Freitag, März 29, 2024

Schlaganfall-Therapie in Österreich

In Österreich konnten in den letzten 25 Jahren die Behandlungsergebnisse nach einem Schlaganfall stark verbessert werden. Auch die Sterblichkeitsrate wurde deutlich reduziert.

„Bei Schlaganfall verzeichnen wir in Österreich eine kontinuierlich rückläufige Sterblichkeit und eine deutliche Verbesserung der Therapieergebnisse. Während im Jahr 1990 noch rund 10.000 Menschen in Österreich an einem Schlaganfall verstarben, waren es 2013 knapp über 4.000“, berichtet der Vorstand der Klinischen Abteilung für Neurologie an der MedUni Graz, Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas, anlässlich des Welt-Schlaganfall-Tages. „Der Aufbau eines bundesweit flächendeckenden Netzwerks von 37 Stroke-Units, verbessertes Krankheitsmanagement, neue Diagnose- und Therapieformen und Bewusstseins-bildende Kampagnen haben dazu beigetragen.“

Rund 25.000 Menschen erleiden in Österreich  jährlich  einen Schlaganfall. Dass in absoluten Zahlen mehr Frauen (2013: 2.523) als Männer (1.543) daran versterben, sei im Wesentlichen auf die höhere Lebenserwartung von Frauen zurückzuführen, sagt Prof. Fazekas: „Frauen mit Schlaganfall sind signifikant älter, erleiden schwerere Schlaganfälle und sind bereits vor dem Ereignis kränker. Bereinigt um diesen Alterseffekt („altersstandardisierte Sterberaten“) ist die Sterblichkeit der Männer allerdings höher.“

Schlaganfall-Therapie durch multiprofessionelle Teams: Stroke Unit sind sehr effektiv

Die Schlaganfall-Akutversorgung hat in Österreich höchste Standards. Mittlerweile sollen 35 Stroke-Units eine flächendeckende Akutbehandlung garantieren. Der Primarius der neurologischen Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Wien, Univ.-Prof. Dr. Wilfried Lang betont, dass eine Stroke Unit die effektivste Maßnahme zur Senkung der Schlaganfalls-Mortalitätist. Die Sterblichkeitsrate wird dort um um 10 Prozent gesenkt werden.  „Diese Leistung wird durch ein multiprofessionelles Team mit ärztlichem, pflegerischem und rehabilitations-therapeutischem Personal erreicht.“ Hauptaufgaben der Stroke-Units sind die Wiederherstellung der Durchblutung durch Auflösen des Gefäßverschlusses, Abklärung der Ursache und gezielte Verhinderung eines weiteren Ereignisses sowie Beginn der Rehabilitation.

Schlaganfall-Therapie: je früher eine Thrombolyse umso besser

Im überregionalen Stroke-Unit-Register werden seit 2003 Schlaganfall-relevante Daten dokumentiert. Bisher wurden über 100.000 Patienten erfasst. Das ermöglicht eine Analyse von Prozessen im Rahmen der Schlaganfallversorgung und soll die Qualität der Schlaganfall-Versorgung garantieren. Prof. Lang erklärt: „In den Spitälern mit Stroke-Units werden die Abläufe immer besser: Zum Beispiel ist der Zielwert der ‚Door-to-Needle-Time‘ von 30 Minuten nahezu erreicht. Aktuell befinden wir uns bei 40 Minuten im österreichischen Durchschnitt, in vielen Zentren bereits bei weniger als 30 Minuten. Zum Vergleich: in den Zentren der USA sind es 67 Minuten.“

Zeit spielt im Akutmanagement des Schlaganfalls eine wesentliche Rolle („Time is Brain“). Je früher nach Einsetzten der Symptome eine Thrombolyse durchgeführt wird, desto wahrscheinlicher ist ein gutes Ergebnis.

Seit Zulassung der Thrombolyse (2003) ist die Gesamt-Thrombolyserate von 3 auf 18 Prozent gestiegen. In der Gruppe derer, für die sie zugelassen ist, beträgt die Rate über 60 Prozent. „Es geht aber nicht nur um den Einsatz der Thrombolyse, sondern um eine adäquate Versorgung durch ein spezialisiertes Team“, so Prof. Lang. „Das erfordert auch von Pflegekräften ständige Fortbildung. Benötigt wird eine Entwicklung analog zur Intensivmedizin und Dialyse mit einer Spezialisierung der Pflege im Bereich der Schlaganfall-Versorgung.“

Allerdings besteht im präklinischen Bereich noch Aufholbedarf, sagt Prof. Lang. So erkennen einerseits die Patienten häufig die Symptome nicht richtig, andererseits werden Patienten nicht immer sofort in die geeigneten Spitäler eingeliefert, was zeitaufwändige Sekundärtransporte erforderlich macht. Positiv sei, dass der Anteil der Sekundärtransporte von 19 Prozent (2003) auf 11 Prozent (2014) gesunken ist.

