Donnerstag, März 28, 2024

Pharmakotherapie psychischer Erkrankungen im Alter

Ein veritables Problem der Pharmakotherapie psychischer Erkrankungen im Alter ist, dass ältere Patienten überdurchschnittlich viele Psychopharmaka einnehmen.

Im Zusammenhang mit der Pharmakotherapie psychischer Erkrankungen im Alter stehen die 3Ds Demenz, Depression und Delir im Fokus. Eine Demenz beginnt mit verminderter Denkleis­tung, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen und war ursprünglich vor allem Gegenstand der Neurologie. Doch in in den letzten Jahrzehnten fällt die Demenz in das Fach der Psychiatrie.

 

Acetylcholinesterase-Hemmer als Pharmakotherapie psychischer Erkrankungen im Alter

Die klinische Symptomatik der Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT) ist die Folge einer zunehmenden Neuronendegeneration mit entsprechendem Verlust von Synap­sen. Die irreparablen Veränderungen von Struktur und Biochemie gehen mit einem schweren Verlust an Gehirnsubstanz von bis zu 20% einher. Besonders betroffen sind kortikale Neurone (inklusive Hippocampus), wobei auch das Vorkommen von Acetylcholin reduziert ist, sowie weitere Störungen im Neurotransmitterhaushalt von Glutamat, Noradrenalin und Serotonin vorliegen. In diesem Zusammenhang ist es als äußerst positiv zu bewerten, dass es bei Behandlung mit dem Acetylcholinesterase-Hemmer Donepezil zu einer signifikant geringeren hippocampalen Volumenreduktion kommt.

Auch auf der Verhaltensebene erweisen sich die Acetylcholinesterase-Hemmer als durchaus wirksam, werden doch Störungen wie Neigung zu Stereotypie, Wendetrieb oder aggressives Verhalten deutlich gebessert. So kommt es beispielsweise unter Galantamin zu einer 58%igen Reduktion verbaler Wiederholungen im Vergleich zu 24% bei Placebo. Auch eine Verzögerung der Heimeinweisung kann nachgewiesen werden.


Eine lebenslange Cholin-reiche Ernährung könnte Alzheimer verhindern

Mit zwei Eier am Tag deckt man die empfohlene Menge an Cholin. In der Studie gegen Alzheimer kam allerdings die 4,5-fache Menge zum Einsatz. © BorisKotov / shutterstock.com
Mit zwei Eier am Tag deckt man die empfohlene Menge an Cholin. In der Studie gegen Alzheimer kam allerdings die 4,5-fache Menge zum Einsatz. © BorisKotov / shutterstock.com

NMDA-Rezeptor-Antagonisten

Auch der Einsatz von NMDA-Rezeptor-Antagonisten, wie Memantin, ist durchaus positiv zu beurteilen, denn es kommt nachweislich zu einer Verbesserung von Kognition, Verhalten und die Progression der Alzheimer-Demenz kann reduziert werden. Die Wirkung ist nicht fulminant, aber doch beachtenswert. Memantin hemmt nicht kompetitiv den NMDA-Rezeptor, dadurch wird die durch diesen vermittelte Freisetzung von Acetylcholin in nigrostriatalen Regionen vermindert und in der Folge das gestörte Konzentrationsgleichgewicht zwischen Dopamin und Acetylcholin verbessert.

Gerade in den am stärksten belastenden Aspekten wie Agitiertheit, Aggression, Reizbarkeit und Labilität sowie bei Wahnvorstellungen zeigt Memantin statistisch signifikante Wirkung. Im Gegensatz zu Acetylcholin­esterse-Hemmer, welche vor allem in der Titrationsphase Übelkeit und Erbrechen verursachen können, zeigt Memantin kaum gastrointestinale Nebenwirkungen, kann aber zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel und Halluzinationen führen.


Pseudodemenz – die maskierte Depression – von Alzheimer abgrenzen

Die Unterscheidung von Alzheimer und einer depressiven Pseudodemenz ist für Patienten im Sinne der Therapie essenziell.
Die Unterscheidung von Alzheimer und einer depressiven Pseudodemenz ist für Patienten im Sinne der Therapie essenziell.

