Donnerstag, April 18, 2024

Pollenallergien – oft belasten die ersten Pollen bereits im Winter die Atemwege

Pollenallergien sind häufige, entzündliche Erkrankungen der Atemwege – die ­Klinik reicht von leichter ­Rhinitis oder Konjunktivitis bis zu schwerem Asthma bronchiale.

Die Pollenallergie (Pollinose) hat die Wissenschaft erstmals im 19. Jahrhundert beschrieben, wobei die Erkrankung der Atemwege in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dramatisch häufiger auftritt. Im Grunde genommen sind heute Millionen von Menschen betroffen. Die Symptomatik der Pollenallergien tritt typischerweise ­saisonal, ausschließlich ­während der Blüteperiode bestimmter Pflanzen, auf. Die Behandlung erfolgt durch Allergenkarenz, symptomatische Therapie, und spezifische Immuntherapie.

 

Pollenallergien – die häufigsten inhalativen Allergien

Epidemiologische Studien belegen eindeutig, dass Immunglobulin-E(IgE)-vermittelte Allergien in der westlichen Welt zunehmen. In unseren Breiten sind rund 20% der Bevölkerung betroffen. Meistens manifestieren sich Allergien an den Atemwegen als allergische Rhinitis, Rhinoconjunctivitis oder allergisches Asthma.

Am häufigste Form dieser inhalativen Allergien sind Pollenallergien, oder Pollinose. Pollenallergien sollte nie bagatellisiert werden. Es handelt sich dabei um eine Systemerkrankung des Immunsystems, die sich in verschiedenen Formen und an vielen Organen manifestieren kann.

Die Symptome reichen von »unangenehm« bis zu gefährlich. Meistens ist die Lebensqualität der Betroffenen signifikant reduziert. Eine unzureichende Therapie führt oft zu einer progredienten Verschlechterung der Symptomatik. So kann sich aus einer allergischen Rhinitis mit der Zeit eine chronische obstruktive Lungenerkrankung (Bronchitis, Asthma) entwickeln.

 

Adäquates Vorgehen bei Verdacht auf Pollenallergie und die wichtigsten Maßnahmen bei der Behandlung

Die Pflanzen, die im Zusam­menhang mit Pollenallergie von Bedeutung sind, gehören zu den Windbestäubern (anemophile Pflanzen). Sie geben Pollen in großer Menge an die Außenluft ab und übertragen so das männliche Erbgut ihres Organismus. Die Außenluft füllt sich während der entsprechenden Blüteperiode mit Pollenkörnern. In diesem Sinne geben Pollenmessgeräte die Konzentration der Pollenkörner pro Kubikmeter an. Das ist hierzu ein Wert, der die Belastung der entsprechenden Person mit Pollenallergie widerspiegelt.

Es ist also für Menschen mit Pollenallergie empfehlenswert, sich regelmäßig über den aktuellen Pollenflug zu informieren. Beispielsweise auf einschlägigen Internetseiten oder über andere Quellen. Wichtig sind die geographischen Verhältnissen sowie die spezifischen Blühperioden der einzelnen Pflanze. Daraus ergibt sich, dass Pollenallergien einen charakteristischen saisonalen Verlauf haben. Pollenallergien kann man daher bereits bei Kenntnis dieses Blütekalenders schon durch gründliche Anamnese erkennen. Wobei es in Mitteleuropa drei für Pollenallergien relevante Blütephasen gibt.

 

Die Frühblüher

Schon mit den ersten warmen Tagen des Jahres beginnt die Blütezeit. In Mitteleuropa sind die häufigsten Allergieauslöser im frühen Frühjahr die Pollen der Bäume und Sträucher der Ordnung Fagales. Die wichtigsten Pollen in diesem Zusammenhang stammen von Erle, Hasel und Birke, es besteht fast eine 100%ige Kreuzreaktivität. Außerhalb dieser botanischen Gruppe wäre nur die Esche (Fraxinus) als ernst zu nehmender Produzent allergieauslösender Baumpollen zu nennen.

Pollenkonzentrationen von Frühblühern, die zu Symptomen führen, liegen (abhängig von der Wetterlage) meist ab März vor. Infolgedessen erreichen die Beschwerden ihren Höhepunkt mit der Birkenblüte im April. Die Blüte ist von Höhenlage und Klima abhängig, sodass im alpinen Teil Österreichs eine Verzögerung von 1–2 Wochen einkalkuliert werden sollte. Eine Pollen­allergie gegen Baumpollen ist oft – auf Basis einer Kreuzreaktion – mit einer Nahrungsmittelallergie gegen Steinobst und Nüsse verbunden.

 

Gräser/Getreide

Im späten Frühjahr, etwa ab Mitte Mai, blühen die Gräser. Es existieren viele verschiedene Spezies. Viele Sorten, inklusive der Getreidekulturen, sind weltweit verbreitet, was manchmal bei Urlaubsreisen in warme Länder zu Allergie-Überraschungen führen kann. Denn es besteht eine ausgeprägte immunologische Kreuzreaktivität zwischen den Hauptallergenen aller Gräser und Getreide, und diese Allergie ist die häufigste Allergie (der klassische »Heuschnupfen«) überhaupt.

