Montag, April 22, 2024

Rezeptor CD95 auf Krebszellen löst Zelltod aus, oder regt das Krebswachstum an

Wenn der auf allen Krebszellen vorhandene Rezeptor CD95 aktiviert wird, so löst das den programmierten Zelltod aus, oder regt hingegen das Krebswachstum an.

Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum zeigten nun, wie sich die Rezeptor CD95-Aktivierung auswirkt. Es dabei hängt davon ab, ob es sich um vereinzelte Krebszellen handelt, oder um Zellen im dreidimensionalen Verbund. Einzelne Zellen sind nach CD95-Aktivierung dem Tod geweiht. Dagegen führt CD95-Aktivierung bei Krebszellen im Verbund, wie beispielsweise in soliden Tumoren, zu einem verstärkten Krebswachstum. Das Ergebnis weist neue Wege, um wachstumsfördernde Signale gezielt in Todessignale für die Krebszellen umzuwandeln.



 

CD95 Rezeptor: die kleinen Antennen auf der Oberfläche von Krebszellen

Wie kleine Antennen tragen alle Krebszellen auf ihrer Oberfläche das Rezeptor-Protein CD95. Wird dieser Rezeptor durch seinen Bindungspartner, den CD95-Liganden (CD95L), aktiviert, so löst dies den programmierten Zelltod (Apoptose) der Krebszelle aus – oder aber das genaue Gegenteil:

„Bei der Untersuchung verschiedener Krebsgewebe haben wir erkannt, dass CD95-Aktivierung unter natürlichen Bedingungen in der Regel das Tumorwachstum antreibt“, sagt Ana Martin-Villalba, die im DKFZ bereits seit vielen Jahren die Rolle von CD95 erforscht. Die Wissenschaftlerin hatte beim Glioblastom, einem bösartigen Hirntumor, die krebsfördernde Funktion von CD95 erstmals beschrieben.

 

Zelltod oder Zellwachstum durch die CD95-Aktivierung

Forscher denken intensiv darüber nach, wie sich die Medizin die andere Seite von CD95 zunutze machen könnte. Und man Krebszellen gezielt in den Tod treiben könnte. Dazu wollten Martin-Villalba und ihr Team zunächst verstehen, welche Faktoren darüber entscheiden, ob eine CD95-Aktivierung zu Zelltod oder Zellwachstum führt.

Dazu kooperierte das DKFZ-Team mit Motomu Tanaka von der Universität Heidelberg. Gemeinsam entwickelten die Forscher künstliche Zellmembranen, in die sie beliebige Mengen des CD95-Liganden einbauen konnten.

Mit dieser Methode stellten sie fest, dass ein bestimmter Abstand zwischen den einzelnen Liganden-Molekülen erforderlich ist, um CD95 optimal zu aktivieren. Und bei aus Biopsien von Bauchspeicheldrüsenkrebs oder Glioblastomen isolierten Zellen in der Kulturschale tatsächlich Zelltod auslöst.

 

Krebszellen sind im Verbund gefährlicher

Die Forscher gingen nun davon aus, damit das Patentrezept gefunden zu haben, um Tumorzellen im Körper in den Tod treiben zu können und dehnten ihre Versuche auf Hirntumoren in Mäusen aus. Sie verabreichten den Tieren Latex-Kügelchen, deren Oberfläche mit CD95-Liganden in der optimalen Dichte bestückt war. Doch statt des erwarteten Rückgangs an Tumormasse passierte das Gegenteil: Die Tumoren beschleunigten ihr Wachstum.



Um die scheinbare Diskrepanz zwischen Kulturschale und Tierexperiment zu klären, experimentierte man mit „Tumorsphären“, kleinen, in der Kulturschale gezüchteten Minitumoren. CD95-Aktivierung über die künstliche Zellmembran regte diese Zellkügelchen zum Wachstum an – sie zeigten ein Verhalten wie natürliches Tumorgewebe!

„Die Auswirkung der CD95-Aktivierung – Zelltod oder Wachstum – hängt offenbar in erster Linie davon ab, ob es sich um isolierte Krebszellen handelt, wie sie in der Kulturschale wachsen, oder um Zellen im dreidimensionalen Verbund“, erklärt Gülce Gülcüler aus Martin-Villalbas Team.

unter dem Strich sind jedenfalls einzelne Zellen nach CD95-Aktivierung dem Tod geweiht. In ihrer natürlichen Situation dagegen, also eingebunden in eine Gewebestruktur, ist die CD95-Aktivierung ein Wachstumsstimulus. Selbst der Kontakt zu einer einzigen Nachbarzelle reichte in Gülcülers Experimenten aus, um Tumorzellen vor CD95-induziertem Zelltod zu schützen.

 

Neue Strategien möglich

„Das Ergebnis ermöglicht uns, neue Strategien zu entwickeln, um die wachstumsfördernden Signale des CD95 in Todessignale für die Krebszellen zu verwandeln. So könnten wir der Tumorzelle die Chance nehmen, Resistenz gegen Therapien zu entwickeln“, so Studienleiterin Martin-Villalba.

Die Blockade des CD95-Signals kann zusätzlich zur Radiotherapie beim fortgeschrittenen Glioblastom zu einem verbesserten Überleben führen. Das zeigte bereits vor einigen Jahren eine klinische Studie der Phase II. Dabei wurde ein Wirkstoff eingesetzt, den Ana Martin-Villalba maßgeblich mitentwickelt hatte.

„Mit unseren aktuellen Ergebnissen konnten wir nun erstmals eine Erklärung dafür nachliefern, warum die CD95-Blockade das Krebswachstum tatsächlich bremst“, erklärt die Wissenschaftlerin.




Literatur:

Gülce S. Gülcüler Balta, Cornelia Monzel, Susanne Kleber, Joel Beaudouin, Emre Balta, Thomas Kaindl, Si Chen, Liang Gao, Meinolf Thiemann, Christian R. Wirtz, Yvonne Samstag, Motomu Tanaka and Ana Martin-Villalba. 3D cellular architecture modulates tyrosine kinase activity thereby switching CD95 mediated apoptosis to survival. Cell Reports, VOLUME 29, ISSUE 8, P2295-2306.E6, NOVEMBER 19, 2019. DOI: 10.1016/j.celrep.2019.10.054


Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

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