Freitag, April 19, 2024

Neue Studie über Schmerzempfindung: Stress, Bewegung und kognitive Strategien können Schmerzen verstärken oder reduzieren

Eine neue Studie über Schmerzempfindung zeigt, dass Stress, Bewegung und kognitive Strategien Schmerzen verstärken oder verringern können.

Eine österreichisch-dänische Studie zeigt, dass körperliches Training, Stress und kognitive Strategien wie innere Regler die Schmerzwahrnehmung hinaufsetzen oder drosseln können. Ein Grund mehr, Schmerztherapien multidisziplinär anzulegen, betonen Expertinnen und Experten im Rahmen der Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft.

Welche Rolle nach aktuellem Wissenstand körperliches Training, Stress und kognitive Strategien bei der Schmerzkontrolle spielen und was das für Schmerztherapien bedeutet: Das fasst eine österreichisch-dänische Forschergruppe in einer aktuellen Übersichtsarbeit zusammen. „Experimentelle und klinische Studien legen nahe, dass es im Menschen sogenannte endogene, also innere Vorgänge und Mechanismen gibt, die Schmerzen hemmen oder verstärken können“, sagt Prim. Priv.-Doz. Dr. Nenad Mitrovic (Vöcklabruck), Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), anlässlich der Österreichischen Schmerzwochen. Die Fachgesellschaft informiert seit nunmehr 20 Jahren im Rahmen ihrer jährlichen Schmerzwochen über die neuesten Entwicklungen in der Schmerzmedizin und die Erfordernisse einer bestmöglichen Versorgung von Schmerzpatientinnen und -patienten.

 

Weniger Schmerz nach dem Sport – doch nicht bei allen

Experimentelle Studien zur Wirkung von körperlichem Training zeigten zum Beispiel, dass nach dem Sport das Schmerzempfinden bei schmerzfreien Personen vorübergehend gemindert ist. Das liegt vermutlich daran, dass zentrale schmerzhemmende Mechanismen durch körperliche Belastung verstärkt werden. Umgekehrt ließ sich nachweisen, dass diese Schmerzhemmung bei manchen Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen vermindert ist und körperliche Anstrengung sogar schmerzsteigernd wirken kann.

 

Dauerstress verstärkt chronische Schmerzen

Stress ist ein weiterer innerer Faktor, der die Schmerzerfahrung beeinflusst. Akuter Stress kann durchaus schmerzmindernd wirken, anhaltender Stress hat bei den meisten chronischen Schmerzpatientinnen und -patienten hingegen die gegenteilige Wirkung. Unterschiedliche Rollen spielen auch kognitive Strategien in der Schmerzunterdrückung. Personen mit chronischen Beschwerden entwickeln intuitiv verschiedene Methoden, um mit ihren Schmerzen umzugehen. Etwa wird versucht, bewusst nicht an die Schmerzen zu denken oder sich gezielt davon abzulenken. „Diese Strategien sind prinzipiell gut – außer sie führen dazu, dass Betroffene keine adäquate Schmerztherapie in Anspruch nehmen, weil sie hoffen, die Schmerzen verschwinden von selbst“, erklärt ÖSG-Präsident Prim. Mitrovic. Eine weitere ungünstige kognitive Strategie ist das „Katastrophisieren“, bei dem sich die Patientinnen und Patienten extrem auf die Schmerzen fokussieren, das Bedrohungspotenzial der Schmerzen überbewerten und davon ausgehen, die Schmerzen nicht auszuhalten. Daher ist es in der Schmerztherapie wichtig, den Betroffenen aktive kognitive Strategien beizubringen und ungünstige passive Strategien abzubauen.

„Diese Übersichtsarbeit macht einmal mehr deutlich, dass Schmerz eine komplexe subjektive Empfindung ist, die auch von inneren Einflüssen abhängt. Für die Schmerztherapie bedeutet das, dass möglichst alle Faktoren Berücksichtigung finden sollten und Schmerzen multidisziplinär behandelt werden müssen“, sagt ÖSG-Präsident Prim. Mitrovic.


Literatur:

Vaegter HB, Fehrmann E, Gajsar H, Kreddig N. Endogenous Modulation of Pain: The Role of Exercise, Stress, and Cognitions in Humans. Clin J Pain. 2020 Mar;36(3):150-161. doi: 10.1097/AJP.0000000000000788. PMID: 31833911.

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