Freitag, März 29, 2024

Risikofaktor Laufen: Schadet regelmäßiges Laufen dem Körper?

Laufen ist zu gleichen Teilen Volkssport Nummer eins und Gesundheitsprävention. So der allgemeine Tenor. Studien belegen jedoch immer wieder, dass Läufer in manchen Bereichen nicht unbedingt gesünder werden.

Es ist andererseits erwiesen, dass Sport im Allgemeinen zur Senkung des Sterberisikos beitragen kann und selbst bei der Diabetes-Prävention hilft. Daneben stehen weitere positive Effekte wie die Stärkung des Immunsystems, Gewichtsreduktion und die Linderung psychischer Erkrankungen. Das alles im Falle des Laufens verpackt in eine Sportart, die vermeintlich jeder ausüben kann, weil sie zum natürlichen Bewegungsrepertoire des Menschen gehört.

 

Zusammenhang von Technik und Verletzungsrisiko

Genauso wenig ist allerdings von der Hand zu weisen, dass Läufer nur in seltenen Fällen gänzlich von Verletzungen verschont bleiben. Die Liste möglicher Blessuren ist dabei erstaunlich lang: Sie reicht von Blasen an den Füßen über Zerrungen und Krämpfe bis hin zu Meniskus-Schäden und Ermüdungsbrüchen. Der vermeintliche Widerspruch erweist sich bei genauerer Betrachtung als gar keiner, vielmehr steht zwischen Gesundheitsförderung und Verletzungsgefahr in der Hauptsache die Verhältnismäßigkeit. Ein zusätzlicher wichtiger Faktor ist die Technik.

 

„Sanftes“ Laufen gegen Verletzungen

Denn einer der Gründe für das Ausbleiben von Verletzungen, selbst bei regelmäßig absolvierten Läufen, ist unter anderem der „Aufprall“. Dieser Zusammenhang wurde von einem Forscherteam der Harvard Medical School um Professorin Irene Davis in Zusammenarbeit mit dem National Running Center untersucht. Die Fragestellung, von der die durchgeführte Studie ausging, lautete: Wenn die Menschen durch die Evolution so gut an lange Läufe angepasst wurden, warum sind Läufer dann doch so häufig verletzt?

Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 249 weibliche Freizeitsportler über einen Zeitraum von zwei Jahren getestet, allesamt Fersenläufer. Dieses Auswahlkriterium hat zwei Gründe. Zum einen ist der Laufstil am weitesten verbreitet, zum anderen scheint er besonders oft zu Verletzungen zu führen. Alle Probandinnen mussten einen Laufpensum von mindestens 20 Meilen wöchentlich vorweisen, wurden vermessen und ihr Aufprall beim Laufen auf einer Kraftmessplatte analysiert. Gegenübergestellt wurden anschließend die Werte von den Teilnehmerinnen, die während der Studie keinerlei Verletzungen davontrugen, und denjenigen, die sich wiederum so schwer verletzten, dass sie sich in medizinische Behandlung begeben mussten.

Das Ergebnis: Der entscheidende Unterschied lag in der Plötzlichkeit des Aufpralls, wohingegen weder die dabei ausgeübte Kraft noch das Gewicht eine Rolle spielten. „Sanftes“ Laufen mit fließenden Bewegungen beugt offenbar Verletzungen vor.

 

Schrittlänge und Aufprall

Dass es darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen der Schrittfrequenz und dem daraus resultierenden Aufprall gibt, wiesen zwei weitere US-Studien nach. Forscher des Spaulding National Running Center in Cambridge, Massachusetts und der Virginia Commonwealth University in Richmond, Virginia konnten unabhängig voneinander eine – wenn auch keine repräsentative – Verbindung zwischen der Frequenz der Schritte und der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung nachweisen. Eine kleinere Schrittfrequenz mit entsprechend größeren Schrittlängen führt nach diesen Untersuchungen zu einem härteren Aufprall und damit zu dem auch in Harvard nachgewiesenen höheren Verletzungsrisiko.

