Freitag, April 26, 2024

Schnelle Hilfe und Lösungen gegen den Personalmangel auf Intensivstationen

Dramatisch zum Personalmangel auf Intensivstationen: etwa ein Drittel hierzu der Beschäftigten überlegen, ihren Beruf in den kommenden zwölf Monaten zu verlassen.

Im Grunde genommen war schon vor Beginn der Corona-Pandemie die Personalausstattung auf deutschen Intensivstationen knapp kalkuliert und ein Personalmangel des Pflegepersonals absehbar. Wobei sich die Personaldecke im Vergleich zum Jahr 2018 nochmals deutlich verschlechtert (1) hat. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) hin.

 

Kündigungen verschärfen den Personalmangel auf Intensivstationen noch mehr

Beispielsweise denken etwa ein Drittel der Beschäftigten in diesem Bereich darüber nach, ihren Beruf in den kommenden zwölf Monaten zu verlassen (2). Die Sektion Pflege der DGIIN befürchtet jetzt eine weitere Verschärfung. Denn dies könnte nicht nur den Betrieb einzelner Intensivstationen gefährden. Hingegen würde das das gesamte Gesundheitssystem an seine Belastungsgrenze bringen. Absehbar ist auch, dass man die kritische Personalstärke zur Aufrechterhaltung eines Regelbetriebs dauerhaft unterschreitet.

„Angesichts der erneut ansteigenden Covid-19-Infektionszahlen ist es nur eine Frage von Wochen, bis die Intensivstationen so stark ausgelastet sind und das Personal physisch und psychisch überlastet“, warnt Carsten Hermes. Er ist kooptiertes Mitglied im Vorstand der DGIIN und Sprecher der Sektion Pflege der DGIIN.

Nach Einschätzung der DGIIN wird die Zahl von stationär behandelten COVID-19-Patienten vermehrt unter den jüngeren Menschen und insbesondere bei Ungeimpften zunehmen. „Die entscheidende Kennzahl in den kommenden Wochen und Monaten der Herbst- und Winterzeit wird nicht allein die 7-Tages-Inzidenz und auch nicht die Anzahl theoretisch betreibbarer Intensivbetten sein, sondern die Gesamtauslastung der Kliniken und die verfügbaren Pflegefachkräfte“, sagt Tobias Ochmann, stellvertretender Sektionssprecher Pflege in der DGIIN. Die Intensivpflege ist ein spezialisierter und professionalisierter Fachbereich. Insbesondere bei beatmeten Patienten müssen die Pflegenden hochkomplexe Tätigkeiten ausführen. „Jeder Intensivpatient und jede Intensivpatientin benötigt eine professionelle Fachpflege, um bestmöglich versorgt zu werden. Dies kann nicht einfach durch fachfremdes Personal kompensiert werden“, sagt Carsten Hermes.

 

Bettensperrungen wegen zu wenig Personal

Immer wieder kommt es zu Bettensperrungen auf Intensivstationen, weil nicht genügend Pflegepersonal vorhanden ist und Pflegepersonaluntergrenzen nicht eingehalten werden können, was den Personalmangel klar belegt. Die Sektion Pflege der DGIIN fordert in diesem Zusammenhang verbindliche Personalschlüssel, die sich am tatsächlichen Bedarf und nicht lediglich an einer Untergrenze orientieren. Dazu brauche es transparent erfasste und zeitnah verfügbare digitale Daten, um den tatsächlich vorhandenen Pflegepersonalbedarf erfassen zu können (3).

„Die derzeit erneut aufkommende Debatte um die Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen (PpUGV) zeigt zudem, wie wenig Wertschätzung der anspruchsvollen Arbeit hoch spezialisierter Pflegender entgegengebracht wird. Eine solche Aussetzung führt unweigerlich zu einer weiteren Steigerung der ohnehin enormen Arbeitsbelastung, was gleichzeitig eine Verschlechterung der Versorgungsqualität mit sich bringen würde. Zudem steigt das Risiko für Komplikationen und schlechte Behandlungsergebnisse“, so Carsten Hermes.

