Mittwoch, April 24, 2024

Probiotika sollen Risiko für Typ 1-Diabetes senken

Die frühzeitige Gabe von Probiotika kann bei Säuglingen das Risiko für die Entstehung von Typ 1-Diabetes bzw. für eine Insel-Autoimmunität deutlich reduzieren.

Die Einnahme von Probiotika senkte das Risiko der Entwicklung einer Insel-Autoimmunität bei Kindern mit einem genetischen Risiko für Typ 1-Diabetes um 34%. Die große Anzahl der untersuchten Probanden und das exzellente Ergebnis berechtigen zu großer Hoffnung.

Mit dem Begriff Diabetes mellitus (DM, griech. „honigsüßer Durchfluss“) bezeichnet man eine Gruppe von Stoffwechselkrankheiten, deren Hauptsymptom die Ausscheidung von Zucker im Urin ist. Die Mechanismen, die zunächst zu einer Überzuckerung des Blutes (Hyperglykämie) führen, setzen überwiegend am Insulin, dem zentralen Hormon des Zuckerstoffwechsels im menschlichen Körper, an. Man unterscheidet dabei einen absoluten Insulinmangel  von einem relativen Insulinmangel, bei welchem zwar Insulin vorhanden ist, welches jedoch in seiner Wirkung abgeschwächt ist (Insulinresistenz). Erzeugt wird Insulin in den β-Zellen der Langerhansschen Inseln in der Bauchspeicheldrüse. Als Botenstoff bewirkt es den Transport von Glukose ins Zellinnere, wo die Glukose anschließend zur Energiegewinnung verbraucht wird (Glykolyse).

Darüber hinaus bewirkt Insulin die Speicherung des Blutzuckers in Form von Glykogen in der Leber und in den Muskelzellen, wodurch der Blutzuckerspiegel auch nach der Aufnahme von Nahrung konstant gehalten wird (80–120 mg/dl). Wenn die insulinproduzierenden β-Zellen nicht mehr genug Insulin produzieren, fällt somit sowohl die Glukose-Aufnahme in die Körperzellen als auch die Glukose-Speicherung in der Leber weg. Die Leber produziert dann bis zu 500g Glucose pro Tag, was den permanent erhöhten Blutzuckerspiegel bei Diabetikern erklärt (z.B. auch am frühen Morgen im nüchternen Zustand, Dawn-Phänomen). Darüber hinaus ist Insulin das einzige Hormon des menschlichen Körpers, das Körperfett aufbaut und dafür sorgt, dass dieses Fett in den Depots bleibt (adipogene Wirkung). Kennzeichen eines schweren Insulinmangels ist daher eine extreme Gewichtsabnahme durch den Abbau von Körperfett und Muskeleiweiß zur Energiegewinnung.

 

Insulitis – Verlust der β-Zellen der Bauchspeicheldrüse

Bei der Zuckerkrankheit vom Typ 1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem im Rahmen einer als Insulitis bezeichneten Entzündungsreaktion die insulinproduzierenden β-Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört. Dieser Verlust der β-Zellen führt zu einem wachsenden Mangel an Insulin. Erst wenn ca. 80–90 % der β-Zellen zerstört sind, manifestiert sich der Typ 1-Diabetes. Bislang sind mehr als 20 Gene identifiziert worden, für die ein Zusammenhang mit der Entstehung von Typ-1-Diabetes nachgewiesen werden konnte. Insbesonders genetische Veränderungen der sogenannten MHC-Region auf Chromosom 6 konnten für die Entstehung vonTyp 1-Diabetes verantwortlich gemacht werden. Die Gene dieser Region (HLA-A, HLA-B) beinhalten genau jene Erbinformationen für Proteine auf der Oberfläche von Körperzellen, welche dem körpereigenen Immunsystem als Unterscheidungsgrundlage gegenüber körperfremden Zellen dienen. Typ 1-Diabetes tritt am häufigsten zwischen dem 11. und 13. Lebensjahr auf und wird daher auch Jugenddiabetes genannt.

 

Wie kommt es zu einer Autoimmunreaktion?