Bei der Pseudodemenz tritt eine kognitive Leistungsschwäche deswegen auf, weil Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen durch die Depression bestehen. Mehr dazu unter https://medmix.at/pseudodemenz-die-maskierte-depression/


Atypische Neuroleptika zur Pharmakotherapie psychischer Erkrankungen im Alter

Im Grunde genommen kommen Atypische Neuroleptika vielfach zum Einsatz. Beispielsweise bei bipolaren Erkrankungen, Zwangsstörungen, therapieresistenten Angststörungen sowie Depressionen. Weiter bis hin zu schizoaffektiven Psychosen. Atypische Neuroleptika haben aber auch als  Pharmakotherapie psychischer Erkrankungen im Alter ein sehr breites Einsatzfeld. Vor allem bei jeder Form von Unruhe.

Die Wirkstoffe führen aber auch zu einigen Schwierigkeiten, wenn sie ältere Patienten anwenden. So kann es zu extrapyramidalmotorischen Störungen – z.B. schwerwiegende Neuroleptikareaktionen bei Lewy-Body-Demenz –, QTc-Verlängerungen, zerebrovaskuläre Ereignisse – vor allem ein erhöhtes Risiko bei Olanzapin und Risperidon – sowie anticholinergen Nebenwirkungen, Sturzgefahr und thrombembolischen ereignissen kommen.

Dagegen gibt es wenige Hinweise, dass Atypische Neuroleptika ein erhöhtes Risiko für Zuckerstoffwechselstörungen bei alten Menschen verursachen. Die steht im Gegensatz zu einer Schizophrenietherapie bei jungen Populationen, auch lässt sich bei älteren Patienten keine signifikant höhere Gewichtszunahme feststellen und es gibt kein Anzeichen für erhöhte Blutfettwerte.

Für die Behandlung von mittelschweren bis schweren Deliren stehen aus der Reihe der atypischen Neuroleptika Risperidon, Olanzapin, Quetiapin, Ziprasidon, Aripiprazol und Clozapin zur Verfügung. Zur Abschätzung unerwünschter Wirkungen kann sich das Rezeptorprofil der atypischen Neuroleptika als sehr nützlich erweisen.


Positive Erfahrungen: Lichttherapie hilft bei Depressionen

Das wichtigste Anwendungsgebiet für die Lichttherapie sind saisonal abhängige Depressionen wie Winterdepressionen. © peshkova / shutterstock.com
Das wichtigste Anwendungsgebiet für die Lichttherapie sind saisonal abhängige Depressionen wie Winterdepressionen. © peshkova / shutterstock.com

Behandlung von Depression bei alten Patienten

Im großen Gebiet der Depressionen können bekanntlich der Verlust der Lebensfreude (Anhedonie), soziale Isolation und chronische Erkrankungen sowie das sogenannte »Sick­ness Syndrom« hin zu schwersten Depressionen mit Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Schlafstörungen, kognitiven Störungen, Libidoverlust, psychomotorischen Verlangsamungen etc. führen. Am Beginn einer Behandlung steht die Akuttherapie bis zur Remission, danach die Erhaltungstherapie, welche bis zu sechs Monate dauert und daran schließt sich die Rezidivprophylaxe, gegebenenfalls über Jahre, an.

Hier stehen zahlreiche Wirkstoffe wie Monoaminoxidase A-Hemmer, selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) und Mirtazapin zur Verfügung. Mit Einführung der SSRI in den 80er Jahren ist die Suizidrate in den Indus­trieländern zurückgegangen, wobei festgehalten werden muss, dass bei über 90-jährigen Männern eine Steigerung der Suizidfälle beobachtet werden kann.


Omega-3 und Vitamin D beeinflussen das Serotonin im Gehirn

Digitale Illustration von Serotonin und Synapsen. © Creations / shutterstock.com
Digitale Illustration von Serotonin und Synapsen. © Creations / shutterstock.com

Literatur:

Andres TM, McGrane T, McEvoy MD, Allen BFS. Geriatric Pharmacology: An Update. Anesthesiol Clin. 2019 Sep;37(3):475-492. doi: 10.1016/j.anclin.2019.04.007. Epub 2019 Jun 19. PMID: 31337479.

Preuss UW, Wong JW, Koller G. Treatment of behavioral and psychological symptoms of dementia: a systematic review. Psychiatr Pol. 2016;50(4):679-715. English, Polish. doi: 10.12740/PP/64477. PMID: 27847922.

Bandelow B, Baldwin DS, Zwanzger P. Pharmacological treatment of panic disorder. Mod Trends Pharmacopsychiatry. 2013;29:128-43. doi: 10.1159/000351953. Epub 2013 Sep 20. PMID: 25225023.


Quelle: Pharmakotherapie psychischer Erkrankungen. MEDMIX 4/2008

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