Donnerstag, März 28, 2024

Die Schaufensterkrankheit PAVK erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall

Vorrangiges Problem der Schaufensterkrankheit PAVK ist das Vier- bis Sechsfache erhöhte Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen seit Jahren an der Spitze der Todesstatistik in Deutschland. Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) haben mit einer Fünf-Jahres- Sterblichkeit von 28 Prozent eine schlechtere Prognose als Frauen mit Brustkrebs. Die Mehrzahl der pAVK-Patienten, nämlich 70 Prozent, stirbt durch einen Herzinfarkt beziehungsweise an den Folgen der koronaren Herzkrankheit (KHK). Bei weiteren fünf Prozent ist ein Schlaganfall die Todesursache.



Die pAVK sollte daher verstärkt als Marker-Erkrankung für ein generell erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrachtet und deshalb „bewusster“ behandelt werden.

Vorrangiges Problem der Patienten mit der Schaufensterkrankheit PAVK (Claudicatio intermittens) ist das Vier- bis Sechsfache erhöhte Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Und es nicht demnach nicht das wichtigste Problem, dass die Gehleistung der Patienten beeinträchtigt ist.

 

Mit Früherkennung der PAVK das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall senken

Dem Hausarzt kommt eine zentrale Rolle dabei zu, die Schaufensterkrankheit pAVK als Marker-Krankheit für Herzinfarkt und Schlaganfall früh zu erkennen. Wobei man die PAVK immer noch als „kleine Tochter der koronaren Herzkrankheit“ bagatellisiert. Damit verringert man die Chance, den Patienten ganzheitlich therapeutisch zu erfassen.

Eine frühzeitige Diagnose der PAVK kann man bei Patienten, die noch keine Symptome zeigen, mit dem Ultraschall erreichen. Dabei sollte die Untersuchung bei gefährdeten Patienten breit angelegt erfolgen.

Ein besonderes Risiko haben vor allem Männer in höherem Alter, Raucher sowie Patienten mit Diabetes. Weiter gibt es Warnsignalen, die auf eine PAVK hindeuten. Das sind früh auftretende Potenzstörungen (erektile Dysfunktion) sowie fehlender Haarwuchs an der Tibia. Denn das ist auch Indiz einer schlechten Durchblutung der Extremitäten. Weiter gilt als wichtiges Anzeichen, wenn die Zehennägel am linken und rechten Fuß unterschiedlich stark wachsen.

Wenn immer an der gleichen Muskelgruppe Schmerzen auftreten und wenn man die Beschwerden durch Belastung auslösen kann, dann ist die pAVK bereits fortgeschritten. Es liegt dann das Stadium II vor, das man auch als Claudicatio intermittens bezeichnet.



 

Diagnostik

Die wichtigste Diagnostik-Technik zur Früherkennung einer pAVK ist die Doppler-Druckmessung an Arterien an Arm und Knöchel nach zehnminütiger Lagerung des Patienten und die Bestimmung des Knöchel-Arm-Indexes (ABPI = Ankle Brachial Pressure Index). Bei einem Index unter 0,9 besteht pAVK-Verdacht. Bei solchen Patienten sollten nach Belastung (zum Beispiel 20 bis 30 Zehenstandübungen) erneut die Drucke an Arm und Knöchel gemessen werden.

Beim typischen pAVK-Patienten rauscht der Knöcheldruck nach dieser Belastung noch weiter nach unten. Diese Patienten sind kardiovaskulär extrem gefährdet: Nur 15 Prozent der Patienten mit pathologischem Knöchel-Arm-Index haben normale Koronararterien. Um die Schwere einer pAVK abzuschätzen, empfehlen sich standardisierte Belastungsuntersuchungen auf dem Laufbandergometer.

 

Risikofaktoren im Blicklicht

Beim Patienten mit PAVK, der noch keine Symptome zeigt (Stadium I), stehen die Risikofaktoren im Vordergrund der Behandlung. Wie bei der KHK sind das der Verzicht auf Nikotinverzicht und eine konsequente Blutdruckkontrolle. Weiter gehören die Normalisierung des Cholesterinspiegels sowie Sport betreiben zu den ersten Bausteinen der
Therapie.

Entsprechend den Koronar-Sportgruppen wurden mittlerweile auch pAVK-Gruppen gegründet. Inwieweit eine therapeutische Senkung eines erhöhten Homocysteinspiegels, der mit einem fünffach erhöhten pAVK-Risiko einhergeht, prognostisch bedeutsam ist, kann derzeit noch nicht abschließend gesagt werden.

 

Risikopatienten nach Herzinfarkt oder Schlaganfall oder mit PAVK besser schützen

Alle pAVK-Patienten brauchen bereits im asymptomatischen Stadium eine Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern, wie neue Studien belegen. So konnte das Risiko für einen peripheren Eingriff zur Gefäßrekonstruktion durch Gabe von 325 mg Acetylsalicylsäure (ASS) jeden zweiten Tag in der Physicians’ Health Study um 45 Prozent reduziert werden. Einer Metaanalyse der Platelet Trialists’ Collaboration zufolge senkt ASS in Dosen von 75 bis 325 mg täglich das Risiko für

  • Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod um 32 Prozent,
  • nicht tödliche Infarkte um 32 Prozent,
  • nicht tödliche Schlaganfälle um 46 Prozent und
  • die vaskuläre Gesamtmortalität um 20 Prozent.