Zu einer Autoimmunreaktion kommt es, wenn das Immunsystem einem körperfremden Antigen ausgesetzt wird, welches einem körpereigenen Oberflächenprotein ähnelt oder gleicht (molekulares Mimikry). Die entstehende Immunantwort richtet sich danach zugleich gegen das Fremdantigen wie auch gegen die vorhandenen Eiweiße auf den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse (Kreuzreaktivität). Heute wird angenommen, dass eine Exposition mit bestimmten Fremdantigenen in den ersten Lebensmonaten das Immunsystem so verändert, dass die Entstehung von Typ-1-Diabetes begünstigt werden kann.

Eine rezente klinische Studie zeigt, dass vor allem Atemwegsinfektionen im Säuglingsalter mit einem späteren Typ 1-Diabetes in Verbindung gebracht werden können. Aber auch der Konsum von Kuhmilch in den ersten drei Lebensmonaten bei Kindern mit nur kurzer Stillzeit könnte einen Einfluss ausüben sowie die frühe Exposition gegenüber dem Protein Gluten, das in verschiedenen Getreidesorten vorkommt. Eine durch Glutenkonsum entstehende, spezielle Darmflora wurde auch als Ursache für die Entwicklung von Hyperglykämie und Typ-1-Diabetes in Mäusen nachgewiesen.

 

Positiver Einfluss von Probiotika auf das Immunsystem

Da es durch wissenschaftliche Untersuchungen immer mehr Nachweise dafür gibt, dass Probiotika die Antwort des Immunsystems auf Umwelteinflüsse positiv beeinflussen können, entstand die Hypothese, dass ausgewählte, probiotische Bakterien gezielt dazu genutzt werden könnten, um der Entstehung eines Typ 1-Diabetes (T1DM), der aus einer Autoimmunitätserkrankung der Langerhansschen Inseln hervorgeht, vorzubeugen.

Erklärtes Ziel einer aktuellen klinischen Studie war somit die Untersuchung der Beziehung zwischen der Gabe von Probiotika während des ersten Lebensjahres und der Entstehung einer Insel-Autoimmunität bei Kindern mit erhöhtem genetischem Risiko für Typ 1-Diabetes (Uusitalo 2016). In einer kontinuierlich fortlaufenden Untersuchung, die am 1. September 2004 gestartet worden war, wurden Kinder aus 6 internationalen klinischen Zentren in den USA, Finnland, Deutschland und Schweden auf T1DM-bezogene Autoimmunantikörper untersucht. Zwischen dem 3. und 48. Lebensmonat wurden alle 3 Monate Blutproben genommen und danach weiter alle 6 Monate, um das Auftreten von persistent gewordenen Insel-Autoimmunitäten zu prüfen. Zusätzlich wurden Details der Ernährung der Kinder, einschließlich der Verwendung von Säuglingsfertignahrung, vom Tag der Geburt an mittels Fragebögen und Tagebüchern aufgezeichnet.

Im Anschluss setzte man eine Ereigniszeitanalyse (time-to-event analysis) ein, um die Beziehung zwischen der Verwendung von Probiotika und der Verhinderung einer Insel-Autoimmunität zu untersuchen, getrennt nach Land und korrigiert für die folgenden Einflussfaktoren: T1DM-Familiengeschichte, HLA-DR-DQ Genotyp, Geschlecht, Geburtenfolge, Art der Niederkunft, Ausmaß des Stillens, Geburtsjahr, Einsatz von Antibiotika, Häufigkeit von Durchfällen, Alter der Mutter, Rauchen. Insgesamt wurden auf diese Weise 7.473 Kinder mit dem fraglichen Genotyp in die Langzeitstudie aufgenommen.

Das Ergebnis war mehr als deutlich: Die frühzeitige Gabe von Probiotika im Alter zwischen 0 und 27 Tagen ging mit einem signifikant reduzierten Risiko einer Insel-Autoimmunität einher im Vergleich zur Gabe von Probiotika erst nach Tag 27 bzw. keiner Probiotikagabe (Hazard-Ratio [HR]: 0.66; 95%CI, 0.46-0.94). Dieser positive Effekt trat nur bei Kindern auf mit dem DR3/4 Genotyp (HR, 0.40; 95%CI, 0.21-0.74) und fehlte bei den restlichen Kindern (HR, 0.97; 95%CI, 0.62-1.54).

 

Quelle:

Probiotika-Monitor März 2016, www.omni-biotic.com;

Literatur:

Uusitalo U, Liu X, Yang J, et al. Association of Early Exposure of Probiotics and Islet Autoimmunity in the TEDDY Study. JAMA Pediatr 2016;170:20-8.

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