Freitag, April 19, 2024

Nekrotisierende Fasziitis mit Immunoglobulin G behandeln

Der frühe klinische Einsatz von humanem Immunoglobulin G mit spezifischen Antikörpern kann eine nekrotisierende Fasziitis am Fortschreiten hindern.

In einer rezenten Studie haben Wissenschaftler ein Schutzeffekt von Erreger-spezifischen Antikörpern entdeckt. Durch einen Mix aus humanem Immunoglobulin G mit solchen Erreger-spezifischen Antikörpern konnten sie eine Wirkung erreichen, der eine nekrotisierende Fasziitis im frühen Infektionsstadium am Fortschreiten hindert. Besonders wichtig bei der Anwendung ist es, dass die klinische Anwendung von intravenösem Immunglobulin G in der Frühphase der nekrotisierenden Fasziitis einen beobachteten Antikörpermangel ausgleichen kann. Zu spät angewendet – bei bereits bestehender Gewebenekrose – ist der Gewebezerfall nicht mehr zu stoppen.

 

Nekrotisierende Fasziitis:  Bakterien ausgelöste, bedrohlliche Infektionskrankheit der Unterhaut und Faszien

Die nekrotisierende Fasziitis (NF) ist die schwerwiegendste Form eines durch Bakterien vermittelten Absterbens von Gewebe. Hauptverursacher ist das Bakterium Streptococcus pyogenes. Durch den rasanten Verlauf treten beim Erkrankten verheerende Nebeneffekte – von schweren Nekrosen bis zum toxischen Schock – auf, die auch tödlich enden können.

Die nekrotisierende Fasziitis ist eine blitzartig entstehende, schnell und heftig verlaufende, bakterielle Weichteilinfektion der Haut und Unterhaut, bei der die Faszie mitbetroffen ist. Die Anwendung von Antibiotika hilft nur im Frühstadium, auch entzündungshemmende Mittel sind kaum wirksam. Zur Heilung muss oft das entzündete Gewebe großflächig entfernt werden.

Im Grunde genommen ist die nekrotisierende Fasziitis häufig mit unspezifischen Symptomen wie Fieber und lokalen Schmerzen vergesellschaftet. In den ersten 3 bis 7 Tagen schwellen die betroffenen Hautpartien an. Die Haut über dem Infektionsherd präsentiert sich zuerst bläulich-rot, dann bläulich-grau mit konfluierenden Blasen in Folge, die mit hell- bis dunkelroter visköser Flüssigkeit gefüllt sind. Im weiteren Verlauf kommt es zu teils ausgedehnten Nekrosen, da auch die Nerven betroffen sind treten keine Schmerzen auf, hingegen meistens hohes Fieber.

Wenn eine nekrotisierende Fasziitis rechtzeitig erkannt ist, so kann sie mittels medikamentöser Behandlung und Entfernung des betroffenen Gewebes geheilt werden. Hierzu könnte der schützenden Effekt von Erreger-spezifischen Antikörpern im ersten Stadium der identifizierten Streptococcus-Infektion eine wichtige Rolle einnehmen. Beispielsweise könnte ein früher klinischer Einsatz eines Cocktails an humanem Immunoglobulin G, welcher solche spezifischen Antikörper enthält, die Ausbildung von Gewebenekrosen und ein Fortschreiten der nekrotisierenden Fasziitis verhindern.

 

Streptococcus pyogenes – fleischfressende Bakterien

Streptococcus pyogenes ist eine weit verbreitete Streptokokken-Art und als Erreger der bakteriellen Angina, landläufig Mandelentzündung genannt, bekannt. Auch hinter Scharlach oder einer Mittelohrentzündung kann das Bakterium stecken. Krankheitserreger der Art Streptococcus pyogenes werden jedoch auch als fleischfressende Bakterien bezeichnet, da sie in das Unterhautgewebe und die Faszien – die Weichteilkomponenten des Bindegewebes – eindringen und immense Zerstörungen anrichten können. Ihre Eintrittspunkte in den Körper sind unterschiedlich – ein Schnitt, manchmal auch ein Stich wie von einem Dorn oder Insekt.