Die schwierigen Arbeitsbedingungen, leeren Versprechungen und die daraus resultierenden, steigenden Belastungen haben bereits Spuren bei den Intensivpflegenden hinterlassen (4). „Die Intensivpflege in Deutschland steht nun an einem Scheideweg. Die hohe Motivation und Freiwilligkeit unter den Intensivpflegenden, wie noch zu Beginn der ersten Welle, wird sich sicher nicht mehr wiederholen. Wenn jetzt keine Maßnahmen zur Stärkung der Pflege getroffen werden, lässt sich die Abwärtsspirale, in der sich die professionelle Pflege derzeit befindet, immer schwerer aufhalten“, so Tobias Ochmann weiter.

 

Permanente Missachtung der Forderungen zur Verbesserung der Situation in der Intensivpflege seitens der Politik und der Kliniken

Bezugnehmend auf den Personalmangel auf Intensivstationen benennen die DGIIN-Experten als Folge Abstriche in der Versorgung einzelner Patienten. Dies wiederum verschärfe die moralische Stresssituation für die Pflegenden in einem Teufelskreis erheblich. „Die permanente Missachtung der Forderungen zur Verbesserung der Situation in der Intensivpflege (5,6) seitens der Politik und der Kliniken wird unweigerlich zum flächendeckenden Pflexit führen, der mancherorts bereits bedrohliche und nachhaltige Ausmaße angenommen hat“, betont Ochmann.

„Der Pflegeberuf und die Arbeit auf der Intensivstation ist inhaltlich einer der schönsten Berufe, die man sich vorstellen kann“, merkt Carsten Hermes an. Es seien veränderbare Rahmenbedingungen, die die Belastungen in diesem Beruf mit sich brächten. Die Sektion Pflege der DGIIN kritisiert deshalb auch die fehlende Umsetzung der Selbstverwaltung der Pflege. „Hierdurch hätten die Pflegenden selbst die Möglichkeit, Rahmenbedingungen in der Pflege und Arbeitsbedingungen mitgestalten zu können“, so Hermes.

Die Sektion Pflege der DGIIN fordert einerseits die Kliniken auf, für verlässliche, über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehende Personalschlüssel, Dienstpläne und weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu sorgen. Andererseits brauche es gleichzeitig die Unterstützung der Bevölkerung, die Ihrem Applaus nun eine solidarische Haltung folgen lassen muss.

„Alle Infektionsrisiken müssen maximal minimiert und damit die Belegung der Intensivbetten geschont werden. Dies braucht endlich schnelle Unterstützung und verbindliche Lösungen von Seiten der Politik. Der Pflegeberuf ist ein elementarer Bestandteil der Daseinsfürsorge. Damit das auch in Zukunft so ist, muss die Politik nun endlich wirksame und nachhaltige Verbesserungen für den Berufsstand der Pflege sicherstellen.“ Darin sind sich Hermes und Ochmann einig.


Referenzen:

1 Karagiannidis C, Kluge S, Riessen R, Krakau M, Bein T, Janssens U. Auswirkungen des Pflegepersonalmangels auf die intensivmedizinische Versorgungskapazität in Deutschland [Impact of nursing staff shortage on intensive care medicine capacity in Germany]. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2019 May;114(4):327-333. German. doi: 10.1007/s00063-018-0457-3. Epub 2018 Jul 9. PMID: 29987337.

2 https://www.dgiin.de/files/dgiin/aktuelles/2021/20210422_Onlinebefragung-Belastungserleben-Corona-Pandemie.pdf

3 https://www.dbfk.de/de/presse/meldungen/2021/DBfK-zur-Veroeffentlichung-der-Pflegepersonalquotienten.php

4 Begerow A, Michaelis U, Gaidys U. Wahrnehmungen von Pflegenden im Bereich der Intensivpflege während der COVID-19-Pandemie. Pflege. 2020 Aug;33(4):229-236. doi: 10.1024/1012-5302/a000744. PMID: 32811326.

Hermes C, Ochmann T. Sektion Pflege zur aktuellen Situation der Intensivpflege in Deutschland. Arbeitsgruppe der Sektion Pflege der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) [Nursing Division on the current intensive care situation in Germany. Working group of the Nursing Division of the German Society of Medical Intensive Care and Emergency Medicine (DGIIN)]. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2020 Sep;115(6):495-497. German. doi: 10.1007/s00063-020-00705-z. PMID: 32617611; PMCID: PMC7329998.

6 Karagiannidis, C., Hermes, C., Krakau, M., Löffert, K., Welte, T., Janssens, U. [2019]. Intensivmedizin: Versorgung der Bevölkerung in Gefahr. Dtsch Arztebl, 116[10], A-462 / B-378 / C-374


Quelle:

Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin

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