Freitag, April 26, 2024

Perkutane Koronarintervention hat Geburtstag

40 Jahre Herzkatheter-Eingriffe: die schonende Perkutane Koronarintervention statt der chirugischen Herz-Operation hat die Kardiologie revolutionär verändert.

Die perkutane Koronarintervention (PCI)  bietet nun seit 40 Jahren die Möglichkeit, ein verengtes Herzkranzgefäß mittels Herzkatheter mit einem Ballonkatheter schonend und sicher aufzudehnen – ohne chirurgische Öffnung des Brustkorbes. Heute werden 85 bis 90 Prozent der Patienten mit Gefäßverengungen (Stenose) mit dieser Methode behandelt, was ihnen einen weitaus invasiveren Eingriff über den offenen Brustkorb mit Herz-Lungen-Maschine und den Risiken der Wundheilung erspart. Für viele bietet diese Methode überhaupt erst die Chance, eine effiziente Behandlung für ihr krankes Herz zu erhalten. Neue Studienergebnisse gibt es zur Katheter-gestützten Aortenklappen-Implantation (TAVI), die sich für eine zunehmend größere Zielgruppe von Patienten als Methode der Wahl etablieren kann. Mittlerweile können auch Patienten mit Mehrgefäßerkrankungen oder Hauptstammstenosen erfolgreich im Katheterlabor behandelt werden. Allerdings zeichnen die aktuelle Ergebnisse der Studien NOBLE und EXCEL ein zum Teil widersprüchliches Bild, was zusätzliche Forschungsergebnisse erforderlich macht.

 

Perkutane Koronarintervention feiert Geburtstag

Heuer feiern die Kardiologie einen wichtigen, runden Geburtstag: Im September wird es 40 Jahre her sein, dass der deutsche Kardiologe Andreas Grüntzig in Zürich erstmals an einem Patienten ein verengtes Herzkranzgefäß ohne chirurgische Öffnung des Brustkorbes  mit einem Ballonkatheter aufgedehnt hat. „Selten hat eine Entwicklung die Behandlungsmöglichkeiten einer ganzen Fachrichtung so revolutionär verändert“, sagt  Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Weidinger (Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien), Past-President der ÖKG anlässlich der ÖKG-Jahrestagung 2017. „Heute werden 85 bis 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Gefäßverengungen (Stenose) mit dieser Methode behandelt.“

Die perkutane Koronarintervention ist eine einfache und sichere Behandlung ohne Skalpell: Ein dünner, biegsamer Katheter wird durch die Arm- oder Beinarterie in das verengte Gefäß vorgeschoben, mit zunächst nicht entfaltetem Ballon im Bereich der Verengung positioniert und schließlich mit Flüssigkeit gefüllt. Dieser Druck sorgt dafür, dass sich das Gefäß wieder aufweitet. Inzwischen erhalten neun von zehn Patienten nach einer PCI-Behandlung einen Stent eingesetzt, um einen Wiederverschluss (Restenose) zu verhindern.

 

Katheter-Verfahren ersparen vielen Patienten belastende Bypass-Operationen

„Mittlerweile hat sich die perkutane Koronarintervention soweit bewährt, dass vielen Patienten dadurch eine belastende Bypass-Operation erspart werden kann“, bilanziert Prof. Weidinger. In Österreich war die Anzahl koronarer Revaskularisations-(Gefäßwiedereröffnungs)-Operationen 2003 erstmals rückläufig, während PCI deutlich zunehmen. Heute werden verschlossene Herzgefäße viermal häufiger mit minimalinvasiver Technik behoben. Das erspart vielen Patienten nicht nur einen weitaus invasiveren Eingriff über den offenen Brustkorb mit Herz-Lungen-Maschine, der mit allen Risiken der Wundheilung und einem meist zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt verbunden ist. „Für viele stellt diese Methode überhaupt erst die Chance dar, eine effiziente Behandlung für ihr krankes Herz zu erhalten“, sagt Prof. Weidinger. „Heute sehen wir immer ältere Patienten mit einer Vielzahl von weiteren Krankheitsbildern, von denen viele aufgrund ihrer Konstitution für eine Bypass-Operation nicht mehr in Frage kämen.“

 