Das ASS gilt vielfach als Mittel der ersten Wahl. Obwohl der Wirkstoff für die Indikation pAVK bislang nicht zugelassen ist. Auch zeichnet sich mittlerweile eine recht hohe Non-Responder-Rate ab. Sollte daher bei der zur Therapiekontrolle durchgeführten Duplex-Sonografie keine Besserung erkennbar sein, ist der Patient sofort auf den ADP-Antagonisten Clopidogrel umzustellen.



Gleiches gilt bei Auftreten von Nebenwirkungen unter ASS-Therapie. Laut CAPRIE-Studie bietet Clopidogrel Risikopatienten (nach Herzinfarkt oder Schlaganfall oder mit PAVK) einen signifikant besseren Schutz vor einem Zweitereignis als ASS und ist gleichzeitig wesentlich besser verträglich.

 

Entstehung arteriosklerotischer Gefäßschäden

Die Arteriosklerose ist eine heimtückische Krankheit, macht sie sich doch oft erst im Spätstadium bemerkbar. Zu den schwerwiegendsten Folgen dieses Gefäßleidens zählen der Herzinfarkt und der Gehirnschlag. Umso wichtiger erscheint es, die Betroffenen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Maßgeblich beteiligt an der Entstehung arteriosklerotischer Gefäßschäden sind die sogenannten kardiovaskulären Risikofaktoren, darunter ein fortgeschrittenes Alter, der Konsum von Tabak, zu große Mengen an Cholesterin im Blut, Übergewicht, Diabetes und hoher Blutdruck. Die meisten dieser Einflüsse lassen sich mit Medikamenten oder durch eine Umstellung des Lebensstils angehen.

Besonders hoch ist das Risiko für Herzinfarkt unter anderem bei PAVK-Patienten, deren Beinschlagadern schwere arteriosklerotische Ablagerungen aufweisen. Durchblutungsstörungen der Beine finden gleichwohl viel weniger Beachtung als solche des Herzens und des Gehirns. Einer der Gründe hierfür mag sein, dass die PAVK keine unmittelbare Lebensbedrohung darstellt.

 

Symptome bei fortgeschrittenen Gefäßveränderungen

PAVK deshalb für harmlos zu halten, ist freilich verfehlt. So finden sich bei vielen Betroffenen auch in anderen Regionen des Kreislaufsystems – etwa in der Halsarterie, den Herzkranzgefäßen und der Bauchschlagader – fortgeschrittene Gefäßveränderungen. Entsprechend schlecht ist die Prognose dieser Kranken. Rund 70 Prozent der Kranken erliegen einer Herzattacke und weitere fünf Prozent sterben an Gehirnschlag.



Engpässe in den Beinarterien werden deshalb häufig übersehen, weil sie erst im fortgeschrittenen Stadium die klassischen Beschwerden einer Schaufensterkrankheit hervorrufen. Hiervon spricht man, wenn der Kranke beim Gehen so starke Schmerzen empfindet, dass er immer wieder stehen bleibt.

Etwa zehn bis 30 Prozent aller Patienten mit pAVK leiden an derartigen Qualen. Verlässt sich der Arzt allein auf diese Symptome, entgeht ihm allerdings ein erheblicher Anteil der Erkrankungen.

 

Knöchel-Arm-Index

Eine viel zuverlässigere Diagnose erlaubt die Ermittlung des Knöchel-Arm-Indexes, wie schon weiter oben erläutert. Hierunter versteht man den Quotienten aus dem Blutdruck im Unterschenkel und jenem im Arm. Dieser Parameter gibt an, wie sehr die arteriosklerotischen Ablagerungen die Zirkulation im Bein behindern.

Um den Knöchel-Arm-Index zu bestimmen, setzt man eine Manschette ein, die man aufpumpen kann. Die Manschette unterbricht dabei kurzfristig den Blutfluss in die untersuchenden Extremitäten. Danach öffnet man dann anschließend das Ventil und die normale Durchblutung wird langsam wiederhergestellt.

Der Blutstrom wird dabei mit dem Verfahren der Dopplersonografie erfasst. Untersuchungen vor allem in den Vereinigten Staaten und den Niederlanden haben ergeben, dass arterielle Durchblutungsstörungen der Beine bei sieben bis 30 Prozent der Patienten vorkamen.

Erschreckend war, dass die behandelnden Ärzte in bis zu zwei Drittel der Fälle nichts von der Erkrankung ihrer Patienten wussten. Selbst wenn ihnen diese bekannt war, unternahmen sie oft nur wenig dagegen.

Bei der Therapie geht es in erster Linie darum, die Risikofaktoren für Herz und Gefäße konsequent zu behandeln. Von großer Bedeutung ist dabei auch eine angemessene Vorbeugung von Thrombose. Denn gerade die treten bei betroffenen PAVK-Patienten sehr oft auf.




Quelle:

Statement » Häufig unterschätzt: Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) – Alarmsignal für Herzinfarkt und Schlaganfall «. Professor Dr. med. Dittmar Böckler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG); Ärztlicher Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre Chirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg. 35. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin, Oktober 2019, Mannheim.

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