Donnerstag, März 28, 2024

Starker Muskelschwund im hohen Alter: Sarkopenie – Diagnostik, Therapie

Ab einem Alter von 80 Jahren leiden viele Menschen an starkem Muskelschwund, ab diesem Zeitpunkt kommt es zur Diagnose Sarkopenie, eine rasche Therapie ist erforderlich.

Millionen Menschen leiden weltweit Sarkopenie – einem starkem, altersbedingtem Muskelschwund. Die Gefahr beim Laufen zu stürzen oder den Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen zu können, ist bei Betroffenen sehr hoch. Denn Muskelmasse und folglich auch Muskelkraft unterliegen dem natürlich Altern. Etwa alle zehn Jahre nimmt die Muskelkraft ab dem 40. Lebensjahr um etwa 10%  ab. Mit einem Alter on 80 Jahren bleibt dementsprechend noch ca. 60% Muskelkraft übrig. Ab dieser achten Lebensdekade ist bei den meisten Menschen mit der Diagnose Sarkopenie zu rechnen, wobei rasch eine effektive Therapie gegen den Muskelschwund einsetzen muss.

 

Skelettmuskulatur – Skelettmuskelmasse – Skelettmuskelindex

Der Anteil der Skelettmuskelmasse an der Körpermasse wird Skelettmuskelindex genannt und beträgt normalerweise bei Männern 42% und bei Frauen 33%. Frauen haben dafür einen um etwa 10% höheren Körperfettanteil. Sarkopenie bedeutet, das der Index zum Skelettmuskel verringert ist.

Die Skelettmuskulatur ist die größte stoffwechselnde Gewebemasse des Körpers. Der Verlust an Muskelmasse spielt eine zentrale Rolle bei der Genese einer ganzen Reihe von Funktionsstörungen und Krankheiten.

Nach wie vor wird dem Problem der Erhaltung der Muskelmasse – vor allem im Alter und bei chronischen Erkrankungen – zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet.

Die auf der Muskelmasse basierende funktionelle Größe ist die Muskelkraft. Sie ist direkt proportional dem Muskelquerschnitt, da 1 cm2 Querschnitt etwa 6 bis 8 kp an Kraft entfalten kann, und das geschlechtsunabhängig. Die maximal mögliche Muskelkraft, die mittels Dynamometrie bestimmt wird, ist ein gutes Maß für die Muskelmasse.

Die Messgröße der Dynamometrie ist das Einwiederholungsmaximum (EWM), das ist die Kraft, die bei einem einzelnen Maximalversuch entfaltet werden kann.

 

Rückgang an körperlicher Aktivität und Muskelkraft mit Diagnose Sarkopenie vergesellschaftet

Eine wesentliche Ursache für Sarkopenie ist ein Rückgang der körperlichen Aktivität. In Folge kommt es zu einer atrophischen Verringerung der Myofibrillenmasse. Das geschieht nicht nur im Alter sondern auch in jungen Jahren. Bei Immobilisierung eines Muskels entwickelt sich eine Atrophie, die Muskulatur soricht mit zunehmendem Alter immer weniger auf Bewegungsreize an.

Andere mögliche Ursachen für die Abnahme der Muskelkraft – wie beispielsweise eine Verschlechterung der neuronalen Ansteuerung oder eine Verringerung der Muskelqualität – spielen gegenüber der Atrophie keine wesentliche Rolle.

Der Rückgang der körperlichen Aktivität ist allerdings ein bedeutendes Verhaltensmerkmal ab einem Alters von 60 Jahren. Trotz des Verlustes an Muskelmasse nehmen Körpergewicht und Bodymassindex mit dem Alter zu, weil dieser Verlust durch eine Zunahme an Körperfett kompensiert wird. Die Zunahme an Körperfett hängt auch mit der Abnahme an Muskelmasse zusammen:

  • 1 kg Muskel hat einen Grundumsatz von ca. 15 kcal /Tag.
  • Ein Verlust von 5 kg Muskel bedeutet also eine Verringerung des Grundumsatzes um ca. 75 kcal /Tag, das sind 27.000 kcal pro Jahr und das entspricht, wenn die Nahrungsaufnahme nicht entsprechend verringert wird, einer Zunahme an Körperfett um ca. 3 kg pro Jahr.

 

Der Verlust an Muskelgewebe hat verschiedene Folgen

Am augenscheinlichsten ist der Muskelschwund beziehungsweise der Verlust an Muskelkraft, der dem Ausmaß der Sarkopenie in etwa proportional ist. Dies führt zu einem fortschreitenden Verlust an Beweglichkeit, da mehr Körpergewicht mit weniger Kraft bewältigt werden muss.

Dies führt weiter zu einem Verlust an Lebensqualität, weil zunehmend die Fähigkeit zur Verrichtung von Aktivitäten des täglichen Lebens verloren geh. Treppen steigen, Aufstehen aus einem Sessel, aber auch das Baden in der Wann werden zu einer Herausforderung.

