Freitag, April 19, 2024

Österreichische Gesellschaft für Neurologie – 15. Jahrestagung

Wachsende Bedeutung der Akut-Neurologie: die Österreichische Gesellschaft für Neurologie hält vom 21. bis 23. März in Linz ihre 15. Jahrestagung ab.

Die Österreichische Gesellschaft für Neurologie bietet auf ihrer 15. Jahrestagung in Linz eine Leistungsschau der modernen Neurologie und einen Überblick über aktuelle Herausforderungen des dynamischen Fachgebiets Neurologie, in dem die Akutbehandlung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zu den Kongresshighlights gehört das Thema »Schlaganfalltherapie, Paradigmenwechsel«, wobei zwei neue Studien zeigen, dass die mechanische Thrombenentfernung bis zu 24 Stunden nach dem Ereignis erfolgreich sein kann. In der medikamentösen und chirurgischen Therapie der Epilepsie gibt es bemerkenswerte Fortschritte, die Möglichkeiten der Gehirnchirurgie werden allerdings noch zu wenig genutzt. In der Neuroonkologie ermöglichen molekulare Diagnostik und verbesserte Neuro-Bildgebung maßgeschneiderte Therapien für Patienten mit Gehirntumoren.

 

Neurologie: Zunehmende Bedeutung als Akutfach

Die Tätigkeit von Neurologen gewinnt in zentralen Notaufnahmen der Spitäler zunehmend an Bedeutung. „Patienten mit akuten neurologischen Symptomen machen im deutschsprachigen Raum etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten in den zentralen Notaufnahmen aus“, so Prim.a Univ.-Doz.in Dr.in Elisabeth Fertl, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie, Vorständin der Neurologischen Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien und Gastprofessorin der Medizinischen Universität Wien. „Bis zu 90 Prozent aller stationären Patienten einer neurologischen Abteilung werden ungeplant als Notfälle aufgenommen. Es gibt großen Druck zur Verkürzung der stationären Liegedauer, was bei den oft komplexen neurologischen Patienten nur schwer mit medizinischer Qualität vereinbar ist.“ Außerdem, so die Expertin, finde die Akutversorgung der Neurologie vorwiegend in Spitalsambulanzen rund um die Uhr statt, weil im niedergelassenen Bereich die Wartezeiten auf einen Facharzt-Termin oft mehrere Wochen dauern. „Somit müssen die Ressourcen der Spitäler mit diesem Trend mitwachsen, und auch die Ausbildung des medizinischen Nachwuchses muss dieser Entwicklung Rechnung tragen“, betont die ÖGN-Präsidentin.

 

Zukunft der Neurointensivmedizin

Versorgungsrelevante Fragestellungen gibt es auch in einem anderen Teilbereich des Fachgebiets. In Österreich bestehen sieben spezialisierte Intensivstationen mit insgesamt 60 Betten, wo Patienten mit komplexen neurologischen Erkrankungen wie Status epilepticus, Meningoenzephalitis, Schädel-Hirntraumen, schweren Schlaganfällen oder schweren neuromuskulären Erkrankungen behandelt werden. Deshalb gab es seit 1994 die Zusatzausbildung „Neurointensivmedizin“. „Für eine solche Spezialisierung in der Neurologie und Neurochirurgie wird nun im Rahmen der Ärzte-Ausbildungsordnung 2015 von Spitalsträgern und der Gesundheitspolitik kein Bedarf mehr gesehen“, sagt Prim.a Fertl. „Dies scheint pekuniäre und strukturelle Hintergründe zu haben und bewirkt längerfristig das Ende der Neurointensivstationen in Österreich. Das wäre ein unwiederbringlicher Rückschritt in der Versorgungsqualität.“

Weniger neurologische Grundausbildung für Allgemeinmediziner

Besorgt sind die Experten, was die aktuelle Ausbildung von Allgemeinmedizinern betrifft. Mit der 2015 in Kraft getretenen Ärzteausbildungsordnung wurde die Neurologie in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner als Pflichtfach abgeschafft, sie kann nur mehr als Wahlfach gewählt werden. „Wir haben mehrfach vor gefährlichen Wissenslücken der zukünftigen Ärzteschaft gewarnt, und sehen unsere Befürchtungen leider bestätigt“ so ÖGN-Präsidentin Fertl. „Die Erfahrungen zeigen, dass angehende Allgemeinmediziner tatsächlich kaum mit der Neurologie in Berührung kommen. Darauf müssen wir dringend reagieren. Wir brauchen eine Novelle zur Ausbildungsordnung, die sicherstellt, dass künftig wieder jeder Allgemeinmediziner neurologische Erfahrungen und Fertigkeiten vermittelt bekommt. Schließlich leiden bereits heute mehr Menschen an einer neurologischen Erkrankung als an Atemwegserkrankungen, gastrointestinalen Störungen oder Krebs.“

Quellen:

Österreichische Gesellschaft für Neurologie – 15. Jahrestagung in Linz

Thrombektomie im Zeitfenster zwischen 6 und 24 Stunden: die DAWN-Studie, Springer Medizin InFo Neurologie (2018) 20: 15. https://doi.org/10.1007/s15005-018-2463-7;

Thrombectomy for Stroke at 6 to 16 Hours with Selection by Perfusion Imaging. New England Journal of Medicine 2018; doi: 10.1056/NEJMoa1713973;

ÖGN-Positionspapier (November 2016): Versorgung neurologischer Notfälle in der zentralen Notaufnahme; Bösl, Klein: Neurologie in der Notaufnahme, Nervenarzt 2017 · 88:585–586 DOI 10.1007/s00115-017-0340-0;

Blumcke et at, Histopathological Findings in Brain Tissue Obtained during Epilepsy SurgeryN Engl J Med 2017;377:1648-56.DOI: 10.1056/NEJMoa1703784;

European Organization for Research and Treatment of Cancer [EORTC] 26951 und Radio Therapy Oncology Group [RTOG] 94-02 [3, 20]); Wick, W. & Hau, P. Nervenarzt 2015;86;

Cairncross et al, J Clin Oncol 2013;31:337-43; van den Bent et al, Lancet 2017;390:1645-53;

Pauleit et al. Brain 2005 ;128:678-87; Galldiks et al. J Nucl Med 2012;53:1048-57

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