Freitag, März 29, 2024

Neurologische Patienten leiden häufig an Mangelernährung

Für neurologische Patienten ist eine angepasste gesunde Ernährung eine wichtige Therapiesäule, den oft leiden die Betroffenen an Mangelernährung.

Laut dem European Brain Council leiden 220,7 Millionen Menschen in Europa an mindestens einer neurologischen Erkrankung (1). Viele Neurologische Patienten haben bedingt durch ihr Krankheitsbild erhebliche Schwierigkeiten, sich adäquat zu ernähren. Dadurch tragen sie ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung oder Unterernährung. Deswegen verlieren sie an Gewicht und bauen Muskulatur ab. Die DGEM empfiehlt Ärzten daher, der Ernährung eine wichtigere Rolle in der Therapie von neurologischen Erkrankungen zukommen zu lassen. Deswegen hat die Fachgesellschaft unlängst eine Leitlinie erstellt, die kürzlich aktualisiert wurde.

 

Neurologische Patienten leiden oft an Schluckstörungen

Neurologische Patienten haben häufig erhebliche Schwierigkeiten, sich adäquat zu ernähren. „Die Gründe dafür sind vielseitig“, sagt Privatdozent Dr. med. Frank Jochum, Präsident der DGEM. Viele neurologische Erkrankungen gehen mit Schluckstörungen einher. „Vor allem bei Schlaganfall-Patienten, aber auch bei Patienten mit Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sind Schluckstörungen ein häufig auftretendes Problem“, so Jochum.

Schluckstörungen können nicht nur eine unzureichende Ernährung bewirken, sondern aufgrund des Aspirationsrisikos auch zu lebensbedrohlichen Lungenentzündungen führen. Schmerzen, Appetitlosigkeit – beispielsweise durch die Einnahme bestimmter Medikamente – oder Einschränkungen im Bewegungsapparat können die orale Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme der Patienten zunehmend erschweren.

Mangelernährung kann Folge einer unzureichenden Nahrungsaufnahme sein. „Patienten mit neurologischen Erkrankungen sind einem erhöhten Risiko für Mikronährstoffmangel und Dehydration ausgesetzt“, erklärt Professor Dr. med. Stephan C. Bischoff, Leitlinienbeauftragter der DGEM. „Sie verlieren Gewicht und bauen Muskulatur ab, was wiederum zu Einschränkungen in der Beweglichkeit und Selbstständigkeit führt“, so der geschäftsführende Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin der Universität Hohenheim. Energie- und Nährstoffmangel beeinflussen zudem Heilungsprozesse: Bei den Patienten kommt es häufiger zu Behandlungskomplikationen, sie liegen länger im Krankenhaus, haben eine schlechtere Lebensqualität und ein höheres Sterberisiko (2).

 

Auch sehr junge neurologische Patienten stark betroffen

In der Kinder- und Jugendmedizin sind neurologische Patienten mit Erkrankungen jene, die mit dem schlechtesten Ernährungsstatus leben. „Je nach untersuchter Patientengruppe waren bis zu 68 Prozent der neurologisch erkrankten Kinder mangelernährt“, betont Jochum, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Evangelischen Waldkrankenhauses Spandau und Chefarzt der Klinik für Neugeborenenmedizin des Martin-Luther-Krankenhauses in Berlin-Wilmersdorf (3,4). Schließlich ist das vor deshalb kritisch, weil sich die jungen Patienten noch in der Wachstumsphase befinden und somit für Wachstumsstörungen, verminderte Gehirnentwicklung und andere Folgen der Mangelernährung besonders anfällig sind´.

Ärzte sollten bei einem unzureichenden Ernährungszustand schnell eingegriffen. Deswegen sollten sie den Ernährungsstatus der Patienten regelmäßig prüfen und bewerten. „So können eventuelle Mangelerscheinungen frühzeitig entdeckt und ihnen entgegengewirkt werden“, erklärt Bischoff. „Manche Patienten bemerken beispielsweise gar nicht, dass sie an Schluckstörungen leiden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass danach gezielt untersucht wird.“

Wenn eine Mangelernährung oder ein erhöhtes Risiko festgestellt wird, dann können unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten zum Einsatz kommen, um die Nährstoffzufuhr zu erhöhen. „Je nach Krankheitsbild und Symptomatik können die Speisen zusätzlich angereichert und in ihrer Beschaffenheit und Textur angepasst werden – zum Beispiel in Form von Trinknahrung“, ergänzt Jochum.. „Neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall oder ALS machen häufig eine Ernährung mithilfe einer Sonde notwendig. Eine künstliche Ernährung wird erst dann in Erwägung gezogen, wenn eine Sondenernährung nicht mehr möglich ist“, ergänzt der Experte.

 

S3-Leitlinie Klinische Ernährung in der Neurologie

Die S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Neurologie“, die 2013 erstmals von der DGEM in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften erstellt und publiziert wurde, gibt Ärzten Empfehlungen, um das Risiko von Mangelernährung, Dehydration und Lungenentzündungen bei Patienten mit einer neurologischen Erkrankung zu reduzieren (5). Die Leitlinie wurde in den vergangenen zwei Jahren von einer interdisziplinären, internationalen Arbeitsgruppe der Europäischen Fachgesellschaft für Klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN) aktualisiert (6). „Wir gehen in der Leitlinie besonders auf die weit verbreiteten Krankheitsbilder ALS, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und Schlaganfall ein“, so Bischoff, der an der Überarbeitung der Leitlinie mitgewirkt hat.


Literatur:

(1)     Olesen J et al: The economic cost of brain disorders in Europe; European Journal of Neurology 2012, 19:155-162, DOI: 10.1111/j.1468-1331.2011.03590.x.

(2)     Pawellek I, Dokoupil K, Koletzko B.: Prevalence of malnutrition in paediatric hospital patients. Clin Nutr. 2008 Feb;27(1):72-6. Epub 2007 Dec 20.

(3)     Dahlseng et al.: Feeding problems, growth and nutritional status in children with cerebral palsy. Acta Paediatr. 2012 Jan;101(1):92-8, DOI: 10.1111/j.1651-2227.2011.02412.x. Epub 2011 Aug 2.

(4)     Sullivan P et al.: Gastrostomy tube feeding in children with cerebral palsy: a prospective, longitudinal study. Dev Med & Child Neurol 2005;47:77-85.

(5)     Wirth R, et al. S3-Leitlinie Klinische Ernährung in der Neurologie. Aktuel Ernahrungsmed 2013; 38: e49-e89. https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0033-1343317.pdf

(6)     Burgos R, Bretón I, Cereda E et al. ESPEN guideline clinical nutrition in neurology. Clin Nutr 2018; 37:354–396. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0261561417303187


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) – www.dgem.de

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