Dienstag, April 16, 2024

Schielpflaster, Augenokklusionspflaster, gegen das Schielen bei Babys und Kindern

Früh erkannt kann man Sehstörungen und Augenfehler meist korrigieren, gegen das Schielen bei Babys und kleinen Kindern ist das Schielpflaster eine schmerzlose Therapie.

Ob ein Kind ein Leben lang gut oder schlecht sehen wird, entscheidet sich meist schon im frühen Babyalter. Sehstörungen und Augenfehler lassen sich fast immer korrigieren, wenn sie frühzeitig erkannt werden. Das gilt insbesondere für das Schielen. Keine andere Augenerkrankung führt so häufig schon in der Kindheit zu einer verminderten Sehleistung. Wenn man gegen das Schielen rechtzeitig etwa unternimmt, dann stehen die Chancen überaus günstig. In mehr als 90 Prozent der Fälle wird die Schwachsichtigkeit vermieden und das Schielen geheilt. Eine vielversprechende sanfte Therapie gegen Schielen bei Babys und kleinen Kindern ist das Schielpflaster.



 

Rechtzeitige Maßnahmen gegen Schielen

Rechtzeitig heißt frühzeitig, und zwar frühzeitiger als man noch vor einigen Jahren geglaubt hat, betont die Stiftung Kindergesundheit mit Nachdruck. Alle Babys, bei denen der Verdacht auf Schielen besteht, oder in deren Familien Schielen vorkommt, sollte ein Augenarzt schon im Alter von sechs bis zwölf Monaten untersuchen. Denn wenn nach dem dritten Lebensmonat immer noch eine ständige einseitige Fehlstellung besteht, dann sollte man bereits beim Baby oder bei kleinen Kindern mit der Frühbehandlung beispielsweise mit einem Schielpflaster beginnen.

 

Das Schielpflaster für das Baby gegen Schielen tut nicht weh

Die Behandlung mit einem Schielpflaster gilt als völlig schmerzlos und belastet das Baby in einem wesentlich geringeren Maße, als manche Eltern meinen. Das Ziel der Behandlung ist es, ein so genanntes alternierendes Schielen zu erreichen, also abwechselnd beide Augen zum Sehen zu zwingen. Dazu wird das gesunde Auge entweder mit Hilfe von Atropintropfen in seiner Sehkraft zeitweilig geschwächt oder stundenweise mit einem Schielpflaster abgedeckt und damit ausgeschaltet.

Meistens ergänzt man das Schielpflaster – die Okklusionsbehandlung – mit einer Brille. Denn meisten ist mit dem Schielen ein Sehfehler – in der Regel eine Weitsichtigkeit – gekoppelt. Die augenärztliche Untersuchung zur ermittlung der richtigen Brillenstärke ist ebenfalls einfach und schmerzlos.

 

Wann eine Operation notwendig wird

In vielen Fällen reichen diese Maßnahmen allein schon aus, um das Schielen vollständig zu beseitigen und ein stereoskopisches Sehen zu erreichen. Bei größerem Schielwinkel ist jedoch immer eine Operation notwendig.

Über den richtigen Zeitpunkt dieses Eingriffs gibt es unterschiedliche Ansichten unter den Augenärzten. Während die einen, besonders in den USA, für eine operative Korrektur bereits im Alter von zwei bis zweieinhalb Jahren plädieren, halten die anderen einen Operationstermin zwischen dem dritten und fünften Geburtstag noch für ausreichend.

In Deutschland wird die Operation üblicherweise im Jahr vor der Einschulung durchgeführt. So lässt sich vermeiden, dass das Schielen den Schulerfolg behindert.



Im Grunde genommen hat man früher der Anteil schielender Kinder auf vier bis fünf Prozent geschätzt. Hingegen weiß man heute, dass in Mitteleuropa zwischen 5,3 und 7,4 Prozent aller Kinder an einem behandlungsbedürftigen Strabismus (so die Fachbezeichnung) leiden.

Diese Zunahme ist vor allem die verbesserten medizinischen Bedingungen geschuldet. Im Grunde genomen schauen Kinder- und Jugendärzte heute genauer hin. Zudem können Augenärzte heute Sehfehler auch schon bei Babys besser erkennen.

 

Operation gegen Schielen

Bei vielen Schielkindern ist jedenfalls eine Operation erforderlich, um das Schielen zu beseitigen. Die Chirurgie der Augenmuskeln gilt als ein sehr sicheres Verfahren. Entgegen vielen Schauermärchen wird bei der Operation weder das Auge „herausgenommen“, noch der Augapfel aufgeschnitten. Der Arzt öffnet lediglich die Bindehaut, die auf dem Augapfel liegt.