Unter dem Strich entwickelt die nekrotisierende Fasziitis beim Erkrankten zunächst starke örtliche Schmerzen und Fieber. Gefolgt von einem Anschwellen der betroffenen Regionen, bis schließlich ganze Hautbereiche absterben. Daher kommt auch der Name der Krankheit mit dramatischen Auswirkungen. Wegen der unklaren Herkunft, schnellem Fortschreiten sowie der komplizierte Diagnose sind neue Behandlungsmöglichkeiten dieser lebensbedrohlichen Infektionskrankheit so wichtig.

Es gibt verschiedene Bakterienarten, die ein solch rasantes Gewebesterben auslösen können. Einer der häufigsten Auslöser ist Streptococcus pyogenes. Das Robert-Koch-Institut geht für diesen Erreger davon aus, dass bis zu 20 Prozent der Bevölkerung das Bakterium beherbergen, ohne Krankheitssymptome zu zeigen. In seltenen Fällen kann es aber eben schwere Infektionen oder eine nekrotisierende Fasziitis verursachen.

 

Die Rolle von spezifischen Antikörpern

Die Infektionskrankheit ist, sofern sie rechtzeitig erkannt und medikamentös behandelt wird, heilbar. Derzeit umfassen die wesentlichen Therapieansätze Antibiotika, um die Infektion zu bekämpfen. Weiter eine hyperbare Sauerstofftherapie mit Zuführung von Sauerstoff unter einem erhöhten Umgebungsdruck, um die Immunantwort zu stärken und Bakterien abzutöten. Zudem müssen Chirurgen totes und beschädigtes Gewebe entfernen, damit die Wunden abheilen können. Denn unbehandelt würde sich rasch ein septischer Schock mit Multiorganversagen entwickeln.

Bisher war den Forschern noch unklar, warum sich bei einigen Patienten eine nekrotisierende Fasziitis (NF) mit Gewebenekrosen entwickelt und bei anderen nicht. Die Entwicklung einer nekrotisierenden Fasziitis ist charakterisiert durch ein komplexes Zusammenspiel zwischen dem Immunsystem des Wirtes und dem Pathogen. Dabei werden eine Vielzahl von Virulenzfaktoren produziert, um die Immunantwort zu umgehen oder sie zu manipulieren. Zu diesen Virulenzfaktoren gehören auch die Exotoxine von Streptococcus pyogenes – spezielle Giftstoffe, die das Bakterium absondert.

Unlängst ist es Forschern wie eingangs erwähnt gelungen, die Rolle von speziellen pathogen-spezifischen Antikörpern und speziell solchen, die die Exotoxine von S. pyogenes neutralisieren können, bei der Entwicklung der nekrotisierenden Fasziitis aufzuklären. Dazu untersuchten sie Plasmaproben und bakterielle Isolate von Patienten mit dieser klinischen Infektion im Vergleich zu Proben von Patienten mit einer nicht nekrotisierenden Weichteilinfektion mit Streptococcus pyogenes.

Alle Patienten mit einer nekrotisierenden Fasziitis zeigten in der Anfangsphase der Infektion einen Mangel an spezifischen Antikörpern gegen den Erreger Streptococcus pyogenes und gegen die Mehrheit seiner Exotoxine. Dies bedeutet einen bisher übersehenen Status der serologischen Empfindlichkeit bei Patienten mit einer nekrotisierenden Fasziitis, der potenziell mit dem Fortschreiten der Krankheit verbunden ist. Demgegenüber scheint ein schon existierender Antikörper-Titer gegen die von S. pyogenes ausgeschiedenen Exotoxine zu verhindern, dass ein irreversibles Fortschreiten einer milden Gewebeinfektion in eine schwere nekrotisierende Fasziitis erfolgt.

Besonders wichtig scheint es jedenfalls zu sein, dass die klinische Anwendung von intravenösem Immunglobulin G in der Frühphase der Infektion diesen beobachteten Antikörpermangel ausgleichen kann. Wenn die Therapie mit Immunglobuli G allerdings zu spät erfolgt und die Gewebenekrose sich schon entwickelt hat, dann ist der Gewebezerfall nicht mehr aufzuhalten.


Literatur:

Anshu Babbar, Trond Bruun, Ole Hyldegaard, Michael Nekludov, Per Arnell, INFECT Study Group, Dietmar H Pieper, Andreas Itzek; Pivotal Role of Preexisting Pathogen-Specific Antibodies in the Development of Necrotizing Soft-Tissue Infections, The Journal of Infectious Diseases, Volume 218, Issue 1, 5 June 2018, Pages 44–52, https://doi.org/10.1093/infdis/jiy110

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...