Freitag, April 19, 2024

Psychische Störungen bei Männern und Frauen geschlechtsspezifisch behandeln

Psychische Störungen sollten aufgrund der Unterschiede in der Verarbeitung von Fehlhandlungen bei Frauen und Männern geschlechtsspezifisch behandelt werden.

Im Grunde genommen reagieren Männer und Frauen unterschiedlich auf eigene Fehlhandlungen. Männer sind schneller und Frauen flexibler. Die Unterschiede sind so signifikant, dass sich durch Messen der Hirnströme das Geschlecht vorhersagen lässt. Psychische Störungen sollten aufgrund der gemessenen Unterschiede in der Verarbeitung von Fehlhandlungen bei Frauen und Männern geschlechtsspezifisch diagnostiziert und therapiert werden, meinen Forscher.

 

Geschlechtsspezifische Reaktionen auf Fehlhandlungen

Unlängst haben Neurowissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und der Universität Nottingham – bei 895 gesunden jungen Männern und Frauen mittels Messung der Hirnströme beobachtet. Und zwar, wie die Probanden auf gerade begangene, eigene Fehlhandlungen reagieren. Die Studienteilnehmer bekamen eine Aufgabe, die sie trotz ablenkender Reize wiederholt korrekt ausführen mussten.

Sobald Menschen einen Fehler machen, reagiert das Gehirn im Bruchteil einer Sekunde und ermöglicht es, das individuelle Verhalten effektiv anzupassen. Eine mögliche Reaktion besteht darin, nachfolgende Handlungen abzubremsen, um weitere Fehler zu vermeiden. Eine andere führt dazu, dass wir die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Reize richten und ablenkende Reize ignorieren.

Allein die Muster der fehlerbezogenen Hirnströme reichen aus, um – ohne die jeweilige Person zu sehen – ihr Geschlecht vorherzusagen.

Es zeigte sich, dass Männer die gestellten Aufgaben etwas schneller bearbeiten konnten. Gleichzeitig reagierten ihre Gehirne stärker auf Handlungsfehler als die der Frauen: Eine auf der Kopfoberfläche messbare Spannungsänderung – die so genannte Fehlernegativierung – war bei männlichen Probanden größer. Die weiblichen Studienteilnehmer passten stattdessen ihr Verhalten nach begangenen Fehlhandlungen flexibler an und verlangsamten ihre Reaktionen deutlich stärker als Männer. Allein die Muster der fehlerbezogenen Hirnströme reichen aus, um ohne die jeweilige Person zu sehen ihr Geschlecht vorherzusagen.

 

Psychische Störungen bei Männern und Frauen geschlechtsspezifisch untersuchen

Da die Häufigkeit vieler psychischer Störungen und Erkrankungen, die zu Fehlhandlungen führen, unterschiedlich auf Männer und Frauen verteilt ist, versteht man vielleicht die Geschlechtsunterschiede bei den Patienten auch besser, wenn man die Abweichungen bei Gesunden erklären kann. Die Fähigkeit, auf Fehler zu reagieren zeigt sich verändert unter anderem bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung oder der Schizophrenie. Daher erscheint es sinnvoll, verstärkt geschlechterspezifische Studien zu Ursachen, Diagnostik und Therapie dieser Störungen vorzunehmen.


Literatur:

Fischer AG, Danielmeier C, Villringer A, Klein TA, Ullsperger M. Gender Influences on Brain Responses to Errors and Post-Error Adjustments. Sci Rep. 2016 Apr 14;6:24435. doi: 10.1038/srep24435. PMID: 27075509; PMCID: PMC4831004.

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