Freitag, April 26, 2024

Protonenpumpeninhibitoren (PPI) nur nach eindeutiger Diagnose

Protonenpumpeninhibitoren (PPI), auch Magensäureblocker genannt, gehören zu den hierzulande am häufigsten eingenommenen Medikamenten.

Nach Angaben des aktuellen Arzneimittelverordnungs-Reports hat sich die Verordnung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI, Protonenpumpenhemmer) in den zurückliegenden zehn Jahren mehr als verdreifacht und lag 2015 bei rund 3,7 Milliarden definierten Tagesdosen (DDD, daily defined dose).



Protonenpumpeninhibitoren sind wichtige Medikamente, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Sie würden jedoch vielfach auch bei Beschwerden eingesetzt, für die sie nicht geeignet seien.

In jüngster Zeit mehren sich Hinweise, dass eine langfristige Einnahme von PPI mehr Nebenwirkungen verursachen könnte, als bislang bekannt. Eine Dauermedikation sollte deshalb nur unter ärztlicher Betreuung und bei klar abgesicherter Diagnose erfolgen, empfiehlt die DGVS.

 

Protonenpumpeninhibitoren (PPI), Protonenpumpenhemmer, verringern die Magensäure

Protonenpumpeninhibitoren (Protonenpumpenhemmer, umgangssprachlich auch Magensäureblocker oder Magenschutz) reduzieren die Bildung von Magensäure. „Diese Medikamente sind wirksam und wichtig zur Behandlung und Vorbeugung bestimmter säureassoziierter Magenerkrankungen wie beispielsweise der Refluxkrankheit, der gastroduodenalen Ulkuskrankheit, des Barrett-Ösophagus oder des Zollinger-Ellison-Syndroms“, erklärt DGVS-Experte Professor Dr. med. Matthias Ebert, Direktor der II. Medizinischen Klinik, Universitätsmedizin Mannheim.

„In manchen Fällen ist auch ihr Einsatz als ‚Magenschutz‘, also als Vorsorge von Magenblutungen, ausgelöst durch die langfristige Einnahme bestimmter Medikamente wie Acetylsalicylsaure oder nichtsteroidale Antirheumatika, sinnvoll und wichtig“, so der Gastroenterologe.

Zu häufig aber würden Protonenpumpeninhibitoren auch bei Beschwerden angewandt, bei denen ihr Nutzen nicht wissenschaftlich nachgewiesen sei. Hierzu zählt vor allem ein Reizmagen. „Ein Reizmagen-Syndrom ist nicht ganz leicht zu behandeln, denn seine Symptome und die Ursachen sind vielfältig. Aus Mangel an effizienten Therapien wird dann nicht selten auf PPIs zurückgegriffen“, so Ebert.

 

PPI und Magenbeschwerden

Die unkritische Einnahme von PPI bei unspezifischen und teils auch ernährungsbedingten Magenbeschwerden – etwa Aufstoßen, Völlegefühl oder Übelkeit – werde zudem dadurch begünstigt, dass die Medikamente auch freiverkäuflich in Apotheken abgegeben würden. Aus dem gelegentlichen Griff zu den PPIs kann schnell eine Dauereinnahme werden.

Im Grunde genommen kann es beim abrupten Absetzen eines PPI bei manchen Patienten zu einer überschießenden Produktion von Magensäure kommen. Und zwar treten dann die Symptome, gegen die das Medikament eingenommen wurde, eine gewisse Zeit lang sogar noch verstärkt auf. „Dies führt nicht selten dazu, dass Patienten das Medikament dann weiter einnehmen und langfristig dabei bleiben“, so Ebert.



 

Langzeittherapie von Protonenpumpeninhibitoren verursacht Nebenwirkungen

In jüngster Zeit mehren sich Hinweise und Studien, dass eine langfristige Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren – über mehrere Monate oder sogar Jahre – mit möglichen Nebenwirkungen assoziiert ist.

Zu den unter Wissenschaftlern diskutierten möglichen Risiken zählen insbesondere ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche und eine Veränderung der Darmflora.

Verschiedene Untersuchungen zeigten auch, dass bei langfristiger Einnahme von PPI die Rate an Darminfektionen mit Erregern wie Clostridium difficile oder Campylobacter zunahm.

„Hier muss man jedoch betonen: Bei vielen der vermuteten Nebenwirkungen ist die Studienlage bislang noch dürftig und teils auch widersprüchlich“, sagt DGVS-Pressesprecher Professor Dr. med. Christian Trautwein aus Aachen. Gesicherte Erkenntnisse gebe es bislang kaum – es brauche weitere, aussagekräftige Studien, um die aktuellen Hinweise zu belegen oder zu widerlegen.

 

Nutzen-Risiko-Verhältnis in Diskussion

„Dennoch müssen die aktuellen Hinweise Anlass dazu geben, die bislang recht unkritische Verschreibung und Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren zu überdenken“, betont Trautwein. Bislang waren PPIs für ein sehr gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis bekannt, weshalb die Verordnung oft sehr großzügig und die Indikationsstellung recht weit gefasst war – dies muss sich ändern.“

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten rät: Protonenpumpeninhibitoren sollten nicht langfristig – über mehr als zwei Monate – ohne eine eindeutige, gesicherte Diagnose, die eine PPI-Therapie unabdingbar erfordert, eingenommen werden.

Hierfür sei etwa ein Gastroenterologe der richtige Ansprechpartner. Von einer regelmäßigen Einnahme von PPIs ohne ärztliche Überwachung und klare Indikation rät die Fachgesellschaft ab.




Literatur:

Mössner, J, Magen-Darm-Mittel und Lebertherapeutika. In: Schwabe, U., Paffrath, D. (Hrsg), Arzneimittelverordnungs-Report 2016, Berlin Heidelberg: Springer 2016. http://www.springer.com/de/book/9783662503508

Ueberschaer, H., Allescher H.D., Protonenpumpenhemmer – Nebenwirkungen und Komplikationen der langfristigen Protonenpumpenhemmereinnahme, Z Gastroenterol 2017; 55(01): 63-74, DOI: 10.1055/s-0042-121265 https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0042-121265

Buendgens L, Bruensing J, Matthes M, Dückers H, Luedde T, Trautwein C, Tacke F, Koch A., Administration of proton pump inhibitors in critically ill medical patients is associated with increased risk of developing Clostridium difficile-associated diarrhea. J Crit Care. 2014 Aug; 29(4):696.e11-5. http://dx.doi.org/10.1016/j.jcrc.2014.03.002

Mössner, J, The indications, applications, and risks of proton pump inhibitors — a review after 25 years. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 477–83. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0477 http://www.aerzteblatt.de/pdf/113/27/m477.pdf


Quelle:

Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. 

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