Freitag, April 19, 2024

Personalisierte Medizin in der Kardiologie für effektivere Ergebnisse

Die personalisierte Medizin in der Kardiologie soll den Patienten zum richtigen Zeitpunkt die richtige, wirksame Therapie bei geringeren Kosten bringen.

Die personalisierte Medizin in der Kardiologie ist nicht nur ein Schlagwort. Allgemein zielt sie darauf ab, dem richtigen Patienten zur richtigen Zeit die richtige Behandlung anzubieten. In der Kardiologie ermöglichen heutzutage modernste diagnostische Verfahren und Therapiemöglichkeiten, dass Ärzte ihre einzelnen Patienten zielgerichtet, effektiv behandeln kann. Das heisst, dass man unter dem Strich auch unerwünschte Effekte und damit auch Kosten reduzieren kann. Wobei die personalisierte Medizin in der Kardiologie für alle Stadien der Krankheitsentwicklung geeignet ist. Und zwar zur Risikovorhersage, vorbeugenden Maßnahmen sowie zielgerichteter Therapieansätze.

Zwar profitiert die Kardiologie bereits von neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Genomik und Molekularbiologie. Jedoch noch immer ebenso stark von etablierten Biomarkern, Funktionstests und bildgebende Verfahren. Dabei stützt man sich häufig auf nicht-invasive diagnostische Verfahren und einem symptombasierten Krankheitsmanagement. Hier haben sich andere klinische Disziplinen wie Onkologie und Immunologie haben sich dagegen bereits stärker der molekularen Diagnostik. Und gerade die ist für personalisierte Ansätze sehr gut geeignet. Wichtig sind häufig auftretende Krankheiten wie Bluthochdruck und molekulare Daten zu den Unterschieden bei den Geschlechtern. Im Grunde genommen unterstellt die individualisierte, personalisierte Medizin, dass nur das genaue Verständnis der Krankheitsursachen eine wirksame Therapie ermöglichen.

 

Personalisierte Medizin durch Patienten bezogene Faktoren

Denn hinter den gängigen Krankheitsdiagnosen verbergen sich eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder. Und zwar mit unterschiedlicher Prognose und unterschiedlichem Ansprechen auf bestimmte Therapien. Ausschlaggebend sind unter anderem patientenbezogene Faktoren wie Geschlecht, Alter, Begleiterkrankungen und dem jeweiligen genetischen Hintergrund. Neben der reinen Krankheitsdiagnose kann man unter Einbeziehung dieser individueller Gegebenheiten der Patienten fortlaufend das Therapiemanagement anpassen. Wobei vor allem bei Erkrankungen mit vielfältigen Ursachen hierzu komplexe Analysen notwendig sind.

 

Schnellere und bessere Diagnosen

Wenngleich diese Entwicklung in der Kardiologie auch noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in der Onkologie, bewegt sie sich doch zweifellos in die gleiche Richtung.

Beispielhaft ist das Vorgehen bei Patienten, die mit Luftnot den Arzt aufsuchen. Bei ihnen kann eine Untersuchung des Herzens mittels Magnetresonanztomographie (MRT) einen wesentlichen Beitrag zu einer raschen und korrekten Diagnosestellung leisten. Mittels Herz-Magnetresonanztomographie ist neben der Beurteilung der Pumpleistung der Grad der Fibrosierung, also der diffusen Narbenbildung, im Herzmuskel messbar. Außerdem sind Herzmuskelspeicher-Erkrankungen wie zum Beispiel eine Herzamyloidose mit dieser Methode leicht zu diagnostizieren. So kann rasch eine adäquate Therapie gewählt werden.

Die Kombination mehrerer bildgebender Verfahren, die multimodale Bildgebung, kann zusätzliche Informationen liefern. Beispielsweise kann mittels Magnetresonanztomographie und Herzultraschall zwischen verschiedenen Formen der Herzinsuffizienz (Herzschwäche) differenziert werden. Ebenfalls wichtige Informationen liefern kann die invasive Vermessung der Druckwerte in den Lungengefäßen mittels Herzkatheter zur Diagnosestellung bei unklarer Luftnot.