Ausgreifende Schritte stellen eine unnötige Belastung für die Beine dar, denn durch sie wird der Aufprall beim Auftreten umso härter. © lzf / fotolia.com
Ausgreifende Schritte stellen eine unnötige Belastung für die Beine dar, denn durch sie wird der Aufprall beim Auftreten umso härter. © lzf / fotolia.com

Sportwissenschaftler Mario Frei weist daher darauf hin, wie wichtig die Lauftechnik sei. Er setzt bei genau den Punkten an, die sich auch in den angeführten Studien als potenziell nachteilig für die Gesundheit erwiesen haben: beim Fußaufsatz und beim Armschwung. Zum einen geht es darum, vom Fersenaufsatz weg zu kommen, da hierbei die Belastung für das (durchgestreckte) Knie besonders hoch sei. Zum anderen kann über die Bewegung der Arme die Schrittfrequenz beeinflusst werden. Mit gezielten Übungen für Koordination, Geschicklichkeit und Sprungkraft lässt sich der Laufstil jedoch nicht nur gesünder gestalten. Eine möglichst ökonomische Technik verhilft außerdem zu einer Leistungssteigerung.

 

Gefahr Ermüdungsbruch

Eine potenzielle Folge, wenn die Beine immer wieder Stoßbelastungen ausgesetzt sind, ist nicht allein die Abnutzung der Gelenke. Im schlimmsten Fall droht infolgedessen ein Ermüdungsbruch. Der tritt im Zuge von Überbelastungen auf, die sich sowohl aus übermäßigem Trainingsaufwand als auch aus durch häufiges, zu hartes Aufprallen beim Laufen. Die Verletzungsgefahr erhöht sich schon bei rund 40 gelaufenen Kilometern pro Woche, dazu trägt auch ein zu hohes Körpergewicht zu einem gesteigerten Risiko bei.

Die Schwierigkeit bei Ermüdungsbrüchen liegt darin, dass sie beim Röntgen in vielen Fällen nicht erkannt werden. Belastungsschmerzen, die während des Lauftrainings auftreten, müssen nicht zwingend auf einen Riss in den Knochen hinweisen, sind aber womöglich ein erstes Warnzeichen.

In jedem Fall ist eine Trainingspause dringend angeraten, wenn das Laufen nicht mehr beschwerdefrei absolviert werden kann. Der Körper regeneriert kleinere Blessuren durchaus selbstständig, sofern er ausreichend Zeit bekommt. Tatsächlich sieht auch die Therapie bei einem diagnostizierten Ermüdungsbruch kaum anders aus: Ruhigstellen, entlasten und mit dem Training pausieren, mehr ist meist nicht notwendig.

 

Verletzungsrisiko senken mit Barfußschuhen?

Abgesehen von der Technik können Läufer das Risiko einer Verletzung bis zu einem gewissen Grad auch durch ihr Schuhwerk mindern. Während etwa Faktoren wie die Dämpfung immer abhängig sind von den körperlichen Voraussetzungen, die der Läufer mit sich bringt, und den Untergründen, auf denen die Schuhe zum Einsatz kommen, sollen Barfußschuhe generelle Linderung bringen.

Barfuß laufen gilt vielen als die beste, weil natürlichste Art des Joggens – allerdings nur mit Einschränkungen. © Maridav / fotolia.com
Barfuß laufen gilt vielen als die beste, weil natürlichste Art des Joggens – allerdings nur mit Einschränkungen. © Maridav / fotolia.com

Sie sind die folgerichtige Weiterentwicklung von Minimalschuhen, die auf die bei Laufschuhen übliche Dämpfung verzichten – mit dem Ziel, durch das Barfußgefühl zu einer Kräftigung der Fußmuskulatur beizutragen. Daraus wiederum soll ein natürlicher Laufstil entstehen, nicht zuletzt weil das Abrollverhalten nicht durch den Schuh beeinflusst wird. Resultat ist am Ende ein deutlich geringeres Verletzungsrisiko als bei Läufern mit „konventionellem“ Schuhwerk.