Nicht nur bei hohem Operationsrisiko: Katheter-gestützte Aortenklappen-Implantation

Auch die Katheter-gestützte Aortenklappen-Implantation (TAVI) kann sich zunehmend bei einer größeren Zielgruppe von Patienten als Behandlungsmethode der Wahl etablieren. Daten aus klinischen Studien wie PARTNER II und SURTAVI haben gezeigt, dass insbesondere eine über die Oberschenkelarterie (transfemoral) durchgeführte TAVI nicht nur bei Menschen mit hohem, sondern auch bei mittlerem Operationsrisiko mit vergleichbarer kurzfristiger Sterblichkeit verbunden ist wie die konventionelle Operation am offenen Herzen. Prof. Weidinger: „Die TAVI-Zielgruppe könnte sich in absehbarer Zeit noch erweitern.“

 

Minimalinvasive Behandlung auch bei schweren Fällen erfolgreich

Die Indikationen für eine perkutane Koronarintervention erweitern sich laufend: „Mittlerweile können wir auch Patienten mit Mehrgefäßerkrankungen oder Hauptstammstenosen sehr erfolgreich im Katheterlabor behandeln“, so Prof. Weidinger. „Wie die kürzlich publizierte große Multicenter Studie EXCEL gezeigt hat, sind moderne medikamentenfreisetzende Stents auch in diesen besonders sensiblen Fällen genauso sicher und effizient wie die Bypass-Chirurgie.“

In der im  New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie wurden nur Patienten mit wenig oder mittelgradig komplexen Hauptstamm-Stenosen untersucht. Bei der Kurzfristbetrachtung war die Perkutane Koronarintervention dabei sogar überlegen: In den ersten 30 Tagen nach der Intervention waren 4,9 Prozent der PCI-Behandelten entweder gestorben oder hatten einen  Schlaganfall bzw. Herzinfarkt erlitten. In der Gruppe mit Bypass-Chirurgie trat eines dieser Ereignisse bei 14,7 Prozent ein.

Nach drei Jahren hatten sich die Unterschiede allerdings ausgeglichen: In der Stent-Gruppe kam es bei 15,4 Prozent und in der Gruppe mit Bypass-Chirurgie bei 14,7 Prozent der Patienten zu einem dieser Endpunktereignisse. Prof. Weidinger: „Nach den Regeln der Statistik heißt das: Die Perkutane Koronarintervention ist zumindest in diesem Zeitfenster der Chirurgie nicht unterlegen.“

 

Widersprüchliche Ergebnisse der NOBLE und der EXCEL-Studie

Ein wenig relativiert wurde dieses Bild durch die fast zeitgleich publizierte NOBLE-Studie. Hier waren die Ereignisraten in beiden Gruppen nach einem Jahr noch gleich, nach fünf Jahren waren die Ergebnisse für die chirurgische Intervention allerdings signifikant besser: 29 Prozent der Patienten in der PCI-Gruppe, aber nur 19 Prozent in der Bypass-Gruppe waren gestorben, brauchten einen Bypass oder hatten einen Herzinfarkt bzw. Schlaganfall. Wie diese widersprüchlichen Ergebnisse zu erklären sind, ist noch unklar. „Das könnte entweder durch Unterschiede bei der Rekrutierung der Studienteilnehmer oder durch unterschiedlich verwendete Stents bedingt sein. Oder die Unterschiede der beiden Methoden zeigen sich erst bei längerer Betrachtung“, sagt Prof. Weidinger. „Da die NOBLE-Studie über fünf Jahre, die EXCEL-Untersuchung aber nur über drei Jahre lief, werden wir das wohl erst bei einem Follow Up nach weiteren zwei Jahren wissen.“

 

In der Praxis jeden Einzelfall individuell beurteilen

Für die tägliche Praxis bedeutet das keinen großen Unterschied, sagt Prof. Weidinger: „Selbst wenn sich die Langfristüberlegenheit der Bypass-OP bestätigen sollte, werden wir dabei lernen, welche Patienten mit einer PCI schlechter ausgestiegen sind und können im Einzelfall dann noch genauer beurteilen, welche Methode in welchen Fällen die bessere Wahl ist.“

Quellen:

 

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