Donnerstag, März 28, 2024

COVID-19 in der Schweiz: Triage-Entscheidungen und Palliativversorgung

Um unerwünschte Krankenhausaufenthalte und Intensivbehandlungen zu vermeiden, hat man nun in der Schweiz Empfehlungen zur Palliativversorgung von Covid-19-Patienten etabliert.

Aufgrund der aktuellen Entwicklung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat in der Schweiz die »palliativ ch« eine Task Force Focus Corona zur Palliativversorgung von Patienten mit der Covid-19-Erkrankung mit Vertretern der Fachgruppe Ärzte, Pflege und Seelsorge etabliert.



Die gesundheitliche Vorausplanung für den Zeitpunkt der eigenen Urteilsunfähigkeit (engl.
advance care planning (ACP) – geschieht unabhängig davon, ob diese Urteilsunfähigkeit vorübergehend oder dauerhaft ist. Im Voraus (in advance) wird das gewünschte Vorgehen überwiegend mit Blick auf den Entscheid «lebenserhaltender Massnahmen» definiert. Dabei geht es wesentlich darum, den Patientenwillen in medizinisch klare Handlungsanweisungen (Vorausplanung bspw. in Patientenverfügungen und Notfallplänen) zu übersetzen.

 

Advance Care Planning (ACP) und medizinische Indikation

Die Schweizer Corona-Task Force soll Angehörigen der Gesundheitsberufe Empfehlungen zur Palliativversorgung von Palliativpatienten mit Covid-19 in den verschiedenen Einrichtungen geben. Und zwar sowohl stationär als auch ambulant. Die aktuellen Richtlinien basieren vor allem auf den Erfahrungen und Empfehlungen der Kollegen aus dem Kanton Tessin.

Das Hauptziel der ACP-Task-Force im Zusammenhang mit COVID-19 besteht darin, unerwünschte Krankenhausaufenthalte und Intensivbehandlungen zu vermeiden, die diese Gesundheitsleistungen unnötig belasten und die Notwendigkeit von Einschränkungen verschärfen würden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es von größter Bedeutung, die Wünsche der Patienten in einem Notfalldokument (z.B. der Schweizer Fassung der ärztlichen Notfallanordnung, ÄNO) [ 1 ] klar zu untersuchen und zu dokumentieren.

Patienten, die derzeit die derzeit bereits eine Palliativversorgung erhalten, haben im Allgemeinen keinen Anspruch auf eine Intensivbehandlung im Falle einer COVID-19-Infektion. Dies gilt auch für die meisten Patienten in Pflegeheimen gemäß den kürzlich veröffentlichten Triage-Kriterien des SAMS.

 

Viele Palliativ- und Pflegeheimpatienten haben bereits ihre Wünsche deponiert

Mehrere Palliativ- und Pflegeheimpatienten haben bereits ihre Wünsche kundgetan. Es ist wichtig, diese Präferenzen der Patienten zu dokumentieren und die Dokumente für die akute Situation griffbereit zu haben. Patienten mit Entscheidungsfähigkeit sollten über das Risiko einer COVID-19-Infektion informiert und nach ihren Präferenzen gefragt werden.

Wichtig ist, dass man die Heimbewohner und Patienten sowie deren Familien darüber informiert, dass auch der Wunsch, im Falle einer COVID-19-Krankheit im Krankenhaus gegebenenfalls auch eine Intensivbehandlung zu bekommen, letztendlich nicht in die Praxis umgesetzt werden kann. Und zwar wenn es einen gibt Mangel an medizinischer Indikation, insbesondere in einer Situation der Rationierung knapper Ressourcen.



Forderungen der Patienten und Angehörigen nach einer maximalen Behandlung sind nach geltendem Schweizer Recht nicht rechtsverbindlich und können durch das Fehlen einer medizinischen Indikation außer Kraft gesetzt werden.

 

Wann eine Behandlung bei Covid-19 erfolgt

Wenn Covid-19-Patienten einen guter Krankheitsverlauf haben, erhalten sie weiterhin die übliche Pflege.

Wenn sie einen schweren Verlauf haben, der mit einer Verzögerung von mehreren Tagen auftreten kann, entscheidet der behandelnde Arzt über die medizinische Indikation für einen Krankenhaustransfer. Bei Palliativ- oder Pflegeheimpatienten ist dies eher selten der Fall. Der Patient hat selbstverständlich das Recht, die Überweisung abzulehnen.