 

Bestätigung der Wirksamkeit

Unterstützt wurde diese These durch eine vergleichsweise groß angelegte Studie des Army-Baylor Univsersity Doctoral Program in Physical Therapy mit insgesamt 2.509 Teilnehmern. Diese wurden eingeteilt in drei Gruppen: „traditionell“ beschuhte Läufer, Nutzer von Minimalschuhen und Barfußläufer. Im Ergebnis lag das Verletzungsaufkommen der konventionellen Läufer um mehr 30 Prozent höher als etwa bei den Läufern mit Minimalschuhen. Das betraf Beschwerden der Hüfte, der Knie, des unteren Beines, der Gelenke und des Fußes. Minimalschuh- und Barfußläufer traten zudem eher mit dem Vorfuß auf als die Vergleichsgruppe mit traditionellen Schuhen. Insgesamt also eine Bestätigung der positiven Eigenschaften von Minimal- und Barfußschuhen.

 

Positive Wirkung nur mit Einschränkungen

Auch wenn sich die oben schon erwähnte Einschätzung, dass besonders der Fersenauftritt für eine größere Verletzungswahrscheinlichkeit sorgt, durch diese Studie erhärtet, so ist doch eine gewisse Vorsicht geboten. Das liegt in diesem Fall schon an der Methodik – die Informationen, auf denen die Ergebnisse beruhen, stammten aus anonymen Online-Umfragen. Dabei gibt es leider keinerlei Möglichkeiten, etwaige Vorannahmen der Teilnehmer auszuklammern, die zu einer tendenziösen Beantwortung führen.

Zehenschuhe, Minimalschuhe oder Barfußschuhe – sie alle sollen zur Stärkung von Füßen und Beinen und damit zur Senkung des Verletzungsrisikos beitragen. © piranha13 / fotolia.com
Zehenschuhe, Minimalschuhe oder Barfußschuhe – sie alle sollen zur Stärkung von Füßen und Beinen und damit zur Senkung des Verletzungsrisikos beitragen. © piranha13 / fotolia.com

Eine australische Studie, die sich mit dem Einfluss von Körpergewicht und wöchentlichem Trainingsumfang auf die Schmerz- und Verletzungsgefahr von Minimalschuhläufern befasste, kam erst kürzlich zu eher einschränkenden Ergebnissen, was die positiven Eigenschaften solcher Schuhe anbelangt. Die Erkenntnisse der Forscher von der University of South Australia in Adelaide:

  • Ein höheres Körpergewicht (ab 71 Kilogramm) steigert das Verletzungsrisiko in Barfußschuhen, insbesondere für Knie, Schienbeine und Waden. Dieses Risiko verdoppelt sich noch einmal ab einem Gewicht von 86 Kilogramm – über den Testzeitraum von 26 Wochen lag es bei 68 Prozent für die Barfußläufer ab 86 Kilo. In der Vergleichsgruppe mit konventionellen Schuhen lag die Gefahr bei lediglich 22 Prozent.
  • Zudem klagten die Läufer mit Barfußschuhen schon deutlich früher über Schmerzen (ab Woche 7), auch bei längeren Distanzen (ab 35 Kilometern in der Woche) wurden stärkere Schmerzen in den Knöcheln, Waden, Schienbeinen und Knien angezeigt.

Barfußschuhe sind daher möglicherweise doch nur für Läufer mit geringerem Körpergewicht geeignet – die Studie gibt in dieser Hinsicht ein Gewicht von 57 Kilogramm oder weniger an –, wenn das Verletzungsrisiko nachhaltig gesenkt werden soll. Für alle anderen Gewichtsklassen ist, falls überhaupt, eine schrittweise Gewöhnung an das veränderte Laufgefühl ratsam.

Zudem ist zu beachten, dass die Studie von trainierten Läufern ausging. Als Einstieg und um die unteren Extremitäten an die Belastung heranzuführen, wäre vorab die Verwendung von Schuhwerk mit wenigstens leichter Dämpfung ratsam. Bestehen schon starke Fehlstellungen oder sogar orthopädische Probleme, können Barfußschuhe diese ebenfalls noch verstärken. Diese sollten daher nur unter bestimmten Bedingungen und mit aller Vorsicht getragen werden.

 

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