Aus der großen Gruppe der kardiovaskulären Erkrankungen herausgelöst: Schlaganfall soll den neurologischen Erkrankungen zugeordnet werden

Durch die Entwicklung und Anwendung immer sensitiverer bildgebender Verfahren wie der MRT gelingt es heute, Infarktschäden im Gehirn zu identifizieren, auch wenn die Symptome nur kurz angehalten haben. Dies führte auch zu einer Neudefinition des Schlaganfalls durch die American Heart Association und American Stroke Association, wonach ein Schlaganfall unabhängig von der Dauer der Symptomatik immer dann zu diagnostizieren ist, wenn ein Infarkt im Gehirn abgebildet ist. „Damit erfolgt auch eine Neubewertung der Transienten ischämischen Attacke (TIA), im Volksmund oft ‚Schlagerl‘ genannt“, erklärt Prof. Fazekas. „So können wir heute bereits von einem Schlaganfall sprechen, wenn bei einem Patienten mit einer TIA ein Infarkt nachgewiesen werden kann. Das wirkt sich nicht zuletzt auf die Epidemiologie des Schlaganfalls aus. Einerseits wird die Häufigkeit steigen, andererseits verbessert sich die relative Mortalität, wenn auch die leichteren Fälle als Schlaganfall registriert werden.“

Derzeit ist die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10) der WHO in Überarbeitung und die ICD-11 soll im kommenden Jahr in Kraft treten. Das stellt einen weiteren Fortschritt dar. Prof. Fazekas betont: „In Bezug auf den Schlaganfall hat sich dabei ergeben, dass er endlich aus der großen Gruppe der kardiovaskulären Erkrankungen herausgelöst und den neurologischen Erkrankungen zugeordnet sein wird.“

Neues in der Erstbehandlung des schweren Schlaganfalls

Eine der häufigsten Ursachen eines schweren Schlaganfalls ist das Vorhofflimmern (VHF), seine Identifizierung ist von hoher Bedeutung, damit Patienten einer Behandlung mit einem Gerinnungshemmer („Antikoagulans“) zugeführt werden können. „VHF tritt bei vielen Patienten jedoch nur episodisch auf, weshalb es oft mit dem EKG, auch dem 24-Stunden-EKG, nicht diagnostiziert werden kann“, sagt Univ.-Doz. Dr. Hans-Peter Haring von der oberösterreichischen Landes-Nervenklinik Wagner Jauregg und Präsident der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft. „Jetzt besteht die Möglichkeit, eine Art Miniatur-EKG-Gerät, einen ‚Event-Recorder‘, unter die Haut zu implantieren, mit dem der Herzrhythmus permanent aufgezeichnet werden kann, auch über Monate. In der CRYSTAL-AF-Studie wurden damit innerhalb von 6 Monaten bei 8,9 Prozent der Patienten nach einem kryptogenen Schlaganfall, bei dem zuvor keine Ursache erkennbar war, Episoden von VHF mit einer Länge von jeweils mindestens 30 Sekunden gefunden.“

Bei rund einem Drittel der Schlaganfall-Patienten wird keine Grundkrankheit entdeckt, die erklären kann, warum es zum Schlaganfall gekommen ist („kryptogenen Schlaganfall“). Werden mit dem Event-Recorder VHF-Episoden identifiziert, erfolgt die Einstellung auf ein Antikoagulans zur Prävention eines weiteren Schlaganfalls. Zielgruppe für die Implantation eines Event-Recorders sind Patienten, die bereits einen Schlaganfall ohne erkennbare Ursachen hatten und keine klaren Risikofaktoren aufweisen.

Auch die EMBRACE Studie, die Auswirkungen einer Ausdehnung der EKG-Langzeitmessung auf 6 Monate mit einem „Cardiac Event Monitor“ untersuchte, zeigte, dass sich damit Unterdiagnosen reduzieren lassen.

Endovaskuläre Thrombektomie: Feines Gitterröllchen entfernt Thrombus aus Hirngefäß

Bei Verschluss großer Hirnarterien ist die systemische Thrombolyse, bei der das Medikament rt-PA intravenös injiziert wird und das Blutgerinnsel auflöst, häufig nicht ausreichend effektiv. Doz. Haring: „Für solche Fälle steht mit der endovaskulären Thrombektomie ein Verfahren zur Verfügung, mit dem in 80 bis 90 Prozent der Fälle die Durchblutung wieder hergestellt werden kann.“ Dabei wird in örtlicher Betäubung über die Leistenarterie ein dünner Katheter bis in das verstopfte Hirngefäß vorgeschoben, wo ein feines Gitterröhrchen („Stentriever“) platziert wird, das die Hirndurchblutung wieder herstellt. Das Blutgerinnsel verfängt sich in diesem Stentriever, und wird gemeinsam mit ihm aus dem Hirngefäß herausgezogen. Auch für lange Thromben, die mittels Lyse nicht oder nur schlecht entfernbar sind, ist diese Methode erfolgversprechend.

„Wichtig für das Outcome ist der Zeitfaktor. So hat eine Thrombektomie innerhalb von maximal drei bis sechs Stunden zu erfolgen. Gemäß dem Motto ‚Time is Brain‘ sind die Behandlungsresultate jedoch umso besser, je früher der Eingriff durchgeführt wird“, so Doz. Haring. Stentriever werden in wenigen hoch spezialisierten österreichischen Schlaganfall-Zentren routinemäßig eingesetzt, die Ergebnisse werden prospektiv im Rahmen eines Registers erfassen, das zur Sicherung der Qualität beitragen wird.

„Bisher können die in internationalen Publikationen beschriebenen guten Ergebnisse bestätigt werden“, sagt Doz. Haring. „Bei rund 20 Prozent der akuten Schlaganfälle ist die Ursache der Verschluss einer großen Hirnarterie, weshalb die Thrombektomie mittels Stentriever auch bei 20 Prozent der akuten Schlaganfallpatienten zum Einsatz kommt. Damit erreichen wir bei mehr als 60 Prozent der Behandelten ein gutes Behandlungsergebnis mit keiner oder nur geringer Behinderung. Ohne Rekanalisation mittels Katheter-Technologie betrüge der Anteil an Patienten mit gutem Outcome nur rund 15 Prozent.“

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