Freitag, April 19, 2024

Psychodynamische Psychotherapie bei Depression

Psychotherapie bei Depression gehört zum Standard in der Behandlung leichter Depressionen, vorweg soll ein ärztliches Gespräch geschehen.

Eine Depression ist eine krankhafte Störung beziehungsweise Krankheit der Affektivität eines Menschen. Sie geht mit einer beobachtbaren, beschreibbaren Symptomatik einher und ist von innerseelischen und/oder äußeren prädepressiven Ereignissen und Belastungen gekennzeichnet. Häufig gehören eine depressive Persönlichkeitsstruktur wie eine melancholischer Typus oder depressive Persönlichkeitszüge sowie depressive Verhaltensweisen, Rückzug und Negativismus, dazu. Aktuelle Richtlinien befürworten zunehmend Psychotherapie als Behandlungsoption bei Depressionen. Psychodynamische Psychotherapie-Modelle umfassen eine heterogene Gruppe von Interventionen, die Experten aus frühen psychoanalytischen Konzeptualisierungen ableiteten.

 

Unterschiedliche Grundlagen von Depressionen

Formen depressiver Episoden kommen aufgrund unterschiedlicher Grundlagen zustande. So kann beispielsweise das Scheitern eines Lebensentwurfes, wie das typisch männliche Lebenskonzept als „starker Ernährer“, eine klassische Verlustsituation (beispielsweise des Partners), der Verlust des Selbst- und des Fremdbildes sowie Hilf- oder Machtlosigkeit des eigenen Ichs zu einer depressiven Episode führen.

Dabei spielt die Psychodynamik eine besondere Rolle. Dabei ist das Wissen um die „Psychodynamik“ ein wesentlicher Bestandteil unseres Verstehens innerseelischer Vorgänge sowie ihrer Zusammenhänge mit internen und externen Lebensweltfaktoren. Psychodynamik meint die Beschreibung der innerseelischen Abläufe, die den Hintergrund des gesunden und gestörten Erlebens und Verhaltens bilden. Sie beruht im Wesentlichen auf der Persönlichkeits- und Krankheitslehre der Psychoanalyse beziehungsweise Tiefenpsychologie.


Psychodynamik und wichtige Aspekte der Depression sind:

  • hoher Zuwendungsbedarf („Oralität“), symbiotische Beziehung
  • mangelndes bzw. instabiles Selbstwertgefühl (narzisstische Störung), erhöhte Verletzbarkeit des Selbstwertgefühles
  • Ich-Insuffizienz, negatives Selbstbild, Zurückbleiben hinter eigenen bzw. internalisierten Idealbildern von sich, Einstellung von Hilflosigkeit
  • strenge, rigide Norm- und Leistungsorientiertheit (strenges Überich, Unfähigkeit zum Positionswechsel)
  • Hoffnungslosigkeit, fehlende Entwicklungs- (Zukunfts-) perspektive, Suizidalität
  • Aggressionsvermeidung, Fehlen von Zugreifenkönnen, indirekte Aggressivität, Forderung an Umfeld
  • Schuldgefühl, Versagensgefühl, Selbst- und Fremdanklage
  • „psychischer Schmerz“, als innerer Druck, Spannung der entkommen werden muss, Suizidalität
  • Schamgefühle, Beschämtsein (Scheitern am Ich-Ideal)

Hilfe durch Psychotherapie bei Depression

Psychotherapeutische Behandlungsangebote gehören heute zum Standard der therapeutischen Arbeit mit depressiv kranken Menschen. Bei leichten Depressionen ist zunächst ein ärztliches Gespräch angezeigt. Bei mittelschweren und schweren Depressionen ist die Kombination von Psychotherapie und Psychopharmakotherapie geboten. Zugelassene Verfahren sind

  • Psychoanalytische Psychotherapie bei Depression
  • Psychodynamische Psychotherapie (tiefenpsychologisch)
  • Kognitive Verhaltenstherapie
  • Interpersonelle Psychotherapie bei Depression
  • Gesprächspsychotherapie (wissenschaftliche klientenzentrierte Psychotherapie bei Depression)
  • Familientherapie
  • Zur Verfügung stehen Akut- und Langzeittherapieangebote. Eine Akuttherapie umfasst üblicherweise einen Zeitraum von acht bis zwölf Monaten ab Behandlungsbeginn insgesamt.

Medikamentöse Therapieoptionen sind: Antidepressiva, Anxiolytika, Hypnotika, atypische Neuroleptika sowie nichtmedikamentös Psychotherapie bei Depression, Psychoeduktion, Angehörigenarbeit. Ebenso kommen Ergotherapie, Leistungsdiagnostik, kognitive Therapie, kreative Therapie und Sport- und Bewegungstherapie, Soziotherapie, Sozialarbeit, Rehabilitative Behandlungsmaßnahmen und Selbsthilfegruppen zum Einsatz.

Eine Langzeittherapie hat unterschiedliche klinische Aspekte: Gabe von Psychopharmaka (Rezidiv- und Verschlechterungsprophylaxe), Langzeitbegleitung: Psychotherapie, Psychoedukation (Angehörige, Patient), Erwerbs-/Arbeitsfähigkeit: Beurteilung von Belastbarkeit, Dienstfähigkeit, gestufte Wiedereingliederung sowie Rehabilitation im eigentlichen Sinne bei chronischer Depression mit deutlicher „Minus“-Symptomatik (weiter bestehende Redukation von Antrieb und Leistungsfähigkeit). Ebenso werden die Situation der Angehörigen und Familien sowie Selbsthilfe-Konzepte einbezogen.


Literatur:

Ribeiro Â, Ribeiro JP, von Doellinger O. Depression and psychodynamic psychotherapy. Braz J Psychiatry. 2018 Jan-Mar;40(1):105-109. doi: 10.1590/1516-4446-2016-2107. Epub 2017 Jun 12. PMID: 28614491; PMCID: PMC6899418.

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