Wenn die medizinische Entscheidung darin besteht, Palliativversorgung anzubieten, muss entschieden werden, ob dies bei Covid-19 in einem Krankenhaus oder im Pflegeheim erfolgen soll. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab. Und zwar wie schwer und komplex die Symptome der Patienten sind und wie große der zusätzlichen Pflegebedarf ist.

Wichtig ist auch, wie groß die Kapazität des Pflegeheims beziehungsweise der ambulanten Pflege zur Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Palliativversorgung bei Covid-19 ist.

Unter dem Strich stellt sich auch immer die Frage, inwieweit Betten in Krankenhäusern oder Palliativstationen verfügbar sind.

 

Entscheidungen, die auf medizinische Indikation basiert

Ein wesentlicher Vorteil einer auf der medizinischen Indikation basierenden Entscheidung, insbesondere im Zusammenhang mit der Rationierung von Ressourcen, besteht darin, dass die Familie und die verantwortlichen des Gesundheitswesens entlastet werden. Dadurch kann man das Risiko eines komplizierten Todes verringern.



In allen anderen Fällen sind AKP und gemeinsame Entscheidungsfindung zuverlässige Instrumente, um Patienten und Familien zu entlasten. In diesen Situationen ist die psychosoziale und geistige, psychische, seelische Betreuung des Patienten und insbesondere der Familie von größter Bedeutung (siehe auch die Dokumente auf der neu eingerichteten COVID-19 Spiritual Care-Website) [3].

 

Die Rolle der Palliativversorgung bei Triage-Entscheidungen aufgrund von COVID-19

Die COVID-19-Pandemie dürfte auf ihrem vorhersehbaren Höhepunkt die Kapazität des Schweizer Gesundheitssystems übertreffen. Insbesondere in Bezug auf Betten auf der Intensivstation, denn Behandlungen auf der Intensivstation dauern in der Regel länger als eine Woche.

Wenn keine wirksame Behandlung schnell greift, dann müssen Triage-Entscheidungen bezüglich des Zugangs zu Krankenhäusern und Intensivstationen getroffen werden. Um die Anzahl der geretteten Leben zu maximieren, sollte die Triage den Patienten mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, von der Intensivpflege zu profitieren, die besten Möglichkeiten bieten.

 

Palliativversorgung im Triage-Kontext zu einer besseren Covid-19-Patientenversorgung

Basierend auf den bisherigen klinischen Erfahrungen mit COVID-19, insbesondere im Tessin, hat man allgemeine Grundsätze zu Triage und Palliativversorgung festgelegt. So sollen alle sterbenden COVID-19-Patienten Zugang zu Palliativversorgung haben. Es ist weiter eine ethische Notwendigkeit, allen Patienten, die wahrscheinlich an COVID-19 sterben, eine qualitativ hochwertige Palliativversorgung zu bieten. Insbesondere bei hoher Symptombelastung wie Dyspnoe, Angstzustände etc.

 

Bei komplexen Triage-Entscheidungen sollte ein Palliativspezialist hinzugezogen werden

Komplexe Triage-Entscheidungen sollten niemals eine einzelne Person belasten. Diese sollte ein interdisziplinäres Team machen, das beispielsweise aus einem Intensivarzt, einem Internisten und einem Palliativspezialisten besteht.

Die psychosoziale und spirituelle Betreuung von Patienten, Angehörigen und Angehörigen der Gesundheitsberufe (HCPs) ist von größter Bedeutung

Die Belastung durch die Triage ist vielfältig. Es können Verlassenheitsgefühle des Patienten und seiner Familie entstehen, was zu komplizierten Trauerfällen führen kann. Die beteiligten Personen der Gesundheitsberufe kommen moralisch in Bedrängnis, die Gefahr von Burnout ist groß. Die Verfügbarkeit qualifizierter psychosozialer und spiritueller Unterstützung, insbesondere von Trauerfällen, ist von wesentlicher Bedeutung.




Literatur:

Borasio GD, Gamondi C, Obrist M, Jox R. For The Covid-Task Force Of Palliative Ch. COVID-19: decision making and palliative care. Swiss Med Wkly. 2020;150:w20233. Published 2020 Mar 24. doi:10.4414/smw.2020.20233


Quellen:

(1) https://www.pallnetz.ch/cm_data/Rahmenkonzept_Gesundheitl_Vorausplanung_DE_1.pdf

(2) https://www.sams.ch/en/Ethics/Topics-A-to-Z/Intensive-care-medicine.html

(3) https://www.covid-spiritualcare.com/

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