, die den programmierten Zelltod Apoptose auslösen. „Bei der Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze versuchen wir daher, in den entarteten Zellen die Fähigkeit zum Zelltod wiederherzustellen“, erklärt Jan Nicolay, der an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universitätsmedizin Mannheim Patienten versorgt und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) forscht.

 

Dimethylfumarat bei Sézary-Syndrom

Einen solchen Wirkstoff erproben Nicolay und Kollegen in der Hautklinik der Universitätsmedizin Mannheim und an fünf weiteren Kliniken in Deutschland bereits in einer klinischen Studie: Das Medikament Dimethylfumarat (DMF) schaltet in den Sézary-Zellen einen wichtigen Überlebensfaktor aus und treibt sie dadurch in die Apoptose.

Noch wirksamer ließen sich die Sézary-Zellen möglicherweise mit einer Kombination von Medikamenten bekämpfen, die an zwei verschiedenen, unabhängigen Stellen in die Regulation der Apoptose eingreifen, war nun die Überlegung von Nicolay und Kollegen.



Zusätzlich zum Dimethylfumarat erprobten sie nun erstmals beim Sézary-Syndrom den Wirkstoff ABT-199, der das antiapoptotische Protein Bcl-2 hemmt. Die Forscher konnten zeigen, dass ABT-199 die T-Zellen von Sézary-Patienten in den Zelltod treibt, T-Zellen gesunder Spender dagegen kaum beeinträchtigt.

 

Kombination von Dimethylfumarat und ABT-199

Die Forscher testeten die Kombination von Dimethylfumarat und ABT-199 daraufhin zunächst an Sézary-Zellen in der Kulturschale. Die Kombination beider Substanzen wirkte synergistisch, das heißt, sie löste deutlich stärker Zelltod aus als eine ABT-199 Monotherapie allein.

Die Forscher untersuchten nun Mäuse, denen Sézary-Zellen übertragen worden waren. Die Behandlung dieser Tiere mit der Wirkstoff-Kombination war effektiver als die ABT-199-Monotherapie. Bei der Analyse der Tumoren der behandelten Mäuse entdeckten die Forscher, dass das Wirkstoff-Duo die Krebszellen sowohl in die Apotose treibt als überraschenderweise auch die Zellteilung aufhält. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die durch die Medikamente gehemmten Signalwege auch Zellteilung und Wachstum beeinflussen können.

„In den Zellen des Sézary-Lymphoms ist ein wichtiger Überlebensfaktor, NFkappaB, dauerhaft aktiviert, das macht sie resistent gegen Apoptose. An dieser Stelle greift DMF ein. ABT-199 dagegen wirkt auf ganz andere Stellschrauben bei der komplexen Regulation des Zelltods. Daher verstärken sich die beiden Medikamente in ihrer Wirkung“, erklärt Nicolay. Der Mediziner möchte daher die präklinischen Ergebnisse möglichst rasch in einer klinischen Studie überprüfen.




Literatur:

Tabea C. Froehlich, Karin Müller-Decker, Jana D. Braun, Thomas Albrecht, Anne Schroeder, Karsten Gülow, Sergij Goerdt, Peter H. Krammer, Jan P. Nicolay. Combined inhibition of Bcl-2 and NFκB synergistically induces specific cell death and limits xenograft mouse tumor growth in CTCL. Blood 2019, DOI: 10.1182/blood.2019001545

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