Freitag, April 19, 2024

RECAST – die prämierte, neue Schiene für Knochenbrüche

Das Immobilisationskonzept RECAST für Knochenbrüche beinhaltet eine neue Schiene aus kompostierbaren Kunststoffen, die man mehrfach nachformen kann.

Im Laufe der Ruhigstellung-Behandlung von Knochenbrüchen kann man die neuartige Schiene RECAST mehrfach nachformen. Beispielsweise wenn die Schwellung nachlässt. Möglich macht das der biobasierte Kunststoff Polymilchsäure, kurz PLA. Nach ihrer Nutzung ist die Schiene kompostierbar.

Jährlich muss man Millionen Menschen mit Frakturen ruhigstellen. Hinzu kommen vermutlich noch zwei bis vier Mal so viele Immobilisationen aus anderen Gründen. Etwa durch Infektionen, Zerrungen oder Stauchungen, die man statistisch nicht erfasst.

Herkömmliche Immobilisationsmethoden sind meist unbequem und schwer, anfällig für Geruchsbildung sowie aufwändig beim Anlegen oder auch energieintensiv. Eine nachträgliche Anpassung der Form war bis dato nicht möglich. Zudem sind sie nicht kompostierbar und erzeugen hunderte Tonnen Müll pro Jahr.

 

Das Immobilisationskonzept RECAST

Die Firma Nölle Kunststofftechnik hat daher das Immobilisationskonzept RECAST entwickelt, bei dem vorgeformte Schienen in verschiedenen Größen basierend auf dem biobasierten und bioabbaubaren Kunststoff PLA eingesetzt werden. Die Schienen werden auf 55 bis 65 °C erwärmt. Den nun formbare Kunststoff passt man dann an die entsprechende Körperstelle an. Etwa fünf Minuten dauert dieser Vorgang. Sollten Korrekturen notwendig sein, so erwärmt man die erhärtete Schiene einfach erneut. »Wir möchten den Anwendern in Arztpraxen und Krankenhäusern eine schnellere, saubere und vor allem individuelle Versorgung Ihrer Patienten ermöglichen. Für die Patienten soll die Schiene in erster Linie deutlich bequemer und leichter sein«, erklärt Anselm Gröning, Geschäftsführer der Nölle Kunststofftechnik GmbH. »Gleichzeitig war uns wichtig, einen Kunststoff einzusetzen, der Müll vermeidet, biologisch abbaubar, bezahlbar und nicht giftig ist«, so Gröning.

 

Materialentwicklung mit PLA – Vom Nachteil zum Vorteil

Bei der Entwicklung des optimalen Materials arbeitete der Kunststoffverarbeiter eng mit den Polymerentwicklern des Fraunhofer IAP in Potsdam-Golm zusammen. »Die Anforderungen an das Material waren vielschichtig. Beispielsweise sollte es nur eine halbe bis drei Minuten verformbar bleiben und danach bei Körpertemperatur hart und stabil werden. Die Form sollte zudem mehrfach nachjustiert werden können«, erklärt Helmut Remde, der Leiter des Verarbeitungstechnikums am Fraunhofer IAP.

Das Forscherteam entschied sich für den Einsatz von PLA als Basispolymer, einem Biokunststoff, der für die meisten Anwendungen einen großen Nachteil hat: Er wird bereits bei etwa 58 °C weich. »Für den Einsatz als orthopädische Schiene ist der niedrige thermische Erweichungspunkt von PLA ein großer Vorteil. Somit kann das Produkt mehrfach und schnell durch Erwärmen nachgeformt werden«, so Remde. Die Fraunhofer-Forscher kombinierten PLA mit geeigneten Füllstoffen und entwickelten eine Rezeptur, die alle Anforderungen erfüllte. Zudem stellten sie sicher, dass man das Material auch in industrierelevanten Mengen herstellen kann.

 

Bioabbaubares PLA spart Kunststoffabfall

Der Einsatz von PLA bringt noch einen weiteren entscheidenden Nutzen mit sich: Es ist bioabbaubar. Während der überwiegende Anteil an gängigen Immobilisationsmitteln große Mengen an Kunststoffmüll erzeugt, kann man die RECAST-Schienen im Industriekomposter biologisch abbauen. »Auf diesem Weg könnten etwa 80 Prozent Abfall vermieden werden. 20 Prozent des Kunststoffabfalls könnten zudem allein durch die Möglichkeit der Wiederverwendung eingespart werden«, erklärt Gröning. Aktuell würde diese Kompostierung allerdings nur beim Einsatz in Arztpraxen oder privat über die Biotonne funktionieren. Krankenhäuser haben eigene Müllkonzepte, bei denen Kompostierung nicht vorgesehen ist.

Um die Schiene für Patienten noch komfortabler zu machen, erhalten die RECAST-Produkte auch eine Vlies-Polsterung aus PLA und Viskose. Auch diese ist bioabbaubar.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

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