Samstag, April 20, 2024

Seltene Blutgruppen – adäquate Versorgung sichern

Auch für seltene Blutgruppen müssen jederzeit genügend verträgliche Blutpräparate bereitgestellt werden können. Deutschland, Österreich, Schweiz bilden hier ein Netzwerk.

Wenn Menschen eine seltene Blutgruppen haben, können sie Antikörper gegen das Spenderblut bilden. Hier ist die jederzeitige Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von verträglichen Blutpräparaten die herausragende Aufgabe in der Transfusionsmedizin. Für die Versorgung müssen bei der Auswahl neben den AB0- und Rhesus-Blutgruppen auch weitere seltene Blutgruppen beziehungsweise Blutgruppensysteme berücksichtigt werden.

Um eine Antikörperbildung bei Patienten zu vermeiden, die wiederholt, bisweilen sogar lebenslang auf eine Blutübertragung angewiesen sind, zum Beispiel bei der Sichelzellerkrankung oder bei chronischen Blutmangelerkrankungen, werden speziell ausgewählte Blutpräparate benötigt.

Immunisierte Patienten, die spezifische, gegen bestimmte Blutgruppenmerkmale gerichtete Antikörper bilden, stellen eine weitere Herausforderung dar. Diese Immunantikörper können gebildet werden, wenn das Immunsystem mit fremden Merkmalen, zum Beispiel bei einer Bluttransfusion, in Kontakt kommt. Auch während einer Schwangerschaft kann die werdende Mutter Antikörper gegen Erythrozyten-Merkmale des Kindes bilden, die von dessen Vater ererbt wurden.

Auch gibt es bestimmte Blutgruppenkonstellationen, sogenannte seltene Blutgruppen, die in der Bevölkerung mit einer Häufigkeit von unter 1:1000 auftreten. Manche Blutgruppeneigenschaften, wie zum Beispiel die Blutgruppe Bombay (0h), kommen so selten vor, dass überhaupt nur wenige Blutspender bekannt sind. Eine Suche nach geeigneten Blutpräparaten für solche selten Blutgruppen ist im akuten Bedarfsfall aufwendig.

Blutspendeeinrichtungen benötigen deshalb eine große Zahl an typisierten Blutspendern, die im Bedarfsfall auch schnell verfügbar sind. Unter Umständen gleicht die Suche nach dem passenden Spender der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen, insbesondere dann, wenn die Chance für einen passenden Spender unter 1:10 000 liegt.

Die in der Sektion „Seltene Blutgruppen-Immunhämatologie“ der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) zusammenarbeitenden Wissenschaftler haben in den letzten Jahren neue molekularbiologischen Methoden für eine neuartige Strategie zur Versorgung der betroffenen Patienten entwickelt. Diese Methoden basieren auf der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder der direkten Sequenzierung des genetischen Codes.

Mit der Anpassung dieser Methoden auf die Bedingungen in der Immunhämatologie stehen heute besser charakterisierte Testreagenzien mit ausgewählten Testerythrozyten für den Nachweis von Antikörpern bei Patienten zur Verfügung. Andererseits können mittels molekularer Testung heute seltene Erythrozytenmerkmale bei Patienten nachgewiesen werden. Für diese Bestimmung standen bislang nur begrenzt oder gar keine Testreagenzien zur Verfügung. Letztlich erlauben diese molekularen Methoden auch die sogenannte Hoch-Durchsatz-Typisierung einer größeren Zahl an Blutspenderinnen und Blutspendern.

 

Netzwerk in Deutschland, Österreich und der Schweiz für seltene Blutgruppen

Seltene Blutgruppe heißt auch seltene Spender. Unter Koordination der wissenschaftlichen Sektion der DGTI sind in verschiedenen Blutspendeeinrichtungen in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz Register entstanden, die eine schnelle Suche nach einem passenden Blutspender erlauben.

An diese Zentren können sich die klinischen Einrichtungen und die transfusionsmedizinischen Labore jederzeit wenden. Schnell wird dann die Verfügbarkeit von passenden Blutspenden geprüft. Sollten gerade keine frisch gespendeten Blutpräparate vorhanden sein, können innerhalb von wenigen Tagen die registrierten Spender zur Abgabe einer Blutspende aufgefordert werden.

Als Alternative stehen in spezialisierten Zentren tiefgefrorene Erythrozyten-Konzentrate mit ausgewählten Blutgruppen zur Verfügung. Diese werden in einem aufwendigen Verfahren eingefroren und bei Temperaturen unter –80 °C gelagert. Da jedoch bei Einfrieren und Auftauen Erythrozyten verloren gehen, ist der Einsatz dieser Präparate begrenzt. Stehen frisch gespendete Erythrozyten-Konzentrate zur Verfügung, sind diese vorzuziehen.

Die in der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie zusammenwirkenden Wissenschaftler aus Blutspendeeinrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bilden ein Netzwerk für die mit seltene Blutgruppen oder speziellen Antikörpern einhergehenden Herausforderungen. Durch die Methoden der Molekularbiologie und der Genotypisierung stehen heute speziell ausgesuchte Blutspenderinnen und Blutspender in den Blutspendeeinrichtungen zur Verfügung. Im Bedarfsfall können klinische Einrichtungen auf dieses Netzwerk zurückgreifen und so die Versorgung ihrer Patienten sicherstellen.

Quelle:

Statement »Immun gegen Spenderblut: Wie hilft man Menschen mit seltene Blutgruppen?« – Professor Dr. med. Harald Klüter Vorstandsvorsitzender der DGTI, Lehrstuhl für Transfusionsmedizin und Immunologie an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und Ärztlicher Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin und Immunologie Mannheim des DRK Blutspendedienstes Baden-Württemberg – Hessen gGmbH zur 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI), September 2018, Lübeck

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