Die darunter liegenden Augenmuskeln werden verkürzt oder so versetzt, dass beide Augen möglichst gerade stehen. Danach wird die Bindehaut mit einer hauchfeinen Naht wieder verschlossen.

Unter dem Strich sollten Eltern wissen, dass der Chirurg bei der Operation nur die Augenstellung verändert. Es kommt aber keiner Korrektur der Brechungsfehler der Augen. Das bedeutet, dass ein Kind, das vor der Operation eine Brille tragen musste, die Brille in den meisten Fällen auch nach dem Eingriff weiter tragen muss.

Übrigens glauben junge Eltern häufig, bei ihrem Baby ein Schielen zu erkennen – zum Glück meist ohne Grund. Oft entsteht nämlich schon durch einen bei Babys häufig vorkommenden breiten Nasenrücken („Epikanthus“) der Eindruck, dass ein Auge von der symmetrischen Gesichtslinie abweicht. In solchen Fällen sprechen Ärzte vom „Pseudoschielen“.

Jedenfalls empfehlen Experten allen Eltern, sich bei jedem Verdacht auf eine Sehstörung ihrer Kinder von ihrem Kinder- und Jugendarzt beraten zu lassen. Falls nötig, sollten sie dann in Folge einen Augenarzt einbeziehen.



 

Probleme durch Schielen in Schule und Beruf

Menschen, deren 3D-Sehen beeinträchtigt ist, sind im späteren Leben von bestimmten Berufen ausgeschlossen. Und zwar besonders im Verkehr, beispielsweise bei der Bahn oder in der Luftfahrt. Laut rezenter Untersuchungen kommen aber auch Verhaltensstörungen, Leistungsschwäche, Lese-Rechtschreib-Probleme sowie Legasthenie bei Kindern mit Schielen oder Sehschwäche häufiger vor.

Schließlich kann Schielen sogar zu psychischen Problemen führen. Denn hinter dem erkennbaren „Anderssein“ vermuten viele Menschen fälschlicherweise einen wenig sympathischen Charakter oder halten das Schielen für den „bösen Blick“. Dieses falsche Wahrgenommenwerden kann beim betroffenen Kind natürlich Spuren hinterlassen.

Zudem ergab eine Untersuchung in der Schweiz, dass schielende Kinder von Gleichaltrigen viel seltener zum Kindergeburtstag eingeladen werden. Für die Vermittler von Führungskräften („Headhunter“) gilt Schielen als ein schlimmerer Makel als Akne oder fehlende Frontzähne.

Besonders dramatische Folgen gibt es, wenn dann im späteren Leben beispielsweise ein Unfall oder eine Erkrankung das „gute“ Auge schädigt. In diesem Fall muss das schwachsichtige Auge die Hauptfunktion übernehmen. Das Sehvermögen des schwächeren Auges beträgt meist jedoch höchstens zehn Prozent der normalen Sehleistung, was zu erheblichen Sehproblemen führen kann.

Bei rechtzeitiger Behandlung kann jedoch bei mehr als 90 Prozent der Kinder das Schielen geheilt oder zumindest die Schwachsichtigkeit wesentlich gebessert werden. Die frühzeitige Therapie führt in etwa 80 Prozent der Fälle zum normalen oder nur leicht herabgesetzten beidäugigem Sehen.




Literatur:

Repka MX, Lum F, Burugapalli B. Strabismus, Strabismus Surgery, and Reoperation Rate in the United States: Analysis from the IRIS Registry. Ophthalmology. 2018 Oct;125(10):1646-1653. doi: 10.1016/j.ophtha.2018.04.024. Epub 2018 May 18. PMID: 29779683.

Fieß A, Kölb-Keerl R, Schuster AK, Knuf M, Kirchhof B, Muether PS, Bauer J. Prevalence and associated factors of strabismus in former preterm and full-term infants between 4 and 10 Years of age. BMC Ophthalmol. 2017 Dec 2;17(1):228. doi: 10.1186/s12886-017-0605-1. PMID: 29197374; PMCID: PMC5712131.

Catalano JD. Strabismus. Pediatr Ann. 1990 May;19(5):289, 292-7. doi: 10.3928/0090-4481-19900501-05. PMID: 2189116.


Quelle: Stiftung Kindergesundheit http://www.kindergesundheit.de

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