 

Pollenallergien durch Spätblüher

Bei den Spätblühern handelt sich in erster Linie um Pollen von Kräutern. Wobei aber nur wenige Kräuter tatsächlich Windbestäuber sind. Die wichtigsten Allergieauslöser sind Mitglieder der Familie der Korbblütler (Asteraceae, veraltet Compositae). Der Beifuß ist eine Pflanzenart in der Gattung Artemisia. Die Pflanze wird 2–3m hoch, wächst wild und wird einerseits als Unkraut betrachtet, andererseits aber auch als Gewürzkraut und zur Herstellung diverser Extrakte genutzt. Die Blüte findet zwischen Juli und September statt.

Ragweed (Traubenkraut, Ambrosia) ist ein neuerer Allergieauslöser in unserem Land. Die Pflanze breitet sich, ausgehend von der pannonischen Tiefebene, hauptsächlich im Osten Österreichs aus. Die Anzahl der Ragweedallergiker nimmt kontinuierlich zu. Charakteristisch für diese Allergie sind saisonale inhalative Symptome im Spätsommer, die bis in den Oktober anhalten.

 

Diagnostik von­ ­Pollenallergien

Gerade bei der Identifizierung von Pollenallergien ist die eingehende allergologische Anamnese entscheidend. Die Kenntnis des Blühkalenders und ein Überblick über den Verlauf der aktuellen Pollensaison erlauben meist, schon anhand der Informationen des Patienten eine gute Hypothese zu formulieren. Diese wird dann mittels Allergietest bewiesen. Die Spezifität und Sensitivität der Hauttests ist für Pollenallergie ausgezeichnet. Endgültiger Beweis und Quantifizierung der Allergiestärke erfolgt durch den Nachweis und die Messung von Allergen spezifischen IgE Antikörpern im Blutserum.

 

Therapie von Pollenallergien

Unter dem Strich ist eine Allergenkarenz im Falle von Pollenallergien oft nicht möglich. Wann immer möglich, sollten Betroffene deswegen ihren Urlaub vorausschauend planen. Dementsprechend sollten sie das Land zur Blütezeit verlassen. Damit sollten sie die Spitzenblühzeit in einer pollenfreien Zone (Gebirge, Meer) verbringen. Weiter ist es sinnvoll, Autolüftungen mit Pollenfiltern zu versehen.

Außerdem sollte man Sport im Freien möglichst im Wald (Filterwirkung) betreiben. Zudem können auch Sonnenbrillen vor Pollen schützen. Kleidung und Haare »fangen« Pollen und sollten häufig gewaschen werden.

Häufiges Lüften und schlafen bei offenem Fenster erlaubt es den Pollen, in den Wohnbereich einzudringen und ist daher auch zu reduzieren. Pollenundurchlässige Fenstergitter können dieses Problem lösen. Zigarettenrauch reizt die Schleimhäute der Atemwege und fördert die Symptome einer Allergie.

 

Symptomatische Therapie

Die symptomatische Therapie der Pollenallergien besteht aus einer Basistherapie mit einem nicht-sedierenden Antiallergikum. Dieses sollte man während der Blütezeit täglich einnehmen. Zudem können lokale Behandlungen helfen. In leichten Fällen sind das lokal wirksame Antihistaminpräparate. Allerdings sollte man bei stärkeren Beschwerden topische Steroide verschreiben. Diese wirken ausgezeichnet und werden gut vertragen.

Wenn Asthma auftritt ist natürlich zusätzlich eine inhalative Therapie (am besten mit einem langwirksamen Betamimetikum kombiniert mit einem Kortikoid) indiziert. Die spezifische Immuntherapie (SIT) ist die einzige Kausaltherapie für inhalative Allergien. Die Pollenallergien ist eine ausgezeichnete Indikation für die spezifische Immuntherapie. Im Grunde genommen leitet man die Behandlung der Pollenallergie im Herbst ein. Damit erst nach dem Ende der Pollenbelastung.

Die spezifische Immuntherapie besteht in der regelmäßigen und hochdosierten Zufuhr standardisierter Extrakte mit Allergenen. Mit der Zeit (Dauer der Therapie: mindestens drei Jahre) entwickelt sich eine Toleranz. Wobei diese zu einer wesentlichen Verbesserung, oft sogar zur Beschwerdefreiheit führt. Die Pollenextrakte werden dabei entweder subkutan oder oral (»sublinguale Immuntherapie«; SLIT) verabreicht.


Literatur:

Mendy A, Zeldin DC. Phl p 4: An early indicator of grass pollen allergy? J Allergy Clin Immunol. 2020 Jun;145(6):1556-1557. doi: 10.1016/j.jaci.2020.04.011. PMID: 32507232.

Smith M, Berger U, Behrendt H, Bergmann KC. Pollen and pollinosis. Chem Immunol Allergy. 2014;100:228-33. doi: 10.1159/000358743. Epub 2014 May 22. PMID: 24925402.

D’Amato G, Spieksma FT, Liccardi G, Jäger S, Russo M, Kontou-Fili K, Nikkels H, Wüthrich B, Bonini S. Pollen-related allergy in Europe. Allergy. 1998 Jun;53(6):567-78. doi: 10.1111/j.1398-9995.1998.tb03932.x. PMID: 9689338.


Quelle: Pollenallergien. Univ.-Doz. Dr. Christof Ebner. MEDMIX 1/2007.

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