 

Biomarker und Risikoscores

Ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur individualisierten Diagnostik und Therapie werden in Zukunft auch neue Biomarker spielen. Das können bestimmte Proteine sein, die man in unterschiedlich hohen Konzentrationen im Blut des Patienten nachweisen kann.

Von besonderem Interesse ist beispielsweise das sogenannte NTproBNP. dieses Prohormonfragment aus der Gruppe der natriuretischen Peptide eignet sich einerseits zur Früherkennung von Herzinfarkten. Darüber hinaus aber auch zur Abschätzung des individuellen Risikos. Beispielsweise scheinen Diabetiker mit erhöhtem NTproBNP ein massiv erhöhtes Herzinfarktrisiko zu haben. Dann sollte man auch entsprechend aggressiver behandeln (z.B. den Bluthochdruck).

Aktuelle Untersuchungen mit dem Botenstoff Chemerin bestätigen, dass das Fetthormon ein Biomarker für Herzinfarkt oder Schlaganfall sein kann. Mit Chemerin kann man einerseits neue Patienten mit einem erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko erkennen. Andererseits nützt es auch zur Überwachung der Wirksamkeit der Behandlung.

Der Botenstoff Chemerin wird hauptsächlich im Fettgewebe sowie in Leber, Nieren und Pankreas gebildet. Dann unterstützt er gleichartige Zellen des Fettgewebes bei der Spezialisierung für bestimmte Aufgaben. Zudem leitet Chemerin die Immunzellen zu Gewebeschäden, damit das Immunsystem beispielsweise Entzündungen und Infektionen erfolgreich abwehren kann. Somit kann man das Chemerin auch als Alarmanlage, die eben rechtzeitig auf ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall hinweist.

Interessant sind auch Risikoscores wie der entwickelte DAPT (Duale Antiplättchen-Therapie)-Risikoscore, die dabei helfen sollen, die Therapie zu individualisieren. Eine längere als 12-monatige duale Plättchenhemmung nach einem Katheter-Eingriff beugt Herzinfarkten vor, erhöht aber zugleich das Blutungsrisiko. Der DAPT-Score soll bei der individualisierten Entscheidung helfen, welche Patienten von einer verlängerten Therapie profitieren und welche nicht.

 

Auch in der Kardiologie ist eine verstärkte Individualisierung durch die personalisierte Medizin Gebot der Stunde.

Natürlich will auch die Kardiologie dem richtigen Patienten zur richtigen Zeit die richtige Behandlung anbieten können. Deswegen ist aber auch davon auszugehen, dass man auch im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen zukünftig mehr Ressourcen braucht. Hierzu müssen die Geldmittel sowie die vorhandenen Ressourcen optimal genutzt werden. Einen wesentlichen Beitrag zur optimalen Ressourcen-Nutzung wird wiederum die personalisierte Medizin leisten. Einzelnen spezialisierte Kardiologie-Einrichtungen (Kliniken und Institute)  können allerdings die personalisierte Medizin zu Diagnostik und Therapie nicht mehr leisten. Denn dazu sind Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen erfordern. Daher ist ein intensives Zusammenspiel verschiedener Fachbereiche notwendig.


Literatur:

Currie G, Delles C. Precision Medicine and Personalized Medicine in Cardiovascular Disease. Adv Exp Med Biol. 2018;1065:589-605. doi: 10.1007/978-3-319-77932-4_36.

Eichelmann et al. Chemerin as a Biomarker Linking Inflammation and Cardiovascular Diseases. Journal of the American College of Cardiology. Volume 73, Issue 3, January 2019.
DOI: 10.1016/j.jacc.2018.10.058


Quelle:

Statement Univ.-Prof. Dr. Julia Mascherbauer, Universitätsklinik für Innere Medizin II/Kardiologie, MedUni/AKH Wien, Vorstandsmitglied der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft, Mai 2016

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