Bei 90-jährigen Personen ist die Zeit, die für die Bewältigung einer Gehstrecke von 6 Metern erforderlich ist, durch die schwindende Muskelkraft sehr groß. Fortgeschrittene Sarkopenie ist somit eine Hauptursache für Gebrechlichkeit im Alter und die Notwendigkeit fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen.

Weiter kommt es durch Sarkopenie zur Abnahme der Insulinsensitivität der Muskelzellen beziehungsweise der Zunahme der Insulinresistenz. Etwa 90 % der mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate werden nach einer Mahlzeit von der Muskulatur aus dem Blut entfernt.

Daher ist die verminderte Insulinsensitivität die pathophysiologische Grundlage des Hyperinsulinismus, das heißt des Versuchs des Pankreas, die Insulinresistenz durch vermehrte Insulinproduktion zu kompensieren. Wenn diese Kompensation nicht mehr gelingt, entwickelt sich ein Diabetes mellitus vom Typ 2.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Muskelmasse und Muskelfunktion einerseits und der Knochenmasse oder Knochendichte andererseits. Die Aufrechterhaltung einer gut abgepassten Muskelmasse ist eine sehr effektive vorbeugende Maßnahme gegen die Entwicklung einer Osteoporose, mit deren schlimmster Konsequenz einer Becken- oder Schenkelhalsfraktur.

Bei Menschen mit Sarkopenie ist auch die Fähigkeit die Gleichgewichtsbalance zu halten vermindert, was eine erhöhte Sturzneigung zur Folge hat.

 

Bei Diagnose Sarkopenie mit schneller Therapie dem Muskelschwund entgegenwirken!

Die beschriebenen Zusammenhänge zeigen, dass die Muskelkraft ein starker Prädiktor der Mortalität aus jeglicher Ursache ist. Gegenmaßnahmen bedeuten eine Vermehrung der Muskelmasse sprich eine Erhöhung des Skelettmuskelindex. Dies ist medikamentös möglich mit anabolen Substanzen wie androgen-anabolen Steroiden, somatotropem Hormon oder Insulin.

Ein Muskelhypertrophietraining, Muskeltraining, das gegen Muskelschwund auf die Vermehrung der Muskelmasse abzielt, ist eine weitere Möglichkeit der Therapie bei Diagnose Sarkopenie. Ein derartiges Training ist in jedem Alter möglich, wirksam und sicher.

 

Vibrationstherapie für Muskelmasse, Muskelkraft und körperliche Funktionen bei Menschen im hohen Alter mit Sarkopenie

Da Patienten mit Sarkopenie durch den fortschreitenden Verlust an Muskelmasse und Funktion oft zu gebrechlich sind, um als Teil der Therapie intensiver Sport zu treiben, ist die Vibrationstherapie eine interessante Alternative. Sie verursacht geringere Risiken und ist mit weniger Aufwand durchzuführen, weswegen ältere Menschen sie leichter akzeptieren.

Diese systematische Überprüfung und Metaanalyse aus sechs Studien mit 223 Teilnehmern untersuchte nun, ob eine Vibrationstherapie bei älteren Erwachsenen mit Sarkopenie wirksam wäre. Dabei untersuchten die Forscher die Wirkung der Vibrationstherapie, einschließlich der lokalen Vibrationstherapie und der Ganzkörper-Vibrationstherapie. Und zwar zur Verbesserung der Muskelmasse, Muskelkraft und körperlichen Funktion bei älteren Menschen mit Sarkopenie.

Es zeigte sich, dass die Vibrationstherapie eine prospektive Therapie zur Verbesserung der Muskelkraft und der körperlichen Leistungsfähigkeit bei älteren Erwachsenen mit Sarkopenie darstellt. Allerdings ergab sich nur eine begrenzte Anzahl bei den eingeschlossenen Studien. Deswegen sollten besser konzipierte Studien mit großen Stichproben durchgeführt werden, um die Vorteile der Vibrationstherapie für diese Population weiter zu untersuchen und zu validieren.


Literatur:

Wu S, Ning HT, Xiao SM, Hu MY, Wu XY, Deng HW, Feng H. Effects of vibration therapy on muscle mass, muscle strength and physical function in older adults with sarcopenia. A systematic review and meta-analysis. Eur Rev Aging Phys Act. 2020 Sep 17;17:14. doi: 10.1186/s11556-020-00247-5. PMID: 32963629; PMCID: PMC7499918.

Marzetti E, Calvani R, Tosato M, Cesari M, Di Bari M, Cherubini A, Collamati A, D’Angelo E, Pahor M, Bernabei R, Landi F; SPRINTT Consortium. Sarcopenia: an overview. Aging Clin Exp Res. 2017 Feb;29(1):11-17. doi: 10.1007/s40520-016-0704-5. Epub 2017 Feb 2.

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