Eine Pollenallergie betrifft den gesamten Körper, Pollenallergiker leiden nicht nur an typischen sichtbaren Symptome, auch ihr Blutbild verändert sich.
Eine Pollenallergie betrifft den gesamten Körper. Die typischen sichtbaren Symptome sind oft nur die Spitze des Eisbergs: sind Pollenallergiker ihren Allergie-Auslösern ausgesetzt, verändert sich auch das Blutbild. Hier spielt die rechtzeitige und exakte Diagnose eine ganz entscheidende Rolle für den weiteren Verlauf der Erkrankung. Moderne Verfahren, die auf molekularer Ebene ansetzen, gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung. Schnell und wenig belastend können sie gerade bei Kindern oder bei älteren Menschen eine Sensibilisierung schon früh anzeigen und wichtige Informationen für eine zielgerichtete Therapie liefern.
Pollenallergiker: Heuschnupfen, allergische Rhinitis
„Heuschnupfen“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für die medizinische Diagnose allergische Rhinitis und meint die allergische Reaktion, die durch Kontakt mit Pollen hervorgerufen wird. Eine rinnende oder eine permanent verstopfte Nase, Augenjucken und Niesen sind die Beschwerden, mit denen Allergiker dann während des Pollenfluges zu kämpfen haben.
Wenngleich der Pollenflug auch zeitlich begrenzt ist, ist das Ausmaß einer unbehandelten allergischen Rhinitis deutlich größer, die Lebensqualität leidet enorm. So berichten Pollenallergiker von Einschränkungen in ihren täglichen Aktivitäten: Tätigkeiten, die für einen gesunden Menschen selbstverständlich sind, werden für Pollenallergiker zur Belastung. Die blockierte Atmung verschlechtert dazu die Schlafqualität, was sich auf die Leistungsfähigkeit tagsüber auswirkt – berufliche und schulische Erfolge leiden. Schließlich können die Beschwerden chronische Nasennebenhöhlen und -stirnentzündungen verursachen, in Richtung Lunge wandern und Asthma verursachen. Etwa ein Viertel aller Pollenallergiker mit unbehandeltem Heuschnupfen entwickeln im Laufe der Zeit Asthma bronchiale.
Verändertes Blutbild
Rhinitis und Asthma sind die sichtbaren Symptome. Allerdings sind sie „nur“ die Spitze des Eisbergs. Laut zwei Wiener Studien kommt es zusätzlich zu einer Veränderung des Blutbildes, wenn Allergiker ihren Beschwerde-Auslösern ausgesetzt sind., Die Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die den Sauerstoff aus der Lunge durch den Körper transportieren, sinkt im peripheren Blut während der Allergenexposition signifikant ab, auf ein Ausmaß einer leichten Anämie. Zu wenige rote Blutkörperchen führen zu einer Mangelversorgung des Gewebes mit Sauerstoff. Typische Symptome sind Blässe, Müdigkeit, Atemnot, Schwäche, Schwindel oder Kopfschmerz – das Krankheitsgefühl bei Allergie-Symptomen verstärkt sich. Auf der anderen Seite kommt es, ähnlich wie bei einer Infektion, gleichzeitig zu einem deutlichen Anstieg an Leukozyten (weiße Blutkörperchen), die sonst für die Abwehr von Krankheitserregern zuständig und die „Wächter“ unseres Körpers sind. Sie sollen offenbar die Allergene als vermeintliche Angreifer unschädlich machen.
Pollenallergiker – Abklärung und fachärztliche Diagnostik beim Fachmann
Durchschnittlich vergehen sechs bis neun Jahre (!), bis ein Pollenallergiker beziehungsweise Heuschnupfen-Patient zu einer fachgerechten Diagnose und Behandlung kommt. Diese Zeitspanne gilt es zu verkürzen! Wenn also die Beschwerden mehrere Wochen lang nicht abklingen und jedes Jahr etwa zur gleichen Zeit, bei Gartenarbeit oder Sport im Freien auftreten, sollten sie durch einen allergologisch versierten Facharzt für Haut-, HNO-, Lungen- oder Kinderkrankheiten abgeklärt werden.
Die Diagnose einer Pollenallergie basiert auf den drei Säulen Anamnese, Hauttest und Blutscreening. Erster und sehr wichtiger Schritt ist das ausführliche Gespräch mit dem Arzt, bei dem die Beschwerden mit möglichen Allergieauslösern in Zusammenhang gebracht werden. Danach folgen zumeist die bewährten Hauttestungen mit Allergenextrakten. Dabei wird dem Verdacht aus dem Arzt-Patienten-Gespräch nachgegangen und geprüft, ob der Körper bei Kontakt mit dem Allergen tatsächlich mit Beschwerden auf der Haut reagiert. Dem Patienten werden dabei geringe Mengen eines Allergen-Konzentrats auf die Haut getropft und leicht in die oberste Hautschicht geritzt. Eine allergische Reaktion äußert sich innerhalb weniger Minuten durch eine juckende Quaddel, ähnlich einem Gelsenstich. In der Regel wird auf 10 bis 20, in den USA bis 50 Allergene im Hauttest gescreent. Für Kleinkinder, alte Menschen oder Patienten mit atopischen Ekzemen (Neurodermitis) kann der Hauttest jedoch schlechter geeignet sein.
In Europa fallen Allergene für die Diagnostik genau wie Therapeutika unter das Arzneimittelgesetz und brauchen eine Marktautorisierung, wofür das deutsche Paul-Ehrlich-Institut zuständig ist. Durch diese strenge Therapieallergene-Verordnung sind daher auch in der Diagnostik Engpässe zu erwarten bzw. schon eingetreten. Zwar wird es dann qualitativ hochwertigere Produkte für Hauttests und Therapien geben, aber es wird nicht mehr die gewohnte Vielfalt zur Verfügung stehen.
Spurensuche im Blut
Auch aus diesem Grund wird die Blutuntersuchung künftig einen noch höherer Stellenwert bekommen. Bei diesem Screening wird dem Patienten eine Blutprobe entnommen und im Labor die Konzentration von IgE-Antikörpern gemessen. Diese Antikörper werden bei Überempfindlichkeitsreaktionen des Immunsystems gegen vermeintlich gefährliche Stoffe, z.B. aus Pflanzenpollen, gebildet. Sie sind sozusagen die „Biomarker der Allergie“. Können spezifische IgE-Antikörper nachgewiesen werden, ist das ein Hinweis auf eine manifeste Allergie oder auf eine Sensibilisierung noch ohne Symptome, was ein Hinweis darauf ist, dass eine klinisch relevante Allergie bereits im Entstehen sein kann – je mehr spezifisches IgE, desto wahrscheinlicher ist dies.
Molekulare Allergologie: Neues diagnostisches Rüstzeug bewährt sich
Die Blutuntersuchung hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und verbessert. Besonders genau ist die sogenannte Komponenten-basierte Diagnostik. Hier können nicht nur die Allergie-Auslöser als Ganzes untersucht werden – ein Allergenextrakt besteht aus vielen Bestandteilen – sondern es lässt sich ganz gezielt herausfinden, gegen welche einzelnen Moleküle in dieser Mischung der Patient reagiert.
Diese Errungenschaft hilft, Exposition gegen Umweltallergene festzustellen und unterstützt ein sehr zielgerichtetes und rasches Identifizieren des beschwerdeauslösenden Allergens.
Diese moderne Form der Diagnostik kann auf zwei unterschiedliche Arten durchgeführt werden: durch Analyse einzelner Allergene oder mittels Allergen-Mikrochip, der aus nur einem Blutstropfen in einem Durchgang IgE gegen über 100 Allergene screent. Beide Tests weisen Antikörper schon nach, wenn noch gar keine Symptome erkennbar sind (Sensibilisierung). Abgestimmt mit den berichteten Beschwerden kann die Therapie punktgenau eingesetzt werden. Neue Studien stimmen optimistisch, dass in Zukunft auch prophylaktische Allergen-Immuntherapien zum Einsatz kommen können.
Die Diagnostik mit Extrakten und einzelnen Allergen-Komponenten kann österreichweit in allen Allergiezentren durchgeführt werden. Die Krankenkasse zahlt Tests auf fünf Allergene pro Quartal. Der Allergen-Chip erlaubt ein breites Screening, wird aber nur in einigen spezialisierten Zentren angeboten, die Kosten für diese moderne Testung müssen Patienten selbst tragen.
Immer mehr Pollen-Sensibilisierungen
Die frühe Erkennung einer Pollenallergie ist auch insofern wichtig, da Sensibilisierungen gegen Pollen zunehmen. So zeigte etwa eine schwedische Studie, dass 30 Prozent aller Kinder im Alter von 7-8 Jahren einen positiven Hauttest bei Pollenallergenen aufweisen. Im Alter von 11-12 Jahren reagieren sogar 41 Prozent. Eine österreichische Studie mit dem Allergen-Chip zeigte, dass bereits mehr als jeder Vierte im Alter zwischen 12-21 Jahren eine Sensibilisierung allein gegen Gräserpollen hat, gegen Birkenpollen ist jeder Sechste (16,3%) sensibilisiert. Die Zeit bis zur Diagnose muss verkürzt werden. Dabei helfen neue Technologien und Services wie sie der Österreichische Pollenwarndienst anbietet.
Literatur:
- Jordakieva G, et al. (2014). PLoS One;9(1):e86701
- Jordakieva G. et al. SREP 7:2555, 2017
- Bunne et al., J Allergy Clin Immunol Pract. 2017 Mar – Apr;5(2):457-463.e1
- Stemeseder et al. Allergy. 2017 May;72(5):754-763
Quelle:
»Pollen machen Allergiker krank« von Univ.- Prof. Dr. Erika Jensen-Jarolim, Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung, MedUni Wien, Interuniversitäres Messerli Forschungsinstitut