Donnerstag, März 28, 2024

Risikobereitschaft ist eigenständiger Teil der Persönlichkeit

Vergleichbar mit der Intelligenz scheint auch die Risikobereitschaft ein eigenständiger Teil unserer Persönlichkeit zu sein.

Die Risikobereitschaft ist bei Menschen unterschiedlich, was sich je nach Lebensbereich anders ausdrücken kann. Anscheinend gibt es wie beim Intelligenzquotienten auch einen individuellen, allgemeinen Faktor der Risikoeinstellung, der über die Zeit beständig und Teil der jeweiligen Persönlichkeit ist. Darauf deuteten unlängst die Ergebnisse psychologischer Studien mit über 1500 Befragten hin.

 

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Im Grunde genommen müssen Menschen Entscheidungen im Wissen treffen, dass sie Konsequenzen haben und mit Risiken verbunden sind. Doch welches psychologische Konstrukt steht hinter unseren Risikoentscheidungen? Hängt unsere Risikobereitschaft davon ab, worum es sich handelt – was je nach Lebensbereich variiert –, oder ist sie weitestgehend gleichbleibend und Teil der Persönlichkeit eines Menschen? Beides ist richtig, zeigte unlängst eine gross angelegte Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und der Universität Basel.

Dafür untersuchten die Psychologen erstmals die Risikopräferenz von 1507 Erwachsenen im Alter von 20 bis 36 Jahren, und zwar mit drei verschiedenen Messansätzen: Selbstauskünfte über hypothetische Risikoszenarien, experimentelle Verhaltenstests mit finanziellen Anreizen sowie Angaben zu risikoreichem Verhalten im Alltag. Insgesamt 39 Tests hatten die Probanden innerhalb eines Tages zu absolvieren. Um zu prüfen, wie stabil die Risikoeinstellung über die Zeit ist, liessen die Wissenschaftler bei 109 Probanden die Tests nach sechs Monaten wiederholen. Bisherige Studien zur Risikoeinstellung beruhten meist auf einzelnen oder nur wenigen Messinstrumenten.

 

Risikobereitschaft als stabiler Teil der Persönlichkeit über die Zeit

«Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Risikobereitschaft ein ähnliches psychometrisches Muster hat wie psychologische Merkmale zur Persönlichkeit. Vergleichbar mit dem allgemeinen Faktor der Intelligenz gibt es auch einen allgemeinen Faktor der Risikobereitschaft», sagt Dr. Renato Frey von der Universität Basel und dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. «Das heisst, dass man in verschiedenen Lebensbereichen zwar unterschiedlich risikobereit sein kann, doch dass ein allgemeiner Faktor immer mitwirkt.» Für diese Erkenntnis spricht auch, dass dieser individuelle Faktor der Risikobereitschaft in den Tests über die Zeit stabil blieb.

Ein weiterer Befund der Studie ist, dass die hypothetischen Risikoszenarien und die Angaben zu risikoreichem Verhalten im Alltag ein ähnliches Bild einer Person lieferten. Abweichende Ergebnisse ergaben dagegen die experimentellen Verhaltenstests.

Eine Analyse dieser Unstimmigkeiten zeigte, dass die Probanden in verschiedenen Verhaltenstests teils sehr unterschiedliche Entscheidungsstrategien anwendeten. Diese waren wiederum abhängig von der Art der Verhaltensaufgaben – etwa ob Risiken eher spielerisch erfahrbar gemacht oder eher abstrakt dargestellt wurden. «Diese Ergebnisse zeigen, dass die von Ökonomen häufig bevorzugten Verhaltenstests oft ein inkonsistentes Bild der Risikobereitschaft von Menschen ergeben, die nur schwer mit einheitlichen Theorien zu Risikoverhalten erklärt werden können», sagt Prof. Dr. Jörg Rieskamp von der Universität Basel.

 

Risikoverhalten besser verstehen

Diese Resultate sind sowohl methodisch wie auch theoretisch bedeutsam. «Unsere Arbeiten sind ein Weckruf, die verschiedenen Messtraditionen zu hinterfragen. Und insbesondere besser zu verstehen, was genau die Verhaltenstests eigentlich messen. Sie scheinen jedenfalls keine Situationen übergreifende Risikopräferenz zu erfassen», so Prof. Dr. Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

«Die Entdeckung des allgemeinen Faktors der Risikobereitschaft – basierend auf Urteilen über sich selbst sowie Angaben zu risikoreichem Verhalten im Alltag – deutet allerdings darauf hin, dass Risikobereitschaft ein eigenständiger Teil unserer Persönlichkeit ist. In Zukunft erlaubt uns dieses Wissen, auch die biologischen Grundlagen von Risikobereitschaft besser zu untersuchen.»


Literatur:

Frey R, Pedroni A, Mata R, Rieskamp J, Hertwig R. Risk preference shares the psychometric structure of major psychological traits. Sci Adv. 2017 Oct 4;3(10):e1701381. doi: 10.1126/sciadv.1701381. PMID: 28983511; PMCID: PMC5627985.

Pedroni A, Frey R, Bruhin A, Dutilh G, Hertwig R, Rieskamp J. The risk elicitation puzzle. Nat Hum Behav. 2017 Nov;1(11):803-809. doi: 10.1038/s41562-017-0219-x. Epub 2017 Oct 2. PMID: 31024120.


Quelle: Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin, Universität Basel

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